Die Schweizer Wirtschaftsjournalisten haben Sie zum Unternehmer des Jahres gewählt: Was ist Ihr persönliches Erfolgsrezept?

Günter F. Kelm: Das Wichtigste ist, dass ich normal geblieben bin. Der Erfolg ist mir in all den Jahren nie in den Kopf gestiegen. Gleichzeitig haben mich Schwierigkeiten nie entmutigt. Diese Kombination steht hinter meinem Erfolg.

Sie waren 14 Jahre lang Konzernchef von Geberit, hatten den damaligen Verkauf und den Börsengang der

Firma erlebt: Worauf sind Sie stolz?

Kelm: Stolz bin ich, den intensiven Wandlungsprozess von Geberit, vom sehr konservativen Familienunternehmen zur Publikumsgesellschaft, so gemanagt zu haben, dass dieses Unternehmen keinen Schaden genommen hat.

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Was würden Sie heute anders machen?

Kelm: Ich glaube nicht, dass ich heute etwas anders machen würde. Doch: Vor dem Börsengang hatten wir ziemlich wenig Kenntnisse über den Kapitalmarkt. Da würde ich mich heute besser vorbereiten. Wir mussten damals in kurzer Zeit sehr viel lernen.

Was hat sich in diesen 14 Jahren verändert?

Kelm: Die Märkte sind globaler geworden. Geberit ist heute viel internationaler. Das Tempo ist gestiegen, die Konkurrenz ist härter, und die Ansprüche an die Innovationskraft sind grösser geworden. Eine Firma wie die unsere muss heute in einer weit höheren Frequenz neue Produkte lancieren und die Märkte intensiver bearbeiten.

Wie steigern Sie die Innovationsrate?

Kelm: Wir investieren 2,5 bis 3% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Damit erreichen wir eine Innovationsrate, die über dem Durchschnitt der Branche liegt. Der Anteil des Umsatzes mit Produkten, die in den letzten drei Jahren auf den Markt gekommen sind, muss bei uns bei über 30% liegen.

Wie fördern Sie denn die Innovationsfähigkeit?

Kelm: Das lässt sich nicht befehlen. Aber man muss ein Klima schaffen, in dem Innovationen möglich sind und die Leute stolz sind auf die Firma. Innovation entsteht nicht nur im Forschungs- und Entwicklungsbereich, sondern auch dank der Impulse von den Mitarbeitern an der Front. Wir fördern Innovationen aber auch, indem wir ein Klima ermöglichen, in dem Fehler gemacht werden können und in dem Neues ausprobiert werden kann.

Wie wichtig am Erfolg von Geberit ist die Unternehmenskultur?

Kelm: Die Unternehmenskultur ist entscheidend. Das Topmanagement muss jederzeit Vorbild sein für alle. Denn wir werden ja viel genauer beobachtet, als wir uns das überhaupt vorstellen. Und Mitarbeiter reagieren sehr intuitiv und schnell auf allfällige schwache Signale des Managements. Die Leute können gut unterschieden, ob nur gepredigt wird oder ob etwas dahinter steht.

Das Topmanagement soll Vorbild sein, doch hat der Ruf der Manager in der Öffentlichkeit stark Schaden genommen: Wie leben Sie damit?

Kelm: Ich bedaure den schlechten Ruf der Manager in der Gesellschaft. Ich finde es aber nicht in Ordnung, dass die vielen Führungskräfte, die einen guten Job machen, wegen der Exzesse von einigen Wenigen büssen müssen. Die Fehler einiger weniger Manager haben zahlreiche Vorschriften zur Folge, die nicht wertschöpfend sind.

Geberit hat früh auf Nachhaltigkeit gesetzt. Inwieweit ist dies ein Teil des Erfolges?

Kelm: Nachhaltigkeit umfasst sowohl den ökologischen als auch den sozialen Aspekt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Nachhaltigkeit eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg einer Firma ist. Kurzfristig Marktanteile nur über die Preispolitik erobern kann jeder. Aber nachhaltigen Umsatz zu erzielen, damit Wertschöpfung kreiert wird, das ist für einen Manager eine Nagelprobe.

Künftig sind Sie - vorbehältlich Ihrer Wahl an der nächsten GV - VR-Präsident von Geberit: Welche strategischen Ziele setzen Sie sich für 2005?

Kelm: Wir wollen unsere Wachstumsziele erreichen, die Internationalisierung vorantreiben und innovativ bleiben. Wir lancieren 2005 eine ganze Reihe von Neuheiten.

Wie stufen Sie die wirtschaftlichen Perspektiven für Geberit ein?

Kelm: Die derzeitige konjunkturelle Erholung ist sicherlich nicht nachhaltig in allen Bereichen. Allerdings hängt Geberit nicht so stark von Zyklen in der Bauwirtschaft ab. 70% unserer Umsätze erzielen wir über Renovationen. Nur ein kleiner Teil unseres Umsatzes leidet unter einer schlechten Konsumentenstimmung. Klar ist: Das Wachstum, das wir 2004 erreicht hatten, werden wir so schnell nicht wiederholen können.

Geberit hat in den letzten zwei

Jahrzehnten im Durchschnitt eine Umsatzsteigerung von fast 9% pro Jahr erzielt. Dieses Wachstumstempo wird sich kaum fortsetzen: Ist ein Wachstum von 5 bis 6% in den nächsten zwei Jahren nicht realisitischer?

