Der Fernbusmarkt ist hart umkämpft, teilweise an der Grenze des Legalen. Jetzt will der Zürcher Reiseunternehmer Domo Reisen drei Fernbuslinien innerhalb der Schweiz anbieten. Ausländische Konkurrenten wie Flixbus dürfen das nicht, umgehen die Vorgaben aber häufig. Welche Chancen der Schweizer Anbieter hat und ob es jetzt künftig mehr Stau am Gotthard gibt, erklärt Verkehrsexperte Ueli Haefeli:

Welches Potenzial hat ein Schweizer Fernbusanbieter im Markt?
Ueli Haefeli*: Es ist spannend, dass jetzt ein Schweizer Anbieter diese Frage beanworten will. Denn er trifft ja auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz, die darin bestehen, dass der öffentliche Verkehr nicht konkurriert werden darf. Für einen Fernbusanbieter bieten sich zwei Marktlücken an, die rechtlich zulässlich wären: Zum einen auf Hauptverkehrsstrecken wie von Zürich nach Lausanne zu Spitzