Als Guido Lenz vor mehr als einem Vierteljahrhundert von seinem Grossvater 1 ha Rebland auf dem Iselisberg im thurgauischen Uesslingen übernommen hatte, tat er zunächst, was alle anderen Winzer auch taten: Zur Krankheitsbekämpfung spritzte er die Reben mit kupferhaltiger Bordeauxbrühe. Doch bereitete ihm die Tatsache, dass er seine Reben und die Umgebung mit Gift einnebelte, Unbehagen. «Es muss auch anders gehen», sagte er sich und begann, nach ökologischeren und ganzheitlicheren Methoden suchend, im Rebberg und im Weinkeller zu experimentieren. Lenz war in der Schweiz einer der ersten, die den Boden zwischen den Rebzeilen begrünten, zum Ärger seiner Kollegen, die ihm vorwarfen, er fördere damit die Ausbreitung von Rebkrankheiten, weil er zu faul sei, seine Rebparzelle «sauber» zu halten. Die Zeit hat ihm Recht gegeben. «Heute sieht man in den Deutschschweizer Rebbergen keine offenen Böden mehr», so Lenz.
Am Anfang Lehrgeld bezahlt
Gleichwohl waren die Anfänge als Biowinzer nicht sonderlich ermutigend. Lenz musste Lehrgeld zahlen. «Ich hatte grosse Ausfälle, und die Qualität der Weine war auch nicht über jeden Zweifel erhaben», gesteht er. «Nach einigen Jahren des Herumexperimentierens war mir klar, dass es in unserer Gegend schwierig ist, mit den hier verbreiteten Rebsorten Pinot noir und Riesling x Silvaner gute Traubenqualität zu erhalten, wenn man ganz auf den Einsatz von Spritzmitteln verzichtet.» Lenz entschloss sich deshalb, einen neuen Weg einzuschlagen. Anstelle der existierenden Reben pflanzte er interspezifische Rebsorten, die eine höhere Resistenz gegen Pilzkrankheiten besitzen.
Auf den zuständigen Amtsstellen des Kantons Thurgau zeigte man sich anfänglich skeptisch, doch liess man ihn gewähren, mit der Auflage, dass vier Jahre nach der Pflanzung der neuen Reben die Weine einer Qualitätskontrolle standhalten müssten. Würden die Weine für qualitativ minderwertig befunden, müsste er auf eigene Kosten die Reben wieder ausreissen. Lenz bestand den Test. Heute ist Biolenz, wie er sich selbst nennt, akzeptiert, auch von den Winzerkollegen am Iselisberg. Man habe gelernt, miteinander zu leben. Weil sein innovativer Geist viele gute Ideen generiert, wurde er zum Präsidenten der Rebkorporation Iselisberg, der 27 Winzer angehören, gewählt.
Die Natur arbeiten lassen
Vor zwölf Jahren ist in Dorf bei Andelfingen eine weitere Rebparzelle dazugekommen. Auf den 1,5 ha steht nicht der Traubenertrag im Vordergrund, sondern die Erhaltung und Förderung einer möglichst grossen Pflanzenvielfalt im Rebberg. Seit einem Jahr werden zudem in jeder zweiten Gasse verschiedenste Teepflanzen kultiviert.
Lenz geht es bei seiner Arbeit nicht darum, prestigeträchtige Spitzengewächse zu erzeugen. Im Vordergrund steht vielmehr das Bemühen, Weine aus Trauben zu keltern, die im Einklang und in Harmonie mit der Natur reifen. Auch im Keller lässt Lenz der Natur so weit als möglich freien Lauf. «Da wir keine Fungizide verwenden, haben wir gesunde wilde Hefestämme an den Trauben. Das erlaubt uns, alle Weine spontan zu vergären.» Er greife nur dann ein, wenn es nötig sei. Bei schwierigem Traubengut etwa. «Dann setzen wir Reinzuchthefe zu. Doch das kommt nur ganz selten vor», kommentiert Lenz. Auch auf den Einsatz von Schönungs- und Klärungsmitteln wird verzichtet. «Unsere Weine sind kompromisslose Naturprodukte», fasst Lenz zusammen. Rund 15000 Flaschen füllt Biolenz jährlich ab, drei Weiss- und fünf Rotweine. Weine, die aus Traubensorten erzeugt werden, deren Namen den wenigsten Weinfreunden etwas sagen. Weine auch, die an Vergleichsdegustationen, wo meist aufgepumpte Muskelweine auf das Siegespodest gehoben werden, keine Chance hätten. Weine jedoch, die dank ihrer säurebetonten Frische und ihres moderaten Alkoholgehalts wie von selbst die Kehle runterrinnen.
Die Weine können direkt ab Keller gekauft werden: Biolenz, Guido Lenz, Schulstrasse 9, Uesslingen. Tel. 052 746 11 84.www.biolenz.ch
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Ausgewählte Weine
Weissweine
Excelsior 2005
Reinkelterung aus Excelsior-Trauben. Die gleichnamige französische Züchtung ist als Tafeltraube bekannt und wird selten vinifiziert. Aromatisches Bouquet mit floralen Noten. Im Gaumen frisch, fruchtig, solides Säuregerüst (17 Fr.).
Merum 2005
Assemblage aus Birsfelder Muscat (Züchtung von Valentin Blattner) und Bianca (ungarische Züchtung). Aromatische Nase mit Muskatellernote. Schlanker, knackiger, säurebetonter Körper (20 Fr.).
Rotweine
Dorfet 2005
Assemblage verschiedener Sorten aus dem Naturrebberg in Dorf. Neben der deutschen Züchtung Regent, den französischen Sorten De Chaunac und Baco Noir sowie der ungarischen Nero enthält der Wein kleine Anteile von verschiedenen namenlosen Neuzüchtungen. Angenehmes Bouquet mit Veilchennoten. Frisch-fruchtiger Körper, knackige Säure. Leichter, süffiger Landwein. Gekühlt trinken (16 Fr.).
Muscat bleu 2005
Reinkelterung der gleichnamigen französischen Züchtung, die nur selten vinifiziert wird. Markante, sehr aromatische Nase mit Rosen- und Muskatellernoten. Im Gaumen elegant, saftige Säure, süffig. Leicht gekühlt trinken (20 Fr.).
Iselisberger Assemblage 2005
Assemblage aus roten Traubensorten, die auf der Rebparzelle Iselisberg kultiviert werden: Baco Noir, Maréchal Foch und Léon Millot. Rotbeerige Nase. Im Gaumen saftig, fruchtig, solides Säuregerüst, weiche, angenehme Tannine (20 Fr.).
Hinweis: Die 2005er Weissweine sind ausverkauft. Der Jahrgang 2006 wird dieses Frühjahr abgefüllt.