Kelm: Ein Wachstum von 5 bis 6% ist realistisch, selbst wenn wir in Deutschland dieses Ziel im nächsten Jahr nicht erreichen. Da brauchen wir ein Wachstum von 1 bis 2%. In den Märkten ausserhalb Westeuropas aber wachsen wir seit Jahren zweistellig, und wir sehen keinen Grund, warum dies 2005 nicht so weitergehen sollte.

Wie beurteilen Sie in Deutschland und Frankreich die Entwicklung von Geberit? Diese Märkte hatten ja das Ergebnis im 3. Quartal belastet.

Kelm: Deutschland wird 2005 schwierig für uns. Wir sind dort im 1. Halbjahr 2004 organisch um 14% gewachsen. Das kann man nicht so schnell wiederholen. In Frankreich hingegen sehe ich noch Nachholbedarf.

Ist die Abhängigkeit vom deutschen Markt, die mit der Übernahme der

Mapress noch erhöht wurde, nicht zu gross?

Kelm: Wir erwirtschaften rund ein Drittel des Umsatzes in Deutschland. Das ist gesund für Geberit. Wir sind dort gut eingeführt und betrachten Deutschland als einen guten Markt.

Halten Sie an den Zielen für 2004 fest: Einen Umsatz in Franken, der um 35 bis 40% steigt?

Kelm: Ja, ich halte an unseren Zielen fest. Wir werden am 14. Januar 2005 unsere Umsatzzahlen für 2004 veröffentlichen. Ich sehe keine Grund, unsere Prognosen zu korrigieren.

Kann weiterhin mit einer hohen

Margen-Entwicklung gerechnet werden?

Kelm: Ja, ganz klar. Bei uns ist nicht Umsatzwachstum das Entscheidende, sondern profitables Wachstum.



Heisst dies, dass eine Ebita-Marge von 23,2% für 2004 und 2005 realisierbar ist?

Kelm: Wir werden die Gewinnzahlen im März veröffentlichen. Ich gehe aber aus heutiger Sicht davon aus, dass eine Ebit-Marge von 23,2% für 2004 realistisch ist.

Es gibt somit keinen Grund zu einer Anpassung der bisherigen Prognosen?

Kelm: Nein. Ich kann unsere Prognosen auch beim Gewinn voll bestätigen.

Allerdings ist das 4. Quartal bei Geberit erfahrungsgemäss schwächer: Sind Sie mit dem derzeitigen Geschäftsverlauf zufrieden?

Kelm: Ja, ich bin sehr zufrieden. Details werden wir im Januar mitteilen.

Inwiefern wirkt sich bei Geberit der Dollar negativ aus?

Kelm: Die Dollarschwäche wirkt sich bei uns nur wenig aus. Für den amerikanischen Markt produzieren wir in den USA. Wir verzeichnen unter dem Strich für die ganze Gruppe einen negativen Dollareffekt, dieser ist aber nicht dramatisch.

Wird es 2005 bei Geberit einen Gewinnsprung geben?

Kelm: Ja. Wir werden aus buchhalterischen Gründen 2005 einen Gewinnsprung von 50 Mio Fr. ausweisen können, weil die Abschreibungen, die Amortisationen auf Goodwill, wegfallen. Wir erwarten ein moderates Umsatzwachstum und weiterhin hohe Margen.

Wo wollen Sie in den nächsten Jahren mit Geberit wachsen?

Kelm: Wir werden in Zentral- und Osteuropa wachsen. Auch in Frankreich und Grossbritannien sind gute Steigerungsphasen möglich. Stark zulegen werden wir in Asien, wo wir bereits eine gute Basis haben. Aber auch in Amerika sehen wir ein gutes Wachstum.

Trotz der Rückschläge nach den Zahlen des 3. Quartals zählen die Geberit-Aktien zu den Börsengewinnern 2005. Ist die hohe Bewertung gerechtfertigt?

Kelm: Ich bin überzeugt, dass die Börse langfristig den wahren Wert von Geberit sieht und sich dies positiv auf den Kurs auswirkt.

Die Börse hatte ungnädig auf die Zahlen des 3. Quartals reagiert. Wurde Geberit von den Anlegern falsch verstanden?

Kelm: Ich mache niemandem einen Vorwurf. Nach einem derartig fulminanten 1. Halbjahr waren die Erwartungen zu hoch. Bei einem Kurs von 975 Fr. war das Rückschlagrisiko riesig. Insofern hat die Börse ihre eigenen hohen Erwartungen nicht erfüllt und dann harsch reagiert. Die starke Reaktion war aber übertrieben.

Was dürfen die Aktionäre 2005 von Geberit erwarten?

Kelm: Sie dürfen weiterhin ein solides, ein stabiles, ein vorhersehbares Geschäft erwarten. Die Aktionäre dürfen damit rechnen, dass wir unsere Ziele erreichen. Dann liegt eine weitere Steigerung des Kurses drin. Zunächst einmal dürfen die Investoren eine schöne Dividende für 2004 erwarten.

Für Überraschung an der Börse haben die Ernennung von Albert Baehny zum neuen CEO und der Wechsel des Finanzchefs gesorgt: Konnte in den letzten Wochen das Vertrauen der Investoren in die neue Führung von Geberit gestärkt werden?

Kelm: Ja, eindeutig. Albert Baehny und unser neuer Finanzchef Roland Iff haben in den letzten Wochen viele Gespräche mit Anlegern geführt. Dies hat das Vertrauen in das neue Management deutlich gestärkt. Wir haben sehr positive Reaktionen bekommen.