Eine Zeitlang sah es so aus, als hätte Glencore die Wende geschafft. Der Zehn-Milliarden-Dollar- Schuldenabbauplan von CEO Ivan Glasenberg, zusammen mit Beteiligungsverkäufen und Produktionseinschnitten, hauchte der Aktie wieder Leben ein. Doch jetzt fällt der Kurs wieder, und der Druck auf den Schweizer Konzern, seine Bemühungen zu verstärken, nimmt wieder zu.

«Die Arbeit muss wohl wieder von vorne los gehen», sagt Marc Elliott, Bergbauanalyst bei Investec, der vor sieben Wochen mit einer pessimistischen Studie zu einem Rekord-Tagesverlust bei Glencore-Aktien beigetragen hatte. «Vielleicht nicht in demselben Ausmass, aber sie müssen mehr tun.» Investoren empfiehlt Elliott, die Aktie zu verkaufen. 

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Bemühungen sind nicht alles

Die Glencore-Aktie fällt in London seit zehn Tagen in Folge, es ist die längste Verluststrecke in der Unternehmensgeschichte. Seit Jahresbeginn hat Glencore 69 Prozent an Marktwert verloren. Der Preisverfall bei Rohstoffen von Aluminium über Zinn bis hin zu Öl stellt Milliardär Glasenberg vor seine grösste Herausforderung, seit er 2002 bei Glencore das Ruder übernahm. Zwar erreicht er gesetzte Ziele beim Schuldenabbau, etwa eine Kapitalerhöhung um 2,5 Milliarden Dollar, einen Beteiligungsverkauf im Volumen von 900 Millionen Dollar, Einsparungen von 2,4 Milliarden Dollar durch Aussetzen von Dividenden, Fortschritte beim Abstossen eines Anteils an der Agrarsparte, doch die Frage ist, ob nicht der Einbruch bei der Nachfrage aus China alle Bemühungen zunichte macht. 

Eine Hürde nahm Glasenberg am 28. September, als die Aktie nach einem negativen Kommentar von Investec um 29 Prozent abstürzte. Innerhalb einer Woche holte die Aktie ihre Verluste vollständig wieder auf und stieg weiter, begleitet von Mitteilungen über Produktionseinschnitte bei Bergwerken und Beteiligungsverkäufe und beruhigenden Worten über die Solvenz des Konzerns. 

Mühsamer Kampf dank Rohstoffpreisen

Zwischenzeitlich verdoppelte die Aktie ihren Wert gegenüber ihrem Tiefststand. Doch trotz aller Bemühungen und unbestrittener Fähigkeiten kann Glasenberg keine Wunder vollbringen. Solange die Preise für die Rohstoffe, die Glencore fördert, fallen, wird sich die Schwäche im Aktienkurs niederschlagen. «Die Rohstoffpreise laufen gegen sie, und das ist das Problem», sagte Chris LaFemina, Bergbauanalyst bei Jefferies. «Sie führen einen mühsamen Kampf.»

Die Glencore-Aktie bewertet LaFemina mit «Halten». Bei derzeitigen Preisen würde das Unternehmen im kommenden Jahr ein Ebitda von 7,3 Milliarden Dollar erwirtschaften, kalkuliert der Analyst. Ein weiterer Preisrückgang bei Rohstoffen um 10 Prozent würde diese Zahl um etwa 1 Milliarde Dollar verringern, schätzt er. Eine Glencore-Sprecherin lehnte am Dienstag einen Kommentar ab. 

Preise auf Tiefststand

«Glencore hat den ausgearbeiteten Plan im Wesentlichen angenommen und arbeitet ihn ab, und dafür verdient die Firma Anerkennung», sagte Clive Burstow von Baring Asset Management in London in einem Telefoninterview am 11. November. «Allerdings machen ihnen allgemeinere Bedenken zu schaffen, nämlich dass der Sektor einen Ausverkauf erlebt.» 

Seit Glencore am 7. September sein Schuldenabbauprogramm im Volumen von 10 Milliarden Dollar verkündete, hat der Kupferpreis 9 Prozent nachgegeben und am Dienstag ein Sechs-Jahres-Tief erreicht. Zink verlor 13 Prozent, und Kraftwerkskohle, deren grösster Exporteur Glencore ist, gab 7,6 Prozent ab. Das drückt die Gewinne, aber auch den Wert der Minen und Lagerbestände, der in die Berechnung der Nettoverschuldung einfliesst. 

Die 400 Millionen Euro an 3,7-Prozent-Anleihen mit Laufzeit bis Oktober 2023 gaben seit Monatsbeginn 2,3 Cent je Euro nach und erreichten mit 82,1 Cent beinahe ein Sieben-Wochen-Tief, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen. Die Rendite stieg auf 6,7 Prozent. 

Glasenberg lange unumstritten

Glasenberg arbeitet seit mehr als drei Jahrzehnten für den Schweizer Konzern. Der 58-jährige Südafrikaner lenkte Glencore während eines von China angeheizten Rohstoffbooms, eines Börsengangs in London 2011 und der 29 Milliarden Dollar schweren Übernahme des Kohleexporteurs Xstrata zwei Jahre später, als sich die Preise ihrer Spitze näherten. Letztes Jahr noch heckte er den kühnen Plan einer Übernahme des grösseren Konkurrenten Rio Tinto Group aus.

Erst im Zuge der jüngsten Turbulenzen gab es leise kritische Stimmen über seine Art, das Unternehmen zu führen. Doch mit einem Anteil von 8,4 Prozent, seiner Erfolgsbilanz beim Schaffen von Wert im Rohstoffgeschäft und seiner Erfahrung beim Überstehen von stürmischen Zeiten scheint Glasenbergs Position sicher.

Erheblicher Wertverlust von Glasenbergs Anteil

«Jeder derartige Rückgang bei den Metallpreisen setzt die fremdfinanzierten Akteure unter extremen Druck», sagt Paul Gait, Bergbauanalyst bei Sanford C. Bernstein in London. «Auf jeden Fall setzt es Ivan und das Glencore-Management unter Druck, bei diesem Schuldensenkungsziel wirklich Gas zu geben.» 

Als Teil des Schuldenziels und der damit verbundenen Aktienplatzierung im September haben der Milliardär und weitere Führungskräfte mehr als 500 Millionen Dollar in das Unternehmen investiert. Der CEO selbst investierte rund 210 Millionen Dollar, um seinen Anteil zu halten. Dabei ist der Wert von Glasenbergs Anteil an der Firma auf nahezu 2 Milliarden Dollar abgesackt, von beinahe 9 Milliarden Dollar zur Zeit des Börsengangs. In diesem Jahr ist Glencore das Unternehmen mit der schwächsten Entwicklung im britischen Leitindex FTSE 100.

Wackelig und trotzdem relativ sicher

«Ich vermute, dass er unter Druck steht», sagt Rob Clifford, Analyst bei der Deutsche Bank. «Sie haben zurzeit irgendwie kein Glück. Aber er hat im Lauf der Jahrzehnte mehr richtig als falsch gemacht, und das wird ihm helfen. Wenn man ein Investor bei Glencore sein will, dann muss man wie Ivan denken. Man muss darauf vorbereitet sein, einige Jahre dabei zu bleiben. In den schlechten Jahren steckt man Geld hinein, und in den guten Jahren zieht man es wieder heraus.» 

(bloomberg/jfr)