Es ist fast wie in den Ferien: Überall bunte Sonnenstoren, uni, gestreift oder mehrfarbig, ausgebreitet oder zu dicken Rollen zusammengerollt. In den Fertigungshallen der Firma Griesser werden die Stoffe abgemessen, zentimetergenau zugeschnitten und genäht. Kein einziger Storen ist schon fertig an Lager, alle werden vor Ort individuell angefertigt. Storen und Rollläden der Marke Griesser sind an Einfamilienhäusern, Wohnblöcken und Bürogebäuden in der ganzen Schweiz anzutreffen. Hergestellt werden alle in der kleinen Ortschaft Aadorf im Kanton Thurgau, dem Hauptsitz der Firma Griesser und der Griesser Holding AG. Auch in Deutschland, wo die Storen Markisen heissen, ist die Marke mit der Tochtergesellschaft Weinor Die Markise vertreten. Dazu kommen die Griesser Electronic AG in Dietlikon, Griesser Srl. Italien sowie die Griesser France SA als weitere Tochtergesellschaften.
Tradition und Selektion
Der klassische Schweizer Familienbetrieb wird heute in der vierten Generation geführt. Allerdings ging die Leitung des Unternehmens nie direkt vom Vater an den Sohn. Dank Familienkonstellationen mit vielen Töchtern verlief die Übergabe der Firma eher im dynamischen Zickzackkurs an Neffen und Schwiegersöhne, was dem Betrieb jedoch nicht geschadet hat. Walter Strässle, der heutige CEO der Griesser-Gruppe, übernahm die Firma 1991 ebenfalls von seinem Schwiegervater. Die Firmengeschichte reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. 1882 kaufte Unternehmensgründer Anton Griesser, der aus einer kinderreichen Familie im Klettgau stammte, eine Mühlebauwerkstatt in Aadorf und richtete dort einen Fabrikationsbetrieb für Rollläden ein.
Das kleine Firmenarchiv beherbergt noch heute einzelne Holzrollläden aus jener Zeit. Seither hat sich die technische Entwicklung der Storen- und Rolllädenherstellung in immer schnellerem Tempo verändert. Bei einem Durchgang durch die Produktion weist Walter Strässle auf verschiedene ältere Maschinentypen hin, die nicht mehr regulär eingesetzt werden. Sie sind jedoch ein wertvoller Bestandteil des Serviceangebots von Griesser, um damit Storen reparieren zu können, deren Herstellung ein paar Jahre zurückliegt. «Ebenso wichtig ist natürlich das Know-how der Mitarbeiter, die solche älteren Systeme noch kennen», erklärt Walter Strässle. Die Reparatur- und Serviceabteilung ist in den letzten Jahren laufend ausgebaut worden; heute macht sie einen Viertel des ganzen Auftragsvolumens in der Schweiz aus. «Dadurch sind wir nicht mehr abhängig von Neubauten», erläutert Walter Strässle. Die Reparaturen von Sonnenstoren auch anderer Marken ist für die Firma nicht nur ein wirtschaftliches Standbein, sondern auch Werbung und Imagepflege.
Als Walter Strässle die Geschäftsleitung vor 13 Jahren übernommen hatte, begann er die Unternehmensgruppe umzubauen, ohne jedoch Angestellte zu entlassen. Dem CEO, der viele Jahre für eine Schweizer Grossbank unter anderem in Mexiko, Buenos Aires, Panama und New York arbeitete, war es wichtig, die Neuausrichtung frühzeitig, aus eigenem Antrieb und ohne Druck vorzunehmen. In den letzten zehn Jahren schaffte er es, die Zeit für die Produktionsabläufe zu halbieren und dadurch die Lieferzeiten zu reduzieren. Dazu kam eine neue Marketingstrategie, die den Kundennutzen in den Vordergrund stellte. Das Resultat kann sich sehen lassen: Marktanteil und Abstand zur Konkurrenz konnten jedes Jahr vergrössert werden. Heute gehört die Griesser-Gruppe mit jährlich 240 Mio Fr. Umsatz zu den Marktleadern Europas.
