Vor ein paar Jahren sahen sich Top-Manager von Goldman Sachs Group einmal genau an, wie die Bank eigentlich Börsengänge durchführt. Sie ermittelten 127 Schritte bei jedem IPO und stellten Überlegungen an, wie viele davon von Computern übernommen werden könnten - anstelle von Menschen. Die Antwort bislang: rund die Hälfte.
Nur 21 Monate nach der Ankündigung der Bank, eines der lukrativsten Geschäftsfelder der Wall Street neu aufzustellen, hat das Projekt nun Wege identifiziert, die tausende an Arbeitsstunden von Menschen wegfallen lassen. Eine Computer-basierte Schnittstelle namens Deal Link hat dabei informelle Prüflisten ersetzt. Sie arrangiert und verfolgt nun Rechts- und Compliance-Prüfungen, füllt Formulare aus und erstellt Berichte.
Aufgaben automatisieren
Die Fortschritte bei der Initiative, die von führenden Goldman-Bankern zuletzt in Interviews mit Bloomberg beschrieben wurden, beweisen, dass Investmentbanken möglicherweise dazu in der Lage sind, Aufgaben zu automatisieren, die einst über die Möglichkeiten von Computern hinausgingen.
Die Branche befindet sich unter enormem Druck, die Profitabilität zu steigern - während sie sich mit jungen Mitarbeitern auseinandersetzt, die weniger dazu gewillt sind, 18 Stunden am Tag zu arbeiten.
Goldman-Manager sagen, sie setzen auf neue Technologien, um besonders Junior-Banker von gewissen Aufgaben zu entlasten und ihnen so Arbeiten zu ermöglichen, die zufriedenstellender sind. Das könnte letztlich dazu beitragen, die Abwanderung von Talenten in Richtung Beteiligungsgesellschaften, Technologieriesen wie Google oder heissen Startup-Unternehmen zu verlangsamen.
Projekt des Goldman-CIO
Die Überprüfung der Prozesse geht nicht zuletzt auf das Konto von George Lee, der vor drei Jahren zum Chief Information Officer in der Investmentbanking-Sparte wurde.
Am Anfang wurden Arbeitsschritte unter die Lupe genommen, bei denen mögliche Veränderungen am offsichtlichsten waren: die Routine-Anrufe, E-Mails und Aufgaben, durch die sich junge Banker zu Beginn eines jeden IPOs kämpfen müssen. Dazu zählen etwa Telefonate mit der Compliance-Abteilung, um nach potenziellen Konflikten Ausschau zu halten, oder mit der Rechts-Abteilung, um Anwälte zuzuordnen.
«Wir versuchen, uns langsam aber sicherlich um jene Dinge zu kümmern, die überflüssig sind, die sich am häufigsten wiederholen, die die meiste Arbeitskraft binden - und diese zu automatisieren, so, dass wir Zeit sparen könnten», berichtet Lee.
Goldman Sachs war schon in der Vergangenheit für Innovationen verantwortlich, um mehr mit Börsengängen zu verdienen. Im Jahr 1984 etwa, als Eric Dobkin damit beauftragt wurde, den neunten Platz beim Aktien-Underwriting zu verbessern, drängte er darauf, grosse Blöcke an Aktien an institutionelle Investoren zu verkaufen. Diese Strategie ersetzte am Ende das langjährige Modell, sich auf tausende regionale Broker zu verlassen, um Aktien bei Klein-Investoren zu bewerben. Damals wurde der moderne IPO-Markt geboren.
Begehrtes Geschäft
In diesem Jahr erreicht Goldman Sachs bislang den sechsten Rang unter Managern von globalen Börsengängen - das ist die schlechteste Position der Bank in derartigen Rankings seit 2012, wie aus Daten von Bloomberg hervorgeht.
Für Banken handelt es sich um ein besonders begehrenswertes Geschäft. Die Gebühren lagen im Durchschnitt bei rund 7 Prozent einer mittelgrossen US-Transaktion in den letzten Jahren, zeigen Analysen von Jay Ritter, einem Professor an der Business School der University of Florida. Zum Vergleich: die durchschnittliche Gebühr für den Verkauf von US-Anleihen aus dem Bereich Investment-Grade lag bei 0,5 Prozent im vergangenen Jahr.
(bloomberg/chb)