Ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen, ruht ein «goldener Käfig» 25 m unter dem Erdboden von New Yorks Lower Manhattan. Niemand suchte dort jemals unbefugten Zutritt, seit er 1924 im soliden Felsen, der die Insel Manhattan trägt, errichtet wurde. Dabei liegen im Tresorraum der Federal Reserve Bank of New York (Fed) 25% der weltweiten Goldreserven von Regierungen, Notenbanken und internationalen Organisationen
Sie fristen ein glanzloses Dasein. Gelegentlich schaut ein Teilnehmer einer Fed-Führung herein. Die Angestellten des New Yorker Fed sind die einzigen, die je einen Barren zu fassen bekommen. Bewegungen in den Lagerbeständen sind jedoch rar, die letzte erfolgte 2003. Bewegungen sind aber gleichzeitig die einzige Dienstleistung, für welche die Bank Geld verlangt, 1, 75 Dollar je Aktion. Die Lagerung selbst ist gratis. Obwohl der Raum die grössten Goldreserven beherbergt, vor jenen der Bank of England, geniesst er deutlich weniger Popularität als etwa Fort Knox, wo die US-Goldreserven ruhen.
Als Gold noch alles war
Die Liftfahrt über fünf Stockwerke in die Kellergewölbe der New Yorker Fed führt den Besucher auf die Reise in eine Zeit, in der Gold noch der einzig sichere Wert und das Rückgrat der Preisstabilität war. Die britische Regierung legte im 19. Jahrhundert als Erste einen fixen Preis zum Gold für ihre Devise fest, ein Beispiel, dem zahlreiche Länder folgten. Für die Parität mussten die Staaten jedoch über ausreichende Goldreserven verfügen, die es wiederum irgendwo sicher aufzubewahren galt. Die Sicherheit des New Yorker Tresors schien zu überzeugen, denn bereits bei der Eröffnung 1924 wurden ausländische Goldreserven im Wert von 506 Mio Dollar (zu heutigem Marktwert) in den 122 individuellen Abteilen eingelagert. Bis 1931 wurden es 9 Mrd Dollar.
Die Weltwirtschaftskrise zehrte jedoch an den Reserven. Viele Staaten konnten in dieser angespannten Lage den Goldstandard nicht aufrecht erhalten, auch nicht Grossbritannien oder die USA. Überall auf der Welt wollten verängstigte Menschen ihr Geld in Gold umtauschen. 1933 erliess Präsident Franklin Roosevelt ein Verbot, das amerikanischen Bürgern den Besitz von Gold untersagte. 1935 waren im New Yorker Tresor gerade noch Barren für 175 Mio Dollar übrig.
Gold fürs Defizit
Was heute in den Gewölben der New Yorker Fed lagert, fand seinen Weg hierhin mehrheitlich nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Bretton-Woods-Abkommen verpflichteten sich die Nationen auf eine Goldparität oder eine Parität zum US-Dollar, der seinerseits an Gold gebunden war. Bis 1971, als die USA den Goldstandard aufgaben, konnten US-Dollars somit zu einem festen Preis in Gold umgetauscht werden.
Für die USA entpuppte sich Bretton Woods als kleine Goldgrube. Zwar war der Goldpreis in Dollar fixiert meist deutlich unter dem eigentlichen Marktwert , und der Preis wurde während der vergangenen 200 Jahre nur viermal geändert, letztmals 1973 auf 42.22 Dollar je Unze. Als sich die ausländischen Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg aber wieder aufrappelten, kletterten nicht nur ihre Exporte in die USA: Auch das Handelsbilanzdefizit der USA wuchs. So verfügten ausländische Nationen bald über eine grössere Menge Dollars, die sie im Austausch für ihre Güter erhalten hatten, und die sie nun wiederum in Gold umtauschten und in New York einlagerten.
Ein Grossteil dieses Goldes stammte aus den Beständen des nur vier Häuserreihen vom New York Fed entfernten US Assay. Dieses prüfte die Reinheit von Gold und war wie die Münzprägestellen dem Finanzdepartement unterstellt. 1982 wurden die Büros des US Assay in New York nach fast 130 Jahren geschlossen, nachdem es wesentlich dazu beigetragen hatte, die Goldreserven bei der New York Fed bis auf 133 Mrd Dollar anschwellen zu lassen. 1966 wurde ein weiterer Tresorraum eröffnet, zu dessen Eigentümern sich die Hüterin des Goldschatzes aber ebenso in Schweigen hüllt wie zur Identität der übrigen 60 Eigentümer.
Goldene Zeiten sind vorbei
Heute sind die goldenen Zeiten vorbei, auch wenn bei politischen Unruhen und Krisen das gelbe Metall immer wieder als sicherer Hafen für Investoren ins Visier rückt. Der Goldstandard, dessen Zeugen die verbleibenden Goldbarren im Wert von noch 90 Mrd Dollar sind, wurde 1971 aufgegeben, das Verbot des Goldbesitzes für US-Bürger 1974 aufgehoben. 1975 verkauften die USA einen Grossteil ihrer Reserven. Ausländische Regierungen taten es den USA gleich, sodass der Bestand im New Yorker Untergrund langsam dahinschmilzt. 1997 füllten noch rund 270 Mio Troy-Unzen den Tresor, 2003 waren es noch 230.
SNB-Währungsgold: Was tun mit 20 Milliarden Franken
Interview mit SNB-Präsident Jean-Pierre-Roth
Die Schweiz hortet ihr Währungsgold nicht länger, sie verkauft es: 1 t pro Tag stösst sie ab. Weil im Jahr 2000 die Goldbindung des Frankens aufgehoben worden ist, verfügt die Schweizerische Nationalbank (SNB) über überschüssiges Währungsgold. Von den damals 2590 t sollen 1300 t verkauft werden, was rund 20 Mrd Fr. Erlös einbringt.
Damit die Goldschwemme den Goldpreis nicht gefährde, wurde 1999 auf Drängen der Schweiz in Washington ein Goldabkommen unterzeichnet: Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Notenbanken 15 europäischer Staaten einigten sich, über fünf Jahre maximal 2000 t auf den Markt zu bringen; allein auf die Schweiz entfiel mehr als die Hälfte der Quote. Bis Ende September 2004, wenn das Abkommen ausläuft, wird die SNB 1170 t Gold verkauft haben. Die restlichen 130 überschüssigen Tonnen werden ebenfalls noch versilbert. Die EZB und 14 Notenbanken haben sich im März 2004 auf ein neues, fünfjähriges Goldabkommen geeinigt. Es regelt den Verkauf von weiteren maximal 2500 t.
Was die Schweiz mit dem Erlös der Verkäufe anfängt, ist umstritten. Der Bundesrat schlägt vor, die Substanz zu erhalten und nur die Zinsen (300 bis 500 Mio Fr. jährlich) auszuschütten ein Drittel dem Bund, zwei Drittel den Kantonen. Der Nationalrat hat beschlossen, zwei Drittel der AHV zukommen zu lassen, ein Drittel den Kantonen. Der Ständerat entscheidet diesen Herbst. (vb)