Es ist dies eine Geschichte aus dem wahren Managerleben: Da trifft also Eduardo Leemann, der erfolgreiche Chef der AIG Bank, auf Rolf Dörig, den erfolgreichen CEO der Swiss-Life-Gruppe. Dörig kommt gerade von Golfplatz, und so ist man denn schnell beim Thema angelangt, zumal Leemann wie Dörig in diesem Sport noch Novizen sind und sich beide erst seit zwei, drei Jahren auf Fairways und Greens versuchen.
Für Leemann verläuft das Gespräch, wie er freimütig gesteht, «ziemlich frustrierend». Es stellt sich heraus, dass Dörig bereits bei einem Handicap von 22 angelangt ist, Leemann hingegen bei Handicap 28 verweilt. «Wie schafft der das nur?», rätselt er noch heute. «Der Dörig führt eine grössere Firma als ich und spielt trotzdem sein Handicap hinunter.»
Für den golfenden Teil der Wirtschaftswelt ist längstens klar, wovon wir reden. Für Nichtgolfer müssen wir die Komplexität des Themas hingegen etwas aufschlüsseln: 1. Manager sind eine leistungswillige Spezies, wollen also ein tiefes Golf-Handicap. 2. Wer ein tiefes Golf-Handicap will, muss häufig auf den Golfplatz. 3. Wer häufig auf dem Golfplatz ist, ist weniger in der Firma.
4. Wer weniger in der Firma ist, hat ein schlechtes Gewissen. 5. Wer ein schlechtes Gewissen hat, erreicht dafür ein tiefes Golf-Handicap. 6. Wer ein tiefes Golf-Handicap hat, demonstriert Leistungswillen – zurück zu Punkt 1.
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Eine ironische Formel für den Zusammenhang von Arbeitsleistung und Spielstärke sagt, das Handicap entspreche ziemlich exakt der Anzahl Stunden, die man pro Woche noch im Unternehmen verbringe. Das Maximum wären also 36. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bleiben nach dieser Einschätzung trotzdem zwei Fragen offen. Frage eins: Ist es für die Firma von Nachteil, wenn der Chef häufig auf dem Golfplatz ist? Frage zwei: Ist es für die Firma von Vorteil, wenn der Chef häufig auf dem Golfplatz ist?
Eine erste Antwort kommt aus den USA und ist für alle Golf spielenden Manager äusserst ermutigend. Die «New York Times» verglich die Golf-Handicaps amerikanischer CEOs mit der Börsenperformance der jeweiligen Unternehmen. Und siehe da, die Korrelation war negativ: Je tiefer das Handicap eines CEO, umso besser die Leistung seines Unternehmens – also nichts wie hin auf den Golfplatz.
Haben wir schon immer gesagt, lästert nun die zweite Kaderebene. Wenn der Chef auf dem Golfplatz ist, kann er nicht überall dreinschnorren, und der Laden läuft von alleine.
Man kann das aber auch ganz anders sehen. «Auf dem Golfplatz erwirbt man Stärken, die auch für das Geschäft relevant sind», sagt Benedikt Goldkamp, der Chef des Industriekomponenten-Herstellers Phoenix Mecano. Er denkt an golftypische Qualitäten wie ehrliche Leistungskontrolle, Umgang mit Herausforderungen und die für diesen Sport so typische Fähigkeit, immer neue Enttäuschungen überwinden zu können. Goldkamp ist als Experte in dieser Frage unbestritten; mit einem Handicap von 2.6 ist er der beste Golfer der Schweizer Manager- und Unternehmergilde.
Wir können also die These wagen: Golfspieler sind bessere Manager.
Zur Verifikation dient die Liste jener grösseren Unternehmen, deren CEOs überzeugte Golfer sind. Zum Vergleich steht die Börsenperformance ihres Unternehmens während der vergangenen zwölf Monate (Stichtag 15. April).
