Für Mathias Tromp gibt es keine Zweifel. «Wenn nach der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels (LBT) in einem halben Jahr bis zu 40 zusätzliche Güterzüge pro Tag die Achse Lötschberg–Simplon befahren können, soll die BLS AG an vorderster Front profitieren.» Der CEO des zweitgrössten Schweizer Bahnunternehmens ist überzeugt, dass das Tochterunternehmen BLS Cargo AG bestens vorbereitet ist, «um diese Chance zu nutzen».

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Vom gesamten Alpen durchquerenden Güterverkehr in der Schweiz hält BLS Cargo heute einen Marktanteil von 40%. Auf die Konkurrentin SBB Cargo entfallen 57%. Auf der Lötschberg-Simplon-Achse ist BLS Cargo mit 80% hingegen führend.

Diese Dominanz soll jetzt ausgebaut werden. Dazu wurde bereits im Vorfeld die gesamte Flotte der BLS-Güterlokomotiven mit dem für den LBT erforderlichen European Train Control System (ETCS) ausgerüstet.

Startklar am Tag X

Dank der aktiven Beteiligung am kommerziellen Testbetrieb will BLS Cargo am Tag X startklar sein und von den Vorteilen, die der neue Tunnel den Transportunternehmen bietet, als Erste profitieren. BLS-CEOTromp ist überzeugt, dass die Aufwertung der Lötschberg-Simplon-Achse einen wesentlichen Beitrag zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene leisten wird.

Daran zweifelt man hingegen bei SBB Cargo. Die von BLS angekündigten 40 zusätzlichen Fahrten (Trassen) werden dort für übertrieben erachtet. SBB-Cargo-Sprecherin Karin Grundboeck nennt rund zehn zusätzliche Trassen pro Tag. Auch die geringe Einsparung von 10 bis 15 Minuten Fahrzeit bringe dem Güterverkehr keine grosse Produktivitätssteigerung.

CEO Daniel Nordmann spricht auch den hohen Energieaufwand an: «Der neue Lötschberg-Tunnel ist ein Basistunnel zwischen dem Berner Oberland und dem Oberwallis. Schwere Güterzüge brauchen weiterhin zwei Lokomotiven für die Steigung von Thun nach Frutigen. Ganz zu schweigen von der Bergstrecke von Domodossola nach Brig.»

Für Nordmann ist deshalb klar, dass der Durchbruch für den Schienengüterverkehr erst in zehn Jahren mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels und zwei Jahre später mit dem Ceneri-Tunnel erfolgen wird. Er erwartet ab diesem Zeitpunkt eine Erhöhung der Kapazitäten von heute 180 auf 260 Trassen pro Tag und eine Steigerung der Produktivität für SBB Cargo von 20 bis 25%.

Auch für die SBB wichtig

Trotzdem ist auch der Lötschberg für SBB Cargo eine wichtige Route mit Wachstumspotenzial. Die durch den LBT mögliche Verkehrssteigerung wollen die Bundesbahnen einerseits mit Frequenzsteigerungen bei den traditionellen Transporten in die westliche Lombardei nutzen. Andererseits sind über die deutschen und italienischen SBB-Cargo-Tochtergesellschaften mehr Stahltransporte von Duisburg bis zum Autohersteller Fiat nach Turin sowie Holzladungen in die Region Cuneo südlich von Turin vorgesehen.

Auf neue Strecken und Umsätze, die sich durch die LBT-Eröffnung anbieten, lauern neben den beiden Schweizer Anbietern von Güterverkehrsleistungen auch ausländische Unternehmen – allen voran die beiden deutschen Transporteure TX Logistik und Rail4chem. Beide agieren bisher lediglich auf der Nord-Süd-Achse durch den Gotthard. «Wir werden jede sich bietende Möglichkeit für Transportleistungen durch den neuen Lötschberg-Basistunnel nutzen», versichert Werner Nies, CEO von TX Logistik. Der Verkehrsumsatz des deutschen Anbieters durch die Schweiz hat in den letzten Jahren markant zugenommen.

Höhere Preise befürchtet

Das trifft auch für Rail4chem zu, die gemäss CEO Sven Flore ebenfalls an Güterfahrten durch den Lötschberg interessiert ist. Vorerst müsse er die Ressourcen des Unternehmens jedoch in den Niederlanden einsetzen, wo Rail4chem wegen Problemen mit einer neuen Strecke zuletzt erhebliche Verluste erlitten hat. In der Schweiz will Rail4chem, die in Basel eine Niederlassung betreibt, aus Kostengründen künftig enger mit SBB Cargo zusammenarbeiten, eventuell auch für gemeinsame Gütertransporte durch den LBT.

Eine solche Kooperation mit den Deutschen dürfte wohl auch Nordmann begrüssen, da so die Kosten gesenkt werden könnten. Der CEO von SBB Cargo befürchtet am Lötschberg nämlich künftig höhere Preise. Die BLS-Infrastruktur führe nicht nur eine Tunnelgebühr ein, sagt Nordmann, sie wolle zusätzlich am Lötschberg auch die Trassengebühren für den Güterverkehr erhöhen.

«Falls dieser Plan umgesetzt wird, müssten die Güterverkehrsbahnen ab 2008 für die Durchfahrt am Lötschberg mehr bezahlen als heute.» Auch aus diesem Grund glaubt der SBB-Manager, dass der LBT nicht wie erwartet zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene führen wird.

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Fakten: Zwei Grosse teilen den Transit-Kuchen

BLS Cargo

Die BLS-Tochter hat 2006 ihre Leistung im Schienengüterverkehr um 15% auf 3255 Mio Nettotonnenkilometer gesteigert. Im Transitverkehr durch die Schweizer Alpen hält BLS Cargo einen Marktanteil von 40%.

SBB Cargo

Die SBB-Tochter hat 2006 mit dem Gütertransport von 12,3 Mrd Nettotonnenkilometern den Vorjahreswert um 7,5% übertroffen und einen Rekordwert erzielt. Damit gehört SBB Cargo zu den führenden Anbietern in Westeuropa. Im Nord-Süd-Verkehr hat zudem die Pünktlichkeit im letzten Jahr auf 81% (2005: 75%) zugenommen. Im Transitverkehr durch die Schweizer Alpen hält SBB Cargo einen Marktanteil von 57%.

Perspektiven

Gemäss Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) werden die gesamten Güterverkehrsleistungen auf Strasse und Schiene je nach Szenario bis 2030 von heute rund 24 auf zirka 31 bis 42 Mrd Tonnenkilometer anwachsen, was einer Steigerung um 32 respektive 78% entsprechen würde.