Goldaktien seien noch lange nicht am Ende, winkt Andy Smith ab. Den Edelmetallanalysten beim Londoner Handelshaus Mitsui Global Precious Metals schreckt weder der Anstieg des Goldpreises von 25% während des vergangenen Jahres noch die 10%, die der Kurs seit Anfang Januar in die Höhe schnellte auf zuletzt 370 Dollar pro Unze.

Dass sich gleichzeitig die Aktien von Goldminen im Schnitt um 60% verteuert haben, ängstigt den Optimisten ebenfalls nicht. «Die Hausse wird länger dauern als erwartet», beruhigt er Anleger. Smith erwartet stabile Goldnotierungen bis zu 380 Dollar und damit einen weiteren Auftrieb für die Produzentenaktien.

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Den Optimismus teilt er mit bekannten Adressen wie Merrill Lynch. Die Investmentbank verlegte erst vor Tagen ihre Zielmarke für Gold für 2003 um 20 Dollar nach oben auf jetzt 340 Dollar. Noch kühnere Edelmetallbullen im Insiderjargon «Goldbugs» (Goldkäfer) genannt halten sogar 400 Dollar für erreichbar.

Erinnert man sich dagegen an den Blindflug der Analysten vor dem Hightech-Absturz des Jahres 2000, dann sieht derzeit alles nach einem baldigen Platzen der Goldblase aus. Davon ist zumindest die wachsende Schar der Skeptiker überzeugt.

Dass die Expertenmeinungen immer mehr auseinander fallen, deutet auf Nervosität in einem Markt hin, der 20 Jahre lang von den Investoren kaum beachtet worden ist. Wird auch im Jahre zwei der historischen Edelmetall-Hausse immer noch alles Gold sein, was glänzt? Die Antwort ist: Minentitel haben noch etwas Potenzial, wenn man bei der Auswahl umsichtig vorgeht.

Berüchtigt für Übertreibungen

Vorsicht war stets ratsam in einem Aktiensegment, das für seine Kursübertreibungen berüchtigt ist. Vergangene Gold-Haussen liessen die Kurse der Produzentenaktien weit mehr steigen als der Rohstoffpreis. «Preisanstiege von 10% können eine Kurs-Rallye von bis zu 60% bei den Aktien auslösen und umgekehrt», warnt David Richards, Goldfonds-Manager bei Merrill Lynch.

«Der Hang zur Übertreibung macht Goldaktien immer hoch riskant, aber potenziell renditestark», sagt der Fachmann. Er fügt hinzu, dass die Ertragslage der Minen immer auch von den Währungsbewegungen der wichtigsten Produzentenländer Südafrika, Kanada und Australien abhänge. Im Moment sprechen viele Argumente für stabile Goldpreise: Neben der Nahost-Krise sind es die fehlenden Anlagemöglichkeiten. Hinzu kommt: Die kapitalintensive Goldbranche kann günstig investieren. Experten nennen als Nachfragefaktor auch die bevorstehende Aufhebung des Verbots von privatem Goldbesitz in China und Indien sowie einen sich abzeichnenden Goldrausch japanischer Sparer. Diese fürchten mehr und mehr um ihre Bankkonten.

Auch das Goldangebot sei nach einer durch die Preis-Baisse der letzten zehn Jahre hervorgerufenen Konsolidierungsrunde in der Minenindustrie besser unter Kontrolle, heisst es. Man kalkuliert derzeit mit einer Übernachfrage von 1000 Tonnen pro Jahr.

Ein Unsicherheitsfaktor sind freilich die mittelfristigen Verkaufspläne der Notenbanken, die weltweit noch 30000 Tonnen Gold eingelagert haben. «Der physische Markt ist weiterhin aufnahmebereit, und der wichtigs-te Antrieb ist im Moment der schwache Dollar», urteilt Shaun Giacomo von UBS Warburg. Er empfiehlt etwa den südafrikanischen Anbieter Harmony zum Kauf, würde aber bei den beiden grösseren Konkurrenten Anglogold und Goldfields angesichts der hohen Bewertung nicht mehr einsteigen.

Potenzial bei kleinen

Jenseits des komplexen Zusammenspiels von Dollar-, Zins- und Inflationstrends, Krisenängsten, physischer Nachfrage, Förderdisziplin und dem Geschehen am Terminmarkt bildet sich bei vielen Experten die Meinung heraus, dass grössere Goldproduzenten wie Anglogold die Sturmfahrt auf dem Rücken des haussierenden «Bullion»-Marktes weitgehend hinter sich haben.

Das Kurspotenzial liegt demzufolge bei den Produzenten der zweiten Reihe, den mittelgrossen Werten wie Lihir, Croesus Mining oder Oxania Resources, aber auch bei Schürfern, die für ein geringes «Hedging-Volumen» bekannt sind. Vor allem grosse Goldminen sichern ihr Absatzpreisrisiko auf Monate hinaus mit Preisterminkontrakten ab. Mit dieser Methode entkoppeln sie ihre Geschäfte von der aktuellen Goldpreisentwicklung und damit ihren Aktienkurs vom Goldmarkt. Die Hedging-Niveaus vieler Konzerne sind bereits unter den aktuellen Goldpreis gefallen. Sie haben sich durch «zu frühes» Absichern weniger attraktiv gemacht.

kanadische Barrick ist beliebt

Wer dagegen erst jetzt bei hohem Goldpreis absichert, kann sich mittelfristig starke Absatzpreise und damit einen Erfolg am Aktienmarkt sichern. «Grosse Anbieter wie Newcrest haben die Gold-Hausse wegen ungünstigen Absicherns kaum mitmachen können», sagt Shaun Giacomo von UBS Warburg.

Allerdings gibt es Ausnahmen von der Regel. Der kanadische Goldkonzern Barrick erhält trotz notorisch grossen Hedging-Volumens reihenweise Kaufempfehlungen. Er hat die Schürfkosten nach Ansicht der Analysten am besten im Griff. Zudem will der Konzern bis Ende des Jahres nur noch 15% statt bisher 22% seiner Schürfmenge absichern.

Einigkeit herrscht unter den Experten, dass der Goldpreis derzeit eine «Kriegsprämie» von bis zu 20 Dollar enthält. Die Prämie würde verschwinden, falls die USA Irak angreifen würden. «Da kann ein fundamental gerechtfertigtes Niveau der Goldminenaktien bereits deutlich überschritten sein», warnt Helmut Engelhard von Challenger Portfolio Management.