Firma, CEO, Performance
Phonak, Rihs, +116,5%
Phoenix Mecano, Goldkamp, +110,1%
Swiss Life, Dörig, +105,8%
Lindt & Sprüngli, Tanner, +63,3%
Zurich FS, Schiro, +54,1%
Credit Suisse, Grübel/Mack, +50,0%
UBS, Ospel, +41,0%
Bank Sarasin, Merian, +35,6%
Bank Bär, Knabenhans, +20,9%
Serono, Bertarelli, +9,0%
SMI-Index, +26,9%
Auch wenn man die eherne Wissenschaftlichkeit dieser Analyse leise in Zweifel ziehen mag, ist ein Resultat eindeutig und unsere Eingangsfrage beantwortet: Golfende CEOs outperformen mit ihrem Unternehmen – also nichts wie hin auf den Golfplatz. Dass ausgerechnet Ernesto Bertarelli als Einziger deutlich unter dem SMI-Index bleibt, ist aus dieser Sicht sowieso unvermeidlich: Der treibt sich viel zu viel auf seiner «Alinghi» statt auf den Fairways seines Clubs GC Bonmont herum.
In den Vereinigten Staaten ist Corporate Golf, die enge und unverkrampfte Liaison von Golf- und Unternehmenskultur, seit jeher Tradition. Wenn hier jährlich die Handicap-Hitparade der US-Topmanager publiziert wird, ist kaum eine grössere Firma nicht vertreten. Spitzenreiter wie Sun-Microsystems-CEO Scott McNealy erreichen mit Handicap 0.3 schon fast professionelles Niveau. Auch Jack Welch, der legendäre Chef von General Electric, spielte selbst bei seinem Abgang vor drei Jahren noch ein Handicap von 3.3.
In der Schweiz setzte der Golfboom auf den Chefetagen erst vor etwa 15 Jahren ein. Vorläufer wie Nikolaus Senn, Ernst Schneider und Rainer E. Gut, die späteren Verwaltungsratspräsidenten von Bankgesellschaft, Bank Leu und Credit Suisse, waren meist in den USA auf den Sport gestossen. Vor allem Nikolaus Senn erwies sich in der Kollegenschaft als unablässiger Promoter seiner Passion. So überredete er neben andern auch den Tennis spielenden Migros-CEO Jules Kyburz und den langlaufenden UBS-Chef Robert Studer dazu, erstmals zum Schläger zu greifen. «Erst dachte ich, dafür muss man pensioniert sein», sagt Studer heute, «dann bereut man jede Minute, die man zu spät angefangen hat.»
Heute braucht es solch persönliche Überzeugungsarbeit nicht mehr. Golf ist in den Schweizer Geschäftsleitungen enorm populär geworden, und zwar nicht nur deswegen, weil es nach Golferweisheit der einzige Sport ist, den man auch in Handschellen betreiben kann. Die CS-Doppelspitze Oswald Grübel und John J. Mack, flankiert von ihrem VR-Präsidenten Walter Kielholz, spielt geschlossen, bei Firmen wie Migros, Bucherer, McDonalds Schweiz, Kessler AG, Maus Frères oder Sarasin amüsiert sich ebenso die halbe Unternehmensspitze auf den 18 Loch.
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Weil Golf ja wirklich eine amüsante Sache ist, streuen wir an dieser Stelle einmal einen jener vielen Golfwitze ein, die vom Wesen des Managers und der Beziehung zu seinem Sport berichten.
Also: Ein Pfarrer, ein Arzt und ein Manager spielen eine Runde Golf. Vor ihnen spielt eine extrem langsame Partie. Sie warten, sie fluchen, sie warten. Als der Platzwart vorbeikommt, beschweren sie sich aufs Heftigste. Doch der erklärt: «Da vorn spielen vier blinde Feuerwehrleute. Sie haben seinerzeit beim Brand unseres Clubhauses ihr Augenlicht verloren, seitdem dürfen sie jederzeit unentgeltlich bei uns spielen.»
Grosse Betroffenheit: «Oh Gott», sagt der Pfarrer, «ich werde für sie beten.» «Und ich werde ihnen den besten Augenarzt der Stadt organisieren», sagt der Arzt. Da fragt der Manager: «Und warum spielen die nicht nachts?»
Auch die BILANZ bringt Licht ins Dunkel. Wir haben uns ein bisschen umgehört und sind auf rund 220 Namen von Managern ab der Stufe Geschäftsleitungsmitglied gestossen, die in ihrer Freizeit und gelegentlich während der Arbeitszeit – dienstlich mit ihren Geschäftspartnern natürlich – die Golfschläger schwingen. Auch wenn die Liste natürlich nie vollständig sein kann, können wir nach dem amerikanischen Vorbild von «Business Week» erstmals für die Schweiz die Rangliste der golfenden Topmanager des Landes und ihrer aktuellen Handicaps publizieren.
