Herr de Picciotto, wir befinden uns in einem schönen Büro mit Blick auf den Zürichsee. Wie oft kommen Sie hierher?
Guy de Picciotto: Etwa ein- bis zweimal pro Monat. Wir haben in Zürich eine wichtige Niederlassung mit 9 Mrd Fr. an verwalteten Kundenvermögen.
Von Genfer Privatbanken wie Pictet hören wir, dass der Stand-ort Zürich gut läuft und ein Ausbau angestrebt wird. Auch bei Ihnen?
De Picciotto: Vor zehn Jahren spielte das Private-Banking-Business in Zürich noch nicht so eine grosse Rolle. Heute ist Zürich jedoch ein aktiverer Platz als Genf in Sachen neue Märkte, neue Produkte und Wachstum im Private Banking.
Warum?
De Picciotto: Genf ist der traditionelle Private-Banking-Platz. In Zürich besteht ein weit gefächertes Angebot von Bankdienstleistungen, und diese Mischung ist für das heutige Private Banking wahrscheinlich geeigneter.
Zu den Jahreszahlen 2004: Sie hatten im zweiten Halbjahr einen viel schwächeren Neugeldzufluss als im ersten Halbjahr. Weshalb?
De Picciotto: Die Neuzuflüsse in Höhe von 5,1 Mrd Fr. sind ein ausgezeichnetes Ergebnis, ob sie nun in der ersten oder in der zweiten Jahreshälfte erzielt wurden. Sie kamen hauptsächlich aus dem Hedge-Fonds-Business, und zwar von Family Offices, von sehr wohlhabenden Privatleuten sowie von institutionellen Investoren. Diese Kunden vergeben die Mandate typischerweise zu Jahresbeginn.
Sie nennen Kundentypen, die über enorm viel Geld verfügen. Wo bleibt das Neugeld der traditionellen Private-Banking-Kunden?
De Picciotto: In unseren traditionellen Märkten wie Frankreich, Italien oder Belgien wachsen wir nur wenig. In diesen Märkten sehen wir in Zukunft nicht unbedingt die grosse Vermögenserzeugung. Schönes Wachstum ist indes in Osteuropa, in asiatischen Ländern, im Nahen Osten und in Lateinamerika zu beobachten.
Welche Strategie haben Sie, um an diesem Wachstum teilzuhaben?
De Picciotto: Wir verfolgen eine differenzierte Strategie. Diese basiert auf einer intensiven Kundenbetreuung, einer verstärkten Nutzung unserer bestehenden Vertretungen, namentlich in Tokio, Dubai und Brasilien, und auf einer Produktpalette, die traditionelle und alternative Anlagen kombiniert.
Sehen Sie andere lukrative Orte für zukünftiges Wachstum?
De Picciotto: Zum Beispiel Indien, und Asien in einem weiteren Sinne.
Haben Sie da schon konkrete Ausbaupläne?
De Picciotto: Wir evaluieren derzeit die Möglichkeiten, wie wir diese grossen Märkte am besten bedienen können.
Ihr Vater, der Verwaltungsratspräsident Edgar de Picciotto, hat bei der Übernahme der Discount Bank im Jahr 2002 das Ziel von 100 Mrd Fr. an verwalteten Vermögen bekannt gegeben. Wann wollen Sie das erreichen?
De Picciotto: Das haben wir bereits erreicht, obwohl man das nicht sieht. Im Jahr 2002 stand der Dollar bei Fr. 1.51. Heute steht er bei etwa Fr. 1.20. Bei verwalteten Vermögen von heute knapp 75 Mrd Fr. können Sie die Rechnung machen. Zudem hat die Bankenkommission neue Richtlinien herausgegeben, um die verwalteten Vermögen zu berechnen, was sich ebenfalls in der Statistik niederschlägt.
Welche jährliche Marke zur Steigerung der verwalteten Vermögen haben Sie sich denn gesetzt?
De Picciotto: Wir verkünden keine solche Marken. 10% wäre aber eine schöne Zahl, zusammengesetzt aus 5% Performance und 5% Neugeldzufluss. Es ist aber in der Tat schwieriger geworden, den Bestand an verwalteten Vermögen zu steigern.
Unter den Privatbanken hat die UBP mit ihrem Schwerpunkt auf das Hedge-Fonds-Business eine Einzelstellung. Warum diese Fokussierung?
De Picciotto: Mein Vater ging vor 20 Jahren der Überlegung nach: Wie kann ich die Expertise und die Performance von grossen US-Banken den hiesigen Kunden weitergeben, ohne eine Armee von Analysten und Experten zu beschäftigen? Er suchte danach den Kontakt zu Hedge-Fonds-Managern in den USA. Den Rest kennen Sie. Wir sind dieser Entwicklung gefolgt.
Werden Sie mit der Hedge-Fonds-Strategie weiterfahren?
De Picciotto: Ganz klar.
Die Hedge-Fonds haben aber im letzten Jahr nach Jahren guter Renditen einen Einbruch gehabt.
De Picciotto: Klar, im letzten Jahr waren die Renditen nicht so gut wie erwartet. Das Tempo der Zuflüsse wird sich wahrscheinlich verlangsamen.
Warum der Einbruch im 2004?