Positive Anreize für die Mitarbeiter schafft Mehrwert
Von der Idee, die Produkte oder einzelne Komponenten preisgünstig in Osteuropa oder Asien herstellen zu lassen, hält Walter Strässle nicht viel. Zwar würden dadurch die Kosten gesenkt, aber nur wenn die Teile in der Schweiz gefertigt werden, sei es möglich, flexibel auf die Nachfrage zu reagieren. Die Bauzulieferindustrie steht unter grossem Zeitdruck. Bei einem Neubau muss ein Storen innert zehn bis 50 Arbeitstagen hergestellt und montiert sein. Schnelles und exaktes Produzieren ist für Strässle die Methode schlechthin, um Arbeitsplätze zu sichern. Viele Mitarbeitende hätten umdenken müssen, räumt der CEO ein. Umso wichtiger findet er es, für die Angestellten positive Anreize zu schaffen. «Null Fehler seit 26 Betriebswochen» prangt in grossen Lettern auf einem Schild mitten in der Markisenproduktionshalle. Ein Resultat des Selbstkontrollensystems: Die Mitarbeiter jeder Fabrikationsstufe prüfen die Produkte der vorhergehenden Stufe. Gefeiert wird ein solches Ergebnis jeweils mit einem Umtrunk mit Thurgauer Apfelmost; die beste Gruppe feiert ihr Resultat mit gemeinsamen Mittagessen oder Halbtagesausflügen. Strässle ist überzeugt, dass solche gemeinschaftlichen Erlebnisse den Mitarbeitern mehr geben als monetäre Belohnungen.
In Zukunft wird der Bereich Wartung und Pflege der Rollläden und Storen noch ausgebaut werden, schätzt Walter Strässle. Denn in den letzten Jahren sind viele Hausbesitzer umweltbewusster geworden und tragen mehr Sorge zur Bausubstanz. Ausbaupotenzial verspricht er sich auch vom Bereich Automatisierung. Immer wieder gibt es Hausbesitzer und Abwarte, die das Hinauf- und Hinunterkurbeln der Storen leid sind und eine motorisierte Steuerung einbauen lassen. Ein weiterer Trend stellt Strässle beim Thema Sicherheit fest: Früher konnten Einbrecher manche Rollläden einfach nach oben schieben. Gerade bei Parterrewohnungen ist es wichtig, die äusserlichen Lamellenstoren verriegeln zu können.
Etwas anders liegen die Bedürfnisse der Kunden, die für den Sonnenschutz von Büro- und Geschäftshäusern verantwortlich sind. An Büroarbeitsplätzen ist entscheidend, das natürliche Licht möglichst optimal zu regulieren, um Ermüdungen zu vermeiden. Neue Lösungen sind hier beispielsweise Lamellenstoren, die von unten nach oben schliessen. Walter Strässle: «So sind die Mitarbeiter auf Gesichtshöhe vor der Sonneneinstrahlung geschützt, gleichzeitig wird das Tageslicht an die Decke der Räume gelenkt. Der Raum bekommt genügend Licht und wird nicht durch die Sonne aufgeheizt.»
Dank Sensoren und automatischer Steuerung kann sich der Sonnenschutz heute selbstständig den aktuellen Lichtbedingungen anpassen. Weitere technische Möglichkeiten, deren komplexen Steuerungen die Tochtergesellschaft Griesser Electronic AG produziert: Wind- und Frostsensoren reagieren auf Wind- und Temperaturschwankungen und lassen die Sonnenschutzanlage bei Bedarf sofort aus- und einfahren.
Firmenprofil
Name: Griesser Holding AG, Tänikonerstrasse 3, 8355 Aadorf Gründung: 1882
Geschäftsleitung: CEO Walter Strässle
Umsatz: 240 Mio Fr.
Beschäftigte: rund 1000 (ganze Holding)
Produkte: Storen und Rollläden
Kunden: Architekten, Hausbesitzer, Generalunternehmungen, Fachhändler, Fassadenplaner
Tochtergesellschaften: Griesser AG, Aadorf; Griesser Electronic AG, Dietlikon; Griesser Srl. Italien, Griesser France SA, Nizza; Weinor Die Markise, Köln
Internet: www.griessergroup.com