Der beste Corporate Golfer der Schweiz, Benedikt Goldkamp von Phoenix Mecano, ist mit seinem Handicap 2.6 meilenweit von der üblichen Score-Karte des gewöhnlichen Feld-, Wald- und Wiesengolfers entfernt. In den Ferien, wenn er ein paar Mal hintereinander auf den Platz kann, spielt er immer noch das Handicap null, das er als Student hatte, jene Vorgabe also, die sonst den Pros wie Tiger Woods vorbehalten bleibt. Goldkamp hat bereits als Teenager fünfmal die Woche trainiert und damals, wie er sagt, «manchmal von der Profi-Tour geträumt».
Ebenfalls zur Golfelite, mit Vorgaben unter 8.0, gehören so bekannte Namen wie «Baur au Lac»-Direktor Michel Rey, Möbelhaus-CEO Urs Schubiger, Bauunternehmer Walo P. Bertschinger, Yves Mirabaud, Partner der gleichnamigen Privatbank, Juwelier Franz Türler, Nicolas Brunschwig, GL-Mitglied von Bon Genie/Grieder, oder Dieter Meier, der sein Geld als Künstler und als Sänger von Yello verdiente und inzwischen als Investor in Uhren- und Elektronikfirmen engagiert ist. Die beste golfende Businesslady der Schweiz ist Denise Stüdi, Mitglied der Geschäftsleitung von Credit Suisse Financial Services, mit Handicap 7.0.
Der neidvollen Konkurrenz sei kurz erklärt, wie man in diese auserwählte Liga vorstossen kann. Es gibt nur ein Rezept: Man arbeitet auf dem Platz wie verrückt. Ein gutes Beispiel dafür ist Roland Hansmann, GL-Mitglied von Hotelplan, der es schon bis Handicap 4.2 brachte. Als er vor 14 Jahren mit Golf begann, stellte er als Erstes alle vorherigen Freizeitaktivitäten wie Fussball, Tennis, Velofahren, Hockey und Jassen komplett ein. Mehrmals die Woche wurde nun abends trainiert und die Ferien für Trainingscamps in Südfrankreich und Florida genutzt. Auch heute noch übt er jede Woche ein-, zweimal auf der Driving Range, und von den zwei Tagen Samstag und Sonntag gehört einer immer seinem Sport. «Wer trotz Beruf anständig Golf spielen will», sagt Hansmann, «muss alles andere aufgeben.»
Wer etwas durch die BILANZ-Liste streift, entdeckt auch eine Vielzahl von operativ aktiven Topshots mit Handicaps, die zum Teil deutlich unter der von vielen Amateurgolfern angestrebten Traummarke von 18.0 liegen, etwa Hilti-Präsident Michael Hilti, Denner-Chef Philippe Gaydoul, Zürich-CEO James Schiro, Serono-CEO Ernesto Bertarelli und Mathis Cabiallavetta von Marsh & McLennan. In dieser Gruppe liegen auch Verleger Michael Ringier und Ex-Botschafter Thomas Borer, die mit 11.0 genau dasselbe Handicap haben, was immer das auch heissen mag.
Womöglich muss für Nichtgolfer an dieser Stelle ein kurzer Einschub zum Handicap-System eingefügt werden. Es ist logisch, dass es die Briten erfunden haben, ein Volk, das auf alles von Windhunden bis zum Wetter wettet, was nicht vorhersehbar ist. Auch ein Partie Golf darf nicht vorhersehbar sein, vor allem nicht, wenn es dabei um fünf Pfund oder um eine Flasche Alkohol im Clubhouse geht. Die Briten haben darum Golf wetttauglich gemacht, indem sie jedem Spieler dieselben Chancen geben: Jedem sind zusätzliche Schläge zur theoretischen Idealpartie erlaubt, einem guten Golfer weniger, einem schlechten mehr. Wenn zum Beispiel Benedikt Goldkamp mit seinem Handicap von 2.6 gegen Denner-CEO Philippe Gaydoul mit dessen Handicap von 14.6 spielt, darf sich Gaydoul pro Runde 12 Schläge mehr als sein Gegner erlauben.
Da also in einem Golfmatch jeder mit derselben Chance antritt, können wir uns auch etwas den hinteren Regionen der Rangliste zuwenden, ohne uns grobe Unsportlichkeit vorwerfen zu müssen. Da sehen wir denn, dass Ernst Thomke seinen Schwung noch immer nicht saniert hat und dass Josef Ackermann mit der höchstmöglichen Vorgabe von 36.0 sein Victory-Zeichen zu Recht für Indoor-Veranstaltungen reserviert.
Auch Marcel Ospel ist nur wenig besser, noch, muss man sagen, denn er hat erst voriges Jahr seine Golfkarriere begonnen. Immerhin hat Ospel bereits die so genannte Platzreife erreicht. Sie ist die Erlaubnis für Neueinsteiger – wie etwa Verleger Jürg Marquard –, auch ohne Handicap auf dem Platz spielen zu können.
Weil Golf wie gesagt ein amüsanter Sport ist, scheint es nach diesem statistischen Teil an der Zeit, ein zweites klassisches Bonmot aus der Corporate-Welt beizusteuern, eine Art Karriereanalyse, wobei die Schlusspointe zur allgemein besseren Verständlichkeit in Englisch gehalten ist.
Also: Das Spiel für Arbeiter und Angestellte ist Fussball. Das Spiel für das mittlere Management ist Tennis. Das Spiel für CEOs und Geschäftsleitungsmitglieder ist Golf. Merke: The higher you are the smaller your balls are.
Nun ist der Golfplatz, anders als manche Unternehmenskultur, tatsächlich eine echte Schule des Lebens. Eine Partie Golf, sagen viele CEOs übereinstimmend, ersetzt fast jedes Assessment. Nach wenigen Löchern schon wird sichtbar, wie der andere funktioniert, ob er bei Misserfolg sich selber, den Mitspieler oder den Umständen die Schuld zuweist, wann er die Nerven verliert und ob er auch über sich selber lachen kann. Nach wenigen Löchern wisse er, sagt Robert Studer, «ob ich dem Spielpartner mein Portemonnaie anvertrauen würde». Auch der frühere Bankverein-Kader Roland Rasi, heute Consultant, hält Golf für einen perfekten Spiegel der Businesswelt: «Wer auf dem Golfplatz bescheisst, der tut es sicherlich auch im Geschäft.»
Das tat zum Beispiel der Unternehmensberater, dessen Namen wir nicht nennen wollen, bei einem Turnier im Ostschweizer Niederbüren. Als sein Ball dummerweise unter ein Gebüsch zu liegen kam, kickte er ihn heimlich zurück auf die Spielbahn. Dumm war, dass ein Mitspieler ihn beobachtete, den Vorfall meldete und damit die sofortige Disqualifikation auslöste. Noch dümmer ist, dass es nur kurze Zeit dauerte, bis die Geschichte – diesmal mit Namensnennung – in der Golfgemeinde die Runde machte.
Gute Manager und gute Spieler, sagen viele Corporate Golfer, haben eines gemein. Wenn etwas schief geht, suchen sie als Ausrede keine externen Gründe. Im Geschäft schieben sie die Schuldzuweisung nicht auf schwache Märkte, unfähige Mitarbeiter und unfaire Konkurrenten. Auf dem Golfplatz suchen sie die Ursache ebenso wenig beim Platz, beim Wind und beim Gegner. Golf spielt man letztlich nur gegen sich selbst. Alle Wunden sind Selbstverstümmelungen.
Darum ist die Volksweisheit, es würden auf dem Golfplatz unter Managern die grossen Deals abgeschlossen, völliger Quatsch. Manager haben Besseres zu tun, nämlich einen Drink für den Sieger der Runde auszumachen und, wenn es geht, das Handicap doch noch weiter hinunterzuspielen. Oder wie es unser Ranking-Leader Benedikt Goldkamp sagt, dem wir gern das Schlusswort geben: «Wir sind doch alle kompetitive Alphatiere. Und ich habe noch keinen getroffen, dem man das auf dem Golfplatz nicht angemerkt hat, auch wenn wir im Clubhaus dann das Gegenteil sagen.»