De Picciotto: Ein Grund war sicher das Fehlen eines Markttrends. Hedge-Fonds-Manager benötigen diese Trends, um Renditen zu generieren. Der massive Zufluss an Geldern hat auch auf die Renditen gedrückt. Je mehr Fonds in einem Index zusammengefasst und bewertet werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Rendite des Indexes sinkt. Die Masse von Hedge-Fonds macht unsere Rolle schwieriger und wichtiger zugleich.
Sie sprechen von trendlosen Märkten im letzten Jahr. Wie sieht das im 2005 aus?
De Picciotto: Es sieht ein wenig ähnlich aus. Ich glaube, es wird gleich schwierig oder sogar schwieriger werden als letztes Jahr, einen Trend vorauszusagen. Man hätte zum Beispiel erwarten können, dass die US-Aktienmärkte in den ersten Wochen des Jahres steigen würden. Das Gegenteil ist eingetreten. Ich habe gemischte Gefühle.
Bei welchen Kundengruppen sehen Sie Potenzial für Hedge-Fonds-Investitionen?
De Picciotto: Die ersten Investoren waren sehr wohlhabende Privatleute. In den letzten vier bis fünf Jahren wurden auch immer mehr Institutionelle von Hedge-Fonds-Anlagen angezogen, weil die traditionellen Märkte weniger Rendite abwarfen. Die Zahl der Institute, die in Hedge-Fonds investieren, wird weiter wachsen.
Zurück zu Ihrer Bank: Es gibt in Genf Spekulationen, die Familie de Picciotto wolle sich von einem
Teil des Bankbesitztums trennen und sei auf der Suche nach Minderheitsaktionären, etwa einer Schweizer Grossbank.
De Picciotto: Das sagen vielleicht die Gerüchte. Klar ist: Um wachsen zu können, würden wir Institute willkommen heissen, die uns ihre Private-Banking-Assets bringen. Als Tausch würden wir unter Umständen einen Anteil an der Bank abgeben. Aber der Verkauf eines Teils der Bank kommt nicht in Frage. Wir schauen uns nicht nach einem Minderheitsaktionär um.
Und wenn zum Beispiel eine grosse ausländische Bank daherkommt und mit den grossen Geldnoten für die Übernahme wedelt? Könnte Ihre Familie nicht schwach werden?
De Picciotto: Mein Vater hat die Bank vor 30 Jahren gegründet, und wir sind jetzt vier Familienmitglieder, welche die Bank in der zweiten Generation führen. Wir lieben unser Geschäft, wir sind mit Leidenschaft dabei, warum sollten wir verkaufen?
Wie sieht es aus mit Akquisitionen?
De Picciotto: Wir suchen nicht aktiv. Aber falls sich Gelegenheiten ergeben, werden wir sie prüfen.
Welche Grösse stellen Sie sich vor? Bei Julius Bär müssten die Übernahmeobjekte verwaltete Vermögen von mindestens 10 Mrd Fr. haben.
De Picciotto: In Genf würde ich dieser Grössenordnung zustimmen. In Lugano oder Zürich könnten wir kleinere Ziele in Betracht ziehen.
Im letzten Jahr war die Rede davon, die UBP würde von der Rabobank Anteile aufkaufen, welche die Holländer an der Basler Bank Sarasin hält. Was ist da wahr daran?
De Picciotto: Wir haben weder mit Sarasin noch mit Rabobank gesprochen.
Noch ein Gerücht: Es tauchten Spekulationen zu einem möglichen Börsengang Ihrer Bank auf...
De Picciotto: Wir haben ein IPO definitiv nie in Erwägung gezogen, und wir werden es wahrscheinlich nie in Erwägung ziehen. Ich glaube, alle Privatbanken, die einen Börsengang vollzogen haben, bereuen diesen Schritt. Das Private-Banking-Geschäft ist ein langfristig orientiertes Business. Deshalb ist es schwer, den Erwartungen der Investoren nach einem konstant hohen Wachstum und einem immer höheren Informationsniveau gerecht zu werden. Unser Geschäft braucht Zeit und Geduld.
Wird die Öffnung bei Julius Bär den Konsolidierungsprozess in der Schweizer Privatbankenszene beschleunigen?
De Picciotto: Das glaube ich nicht. Die Einführung der Einheitsaktie ist sicher ein mutiger Schritt von Julius Bär. Ob Bär damit vermehrt als Übernahmekandidat gilt? Es wird höchstens teurer, die Bank zu übernehmen.
Welche Trends sehen Sie denn in der Privatbankenlandschaft?
De Picciotto: Es gibt mehr Nischenplayer. Zugleich verschwinden traditionsreiche Namen, und neue ausländische Mitbewerber tauchen auf. In der Schweiz gibt es definitiv ein Know-how für Private Banking und Asset Management. Diese Eigenschaft sollte sich gegen andere Standortargumente durchsetzen. Denn wir können das Bankgeheimnis nicht als alleinigen kompetitiven Vorteil in den Vordergrund schieben.
Wie sehen Sie die Zukunft des Bankgeheimnisses?
De Picciotto: Der Druck von der Europäischen Union und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird andauern. Aber für die nächsten zehn Jahre haben wir einen guten rechtlichen Rahmen geschaffen, in welchem wir unseren Geschäften nachgehen können. Wichtige Bankenplätze wie London oder in Zukunft vielleicht Singapur brauchen alle Werkzeuge inklusive das Bankgeheimnis, um die Konkurrenz zu bekämpfen. Warum sollten wir uns selbst aufgeben und das Bankgeheimnis abschaffen?