Rüdi Steiner und Eckhard Baschek

Wer bei Gretag auf der Homepage nach Neuigkeiten im Bereich Investor Relations forscht, wird mit einem Sonnenuntergang empfangen. Das Bild passt bestens zur momentanen Verfassung des Regensdorfer Fotolaborspezialisten. Dem Unternehmen droht das Lichterlöschen. Bis nächsten Montag, 23. Dezember, dem Tag der ausserordentlichen Generalversammlung, müssen Gretag und die Kreditgeber eine Lösung finden.

Die Aussichten sind wenig rosig. Damit Gretag eine Runde weiter kommt, müssen die Kreditgeber auf einen grossen, wenn nicht gar den ganzen Teil der ausstehenden 130 Mio Fr. verzichten. Auch die Aktionäre werden zur Kasse gebeten. Sie haben eine Nennwertreduktion von 10 auf 1 Fr. pro Papier zu schlucken.

Das Zünglein an der Waage spielen aber der US-Fotokonzern Kodak und zehn italienische Finanzinstitute. Sie haben zusammen 75 Mio Fr. ausstehend, wovon 45 Mio Fr. auf die italienischen Kreditgeber entfallen. Doch gerade sie haben wenig Lust auf einen erneuten Abschreiber ? vor allem die italienischen Banken, die über die Fusion von Gretag und San Marco Imaging im Jahr 1997 dazugestossen sind.

*Schleppende Verhandlungen*

Gretag-Firmensprecher Kurt Münger will den Verhandlungsgang nicht kommentieren. Aus Bankenkreisen ist aber zu hören, dass die Gespräche nur sehr schleppend vorankommen. Erschwert werden die Verhandlungen mit den Italienern dadurch, dass die zehn involvierten Finanzinstitute nicht in einem Konsortium organisiert sind, die Verhandlungen folglich mit jedem Institut separat geführt werden müssen.

Negative Signale sendet seit Monaten auch Kodak aus. Firmensprecher Münger vermag zwar kaum Gründe zu erkennen, weshalb die Amerikaner Gretag fallen lassen sollten. Die jüngste Vergangenheit legt das pure Gegenteil nahe. Der in Aussicht gestellte Grossauftrag ist bis heute nicht eingegangen. Weitere Kredite, die Kodak Ende letzten Jahres, als sie von Gretag Patente übernahm, in Aussicht gestellt hatte, sind ausgeblieben. Und dies, obschon die Transaktion damals in einer Grundsatzvereinbarung schriftlich festgehalten wurde. Über die Höhe der zugesagten Mittel schweigen sich die beteiligten Parteien aus.

Kodaks Interesse an einer redimensionierten Gretag wird nicht grösser, im Gegenteil. Denn die Zusammenarbeit beschränkt sich vorwiegend auf die Minilabors, jenen Bereich also, der als Spin-off aus dem Unternehmen herausgelöst werden soll. Im Bereich Grosslabor dagegen, Gretags künftigem Kerngeschäft, sind Gretag und Kodak Konkurrenten. Münger erklärt, dass der Spin-off San Marco Imaging nur dann zu Stande kommt, wenn die Kreditgeber einlenken. Kodak dürfte dies wenig kümmern. Im Konkursfall würde sie wohl sehr günstig zu San Marco kommen, falls sie daran wirklich weiter interessiert ist.

Die Kröte schlucken werden dagegen die Schweizer Finanzinstitute. Sie haben ihre Kredite und das Unternehmen längst abgeschrieben, wie ein Bankensprecher durchblicken lässt. Waadtländer Kantonalbank, UBS, CS und ZKB, die das Engagement bei Gretag bis heute weit über 150 Mio Fr. gekostet hat, haben bei Gretag noch rund 25 Mio Fr. ausstehend.

Und auch die drei Gründungsaktionäre Eduard Brunner, Hans-Rudolf Zulliger und William Recker, denen Gretag 30 Mio Fr. schuldet, werden sich dem Plan nicht widersetzen. Sie glauben weiter ans Unternehmen und werden davon ? im Erfolgsfall ? auch profitieren. Die anschliessende Rekapitalisierung (es sollen 15 Mio Aktien à 1 Fr. neu ausgegeben werden) werden sie im Alleingang bestreiten.

*Wenig rosige Aussichten*

Selbst wenn Kodak und die italienischen Kreditgeber einlenken sollten: Die Aussichten für Gretag bleiben auf jeden Fall sehr düster. Es stellt sich vor allem die Frage, weshalb ein marodes Unternehmen, wenn es auf zwei Firmen aufgeteilt wird, plötzlich erfolgreich sein soll. Die Produkte und die Märkte werden die gleichen bleiben. Es handelt sich im Übrigen um Märkte, die stagnierend bis rückläufig sind. Mit einem jährlichen Umsatz von rund 120 Mio Fr. wird es Gretag nach eigenen Angaben im Bereich Grosslabors auf einen Marktanteil von 20% bringen. Im ersten Halbjahr machte Gretag in dem Bereich 62,4 Mio Fr. Umsatz und fuhr einen Betriebsverlust (Ebit) von 26,9 Mio Fr. ein.

Ähnlich gross oder noch grösser sind Kodak und Agfa. Beide Konzerne sind allerdings weitaus potenter. Dies dürfte eine nicht zu unterschätzende Rolle für die künftige Marktposition spielen. Denn auch in den Grosslabors ist der Übergang von analogen zu digitalen Bildern in vollem Gang. Eine komplett digitale Anlage mit durchgehendem Prozess vermag in dem Bereich bis heute kein Anbieter zu liefern. Wem dies als Erstes gelingt, wird leichtes Spiel haben, seinen Anteil zu vergrössern. Gretag traut dies im Augenblick keiner zu, obwohl die Maschinen in der Branche einen guten Ruf geniessen. Zu finanzschwach, davongaloppierendes Forschungs-Know-how ? so das Fazit von Branchenkennern.

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