Die von Lou Gerstner, früherer CEO bei IBM, 1995 lancierte Diversity-Task-Force-Initiative ging als Meilenstein in die Geschichte ein. Die von der Task Force identifizierten Gruppen waren Asiaten, Schwarze, Hispanos, native Americans, Gays, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle, Behinderte, Männer und Frauen.
Dieses Spiegelbild von Corporate America hat inzwischen eine globale Dimension erhalten, deren Tempo und Vielfalt viel weiter geht. In der Realität unserer Weltwirtschaften arbeiten Teams aus verschiedenen Nationen in Zentralen und Niederlassungen und vielen globalen Einsatzgebieten für Grossprojekte und Beratungen zusammen – Teams aus Unternehmensberatungen, dem Finanzsektor oder weltweit tätigen Firmen wie PricewaterhouseCoopers, CS und UBS, ABB und Novartis.
Die Pluralität nutzen
Ausnahmslos alle müssen sich in einer immer stärker auffächernden Gesellschaft mit Menschen und Kulturen intensiv auseinandersetzen, um einen Wettbewerbsvorteil nicht zuletzt auch als «good citizen» und «best employer» zu generieren. Das führt aber nur dann zum Erfolg, wenn es der Führungsspitze gelingt, die Pluralität der Mitarbeitenden zu nutzen. Diversity wird damit auch zu einem Instrument der strategischen Personalentwicklung, die den Abfluss von Kompetenz und Know-how verhindern soll.
Frühwarnsystem Diversity
Zu den ersten schweizerischen Firmen, die sich mit Diversity auseinandersetzten, gehört der Rückversicherer Swiss Re, der im vergangenen Jahr die erste Diversity Conference durchgeführt hat, die zweite Auflage wird 2008 von IBM organisiert. Helena Trachsel, Verantwortliche für die Fachstelle Diversity Management & Consulting, ist Ansprechperson für Swiss-Re-Mitarbeiter, die sich diskriminiert fühlen. Sie sensibilisiert in diesem Fall Vorgesetzte und das Management für das Thema, regt Gespräche und Seminare dazu an und führt Projekte durch. Zwei ihrer Assistentinnen haben dazu an der Uni Basel den «Master of Diversity» absolviert. Dieses Frühwarnsystem verhindert, dass diffuse Ängste und Vorurteile zu Differenzen führen, die eskalieren könnten.
Wichtig ist das Thema auch bei IBM: «In einem Arbeitsumfeld ohne Grenzen ist Diversity bei IBM Chefsache. Dazu haben wir globale Richtwerte für ‹Vielfalt› gesetzt: Eine Gesamtstrategie mit Schwerpunkt auf individuelles und kulturelles Bewusstsein, Work-Life-Balance, Akzeptanz und Integration von Behinderten und Gruppen unterschiedlicher sexueller Ausrichtung sowie Förderung von Frauen», sagt Daniel Rüthemann, Chef der IBM Schweiz.
Auch Novartis leistet sich seit sieben Jahren mit Katharina Amacker eine Head Diversity in der Schweiz. Diversity wird hier im Sinne von «inclusion» definiert, gemeint ist Einbeziehung aller Mitarbeiter, welche Herkunft, Religion, Hautfarbe usw. sie auch immer haben. Eine aktive Miteinbeziehung des «Andersseins» steht daher im Vordergrund. Ein «Diversity and Inclusion Advisory Council», bestehend aus zehn externen und unabhängigen Expertinnen und Experten mit unterschiedlichen kulturellen und beruflichen Hintergründen, berät die Geschäftsleitung in allen Diversity-Fragen.
Die chancengleiche Nutzung facettenreicher Erfahrungswerte in der täglichen Zusammenarbeit und die Durchführung von Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden geben allen Unternehmen, die nicht nur von Diversity reden, sondern auch leben, ein menschliches Gesicht. «Wer Mitarbeiter an sich binden will, für den ist es wichtig, dass das Unternehmen ein menschliches Gesicht hat», ist Stephan Peterhans, Territory HC Leader Switzerland von PricewaterhouseCoopers, überzeugt.
«Die Qualifikationen unserer Mitarbeiter sind für den Erfolg unserer Kunden entscheidend. Fachtechnische Kenntnisse sind dabei ebenso wichtig wie Kommunikationsfähigkeit und interkulturelle Kompetenz. International arbeitende Teams spiegeln heute nicht nur die Realität unserer Kunden, sondern bringen auch bessere Lösungen. In speziellen Gefässen fördern wir daher den ständigen internen Wissensaustausch», bestätigt auch Peter Athanas, CEO Ernst & Young Schweiz.
Das Thema Frauen überwiegt generell in den Szenarien von Diversity-Programmen von Schweizer Unternehmen – nicht nur bei IBM und Swiss Re. So hat auch Stephan Peterhans, Territory HC Leader Switzerland von PricewaterhouseCoopers, mit dem Management-Board ein Projekt initiiert, um auch Frauen eine langfristige Karriere zu ermöglichen. Beim Beratungsunternehmen ist neben verschiedenen lokalen Aktivitäten ein Projekt in der Pipeline, das auf europäischer Ebene eine Ausbildung pilotiert, die sich «woman survival course» nennt. Frauen lernen hier, sich in einer maskulinen Unternehmenskultur zu bewegen.
Bei Raiffeisen ist das Thema in einer Fachstelle etabliert. Nach einem Massnahmenprogramm zum Thema Familien- und Frauenförderung legt die sich rasch entwickelnde Bank den Fokus auf ältere Arbeitnehmende, fremde Kulturen und Behinderte.
Auch bei Microsoft ist die Steigerung der Frauenquote nicht nur die Aufgabe der HR-Verantwortlichen, sondern längst Chefsache. HR-Manager René Villiger von Microsoft sieht Frauen als zentralen Diversity-Aspekt: Der Technologie-Konzern musste bis jetzt zur Kenntnis nehmen, dass der weibliche Anteil bei der Rekrutierung zwar 50% beträgt, bei der Karriereentwicklung die Männer aber dominieren. Dazu Villiger: «Unser Unternehmen braucht mehr Frauen an der Spitze, deren Kompetenzen-Set in der Zukunft unverzichtbar sein wird.»
Credit Suisse offeriert innerhalb der Business School im Center of Competence for Cross Cultural Collaboration diverse Highlights für international tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie international tätige Personen mit Führungsverantwortung, wie Collaborating Across Cultures, Leading Global and Virtual Teams sowie angepasste Workshops. Sie stehen Kundenberatern, IT-Spezialisten, Expats, Personen, die viel reisen, HR-Spezialisten und Führungsleuten offen. Alle CS-Mitarbeiter haben zudem weltweit Zugang zu einem interkulturellen Portal, in dem sie ein persönliches kulturelles Profil erstellen und es mit anderen Profilen und Länderprofilen vergleichen können. Dazu bekommen sie auch die Information, wie sie sich von Personen in anderen Kulturen unterscheiden und sich optimal verhalten können. Das Portal vermittelt auch spezifische Informationen zur Zusammenarbeit und zum Management in 50 Ländern.