Die weitläufig verbreitete Meinung in der Schweiz über Golf spielende Menschen hat sich trotz breiter Öffnung kaum geändert: Ein Sport für die Reichen, die grossen Wert auf ihr Marken-Outfit und Material legen, die keinen Franken zweimal umdrehen müssen. Doch weit gefehlt. Die Erfüllung der eigenen Golf-Träume und die Annäherung an Tiger Woods wird zwar weiterhin mit neuen Schlägern, Schuhen, Shirts oder einem raffinierten Trolly vorangetrieben, aber nicht mehr zu jedem Preis. «Egal, aus welcher Schicht die Leute kommen», sagt Martin Flückiger, «heute wird ständig verglichen.»
Flückiger, Schweizer Importeur der Marke Mizuno und Mitglied der Geschäftsleitung eines grossen Golfgeschäfts in Ittigen bei Bern, ist doppelt unter Druck. Als Vertreter eines Herstellers muss er den Händlern immer tiefere Preise und höhere Rabatte gewähren. Als Endverkäufer kann er den Kunden nur dann konkurrenzfähige Angebote machen, wenn er selbst Druck ausübt und so zu günstigen Konditionen einkaufen kann. Es sei ein ständiger Kampf, gibt Flückiger zu.
Plus beim Umsatz, aber ein Minus beim Ertrag
Dieses Jahr dürften im Schweizer Golfmarkt mit Hardware, Bekleidung und Accessoires zwischen 55 und 60 Mio Fr. umgesetzt werden, was gegenüber 2004 einer Steigerung von fast 10% entspricht genaue Zahlen liegen nicht vor, denn auch die Golfindustrie selbst, die in unserem Land in mancher Hinsicht in den Kinderschuhen steckt, ist auf Schätzungen angewiesen. Gleiches gilt für den Handel mit Golfartikeln. Weil aber die Preise vor allem in der Hardware teilweise bis 25% tiefer liegen als noch vor einem Jahr, leidet trotz grösserem Absatz die ganze Branche.
Was man dagegen machen kann? «Nichts», sagt Pascal Schweiger von Amer Sports Switzerland, mit der Marke Wilson im Markt vertreten, ohne Zögern. Alle Parteien seien gezwungen, Abstriche zu machen. Er selbst müsse, um die internen Geschäftsziele zu erreichen, bei 10% weniger Marge 10% mehr Umsatz generieren. Also bleibe nichts anderes übrig, als an anderen Orten Einsparungen vorzunehmen, etwa der Werbung. Und die Spirale nach unten, da sind sich alle einig, wird sich weiter drehen. Die Hauptgründe dafür liegen in den USA. Der tiefe Dollarkurs und ein Preiskampf unter den amerikanischen Discountern wirken sich auf ganz Europa aus.
Nordic Walking ist ein Boom, nicht aber Golf
«Wenn man bei uns über Golf spricht, falle fälschlicherweise immer wieder das Wort Boom», sagt Golf-Experte Peter Bruggmann von der Umbrail-Sport AG in St. Gallen. «Inlineskating oder jetzt Nordic Walking, das kann man als Boom bezeichnen, aber nicht Golf.» Zwar werde die Zahl aktiver Golferinnen und Golfer (heute rund 60000 in der Schweiz) weiter ansteigen, aber nie und nimmer in grossem Ausmass. «Die Entwicklung wird überschätzt», so Bruggmann, eine gewichtige Steigerung sei nur regional möglich, wenn irgendwo ein neuer Golfplatz entstehe.
Spürbar: Die Macht von Golfers Paradise
Ähnlich schätzt Werner Thalmann das Steigerungspotenzial im Golfland Schweiz ein. Die Expansion, in den letzten Jahren vor allem dank der Migros-Golfparks in Holzhäusern ZG, in Waldkirch SG, in Otelfingen ZH, in Moosseedorf BE und in Signal de Bougy VD vorangetrieben, werde kaum mehr in diesem Mass weitergehen. Beunruhigt ist er deswegen nicht: Der Gründer und Verwaltungsratspräsident von Golfers Paradise ist der grösste Player im Land, nach eigenen Angaben liegt sein Marktanteil dank 18 Verkaufspunkten bei über 50%. Damit lässt sich leben.
Die Vormachtstellung verschaffte sich Thalmann dank Dauertiefpreisen. Er orientierte sich stets am US-Markt und setzte die Schweizer Importeure in den letzten Jahren erfolgreich unter Druck. An der Konzentration auf den Riesen im Fachhandel wird sich kaum etwas ändern, zumal bereits einige andere Grossanbieter in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.
Anders ausgedrückt: In der Schweiz kommen die Hersteller gar nicht um die Marktleader herum, obwohl diese Konzentration auch einige Gefahren birgt und zu einer noch stärkeren Machtkonzentration führt. Es sei eine schwierige Phase, sagt ein Vertreter einer bekannten Marke, die vor allem für hochwertige Clubs und Hölzer bekannt ist. Seinen Namen möchte er nicht nennen die Angst, jemanden zu verärgern, ist zu gross. Viele kleine Anbieter würden viel vorsichtiger einkaufen als früher, weil sie mit den Preisen von Golfers Paradise nicht konkurrieren können und Gefahr laufen, auf ihrem Material sitzen zu bleiben. Denn auch im Golf-Geschäft gilt der Grundsatz: Wer mehr bestellt, bekommt bessere Konditionen und kann diese auch den Kunden zukommen lassen.
Pro-Shop spielt die Rolle eines Kiosks
Und so sind die Zeiten vorbei, als der Pro-Shop eines Klubs viele Mitglieder mit dem neusten Material versorgte. Thalmann selbst vergleicht die Stellung der klassischen Pro-Shops mit Kiosken. «Es ist gar nicht möglich, dass ein kleines Geschäft auf einem Golfplatz die gleiche Auswahl bieten kann wie wir. Also muss man sich dort auf Verbrauchsmaterial wie Bälle, Handschuhe, Tees und gewisse Textilien konzentrieren. In den USA ist dies übrigens längst der Fall.»
Die Kundennähe bleibt echte Überlebenschance
Kleineren Geschäften und Pro-Shops bleibt im Überlebenskampf nichts anderes übrig, als die Kunden besser und kompetenter zu beraten als Golfers Paradise. «Der Service muss ganz einfach bis ins kleinste Detail stimmen», zumal man auch bei Golfers Paradise nicht von Laien bedient werde. «Man kann nur mitmischen, wenn man sich spezialisiert und die individuelle Beratung weiter steigert», sagt der Besitzer eines gut funktionierenden Geschäfts in der Innerschweiz. «Wir pflegen zu unserer Kundschaft einen sehr engen Kontakt.» Diese Nähe zahle sich aus und sei ein grosses Kapital.
Seinen Namen möchte auch er nicht nennen, obwohl er als Musterbeispiel dafür steht, wie man als Nischenspieler sehr gut mithalten kann. Die Devise heisst jedoch, ja keine schlafenden Hunde wecken. Denn die Kampfmassnahmen mit Billigangeboten, die nur die Branchenleader ergreifen könnten, sind zu gefährlich für den eigenen Betrieb.
Thalmann hatte im Sportartikel-Fachhandel bereits einmal für Aufsehen gesorgt, als er mit seiner Firma Mudaco die beschauliche Schweizer Tenniswelt und -industrie durcheinander gebracht und wachgerüttelt hatte. Dank Importen aus dem Ausland (Graumarkt) konnte er die offiziellen Schweizer Lieferanten umgehen und viele Rackets billiger anbieten als jene Sporthändler, die ihr Material von den Schweizer Niederlassungen der Hersteller bezogen.
Ins Golf-Geschäft kam er eher durch einen Zufall. Direkt vor seinem Geschäftssitz in Rotkreuz baute Migros den ersten Golfpark. Er bewarb sich kurzerhand um den Verkaufsladen und erhielt den Zuschlag. Aus dem Tennis-Geschäft hat sich Thalmann fast gänzlich zurückgezogen. Im Golf dürfte das nicht passieren. Zu stark ist seine Position.
Rabattschlacht: Vorsicht bei Angeboten aus Altwarenlager
Der Kunde, die Kundin profitiert und die Parallelen zum Skimarkt sind offensichtlich: Die überregional tätigen Golfhändler in der Schweiz so etwa Golfers Paradies und Athleticum (Tochter des Manor-Konzerns) haben in dieser Saison kräftig den Rotstift angesetzt. Die beiden Dauerkontrahenten liefern sich einen Kampf aufs Blut. Nicht immer allerdings mit taufrischer Ware. Bestimmte Aktionsmodelle bei den Clubs (Schläger), speziell Driver und Putter, können aus der letztjährigen Saison oder gar aus dem Altwarenlager stammen. Das muss nicht, kann aber sein. Vorsicht ist deshalb angebracht.
Weniger kritisch ist die Situation bei den Accessoires und vor allem bei den Bällen. Bälle sind für Golfer und Golferinnen «Verbrauchsartikel». Da wären selbst M-Budget-Bälle zu Discountpreisen höchst willkommen... (mk)
Direktimporte: Das Internet feiert dank Schnäppchen-Jägern Hochkonjunktur
Golfartikel bei Internet-Anbietern in der Hochburg Amerika zu kaufen, sei nur bedingt lohnenswert, sagen fast alle Schweizer Lieferanten und Geschäftsbesitzer. Vor allem bei der Hardware sei die finanzielle Differenz im Vergleich zum Risiko, falsches oder fehlerhaftes Material zu erhalten und es nur mit erheblichen Schwierigkeiten umtauschen zu können, viel zu hoch. Aber mehr als 15% Preisunterschied dürfe es nicht geben, ist Werner Thalmann von Golfers Paradise überzeugt. Und das sei bei genauer Betrachtung bei den wenigsten Sachen der Fall. Die grössten Differenzen von manchmal über 50% kann es noch immer bei den Bällen geben.
Man geht in der Schweizer Golf-Branche davon aus, dass via Internet zwischen 5 und 8 Mio Fr. ins Ausland fliessen, Tendenz steigend. Deshalb beobachtet die Branche die neuste Entwicklung unter Golfern mit Argusaugen. «Man erzähle sich gerne davon, bei welchem Internet-Discounter oder bei welcher Versteigerungs-Plattform man ein Schnäppchen gemacht habe», sagt beispielsweise Peter Bruggmann von Umbrail-Sport. Vor allem unter Senioren, die viel Zeit hätten, sei das ein richtiger Sport geworden, ergänzt Martin Flückiger. (rüp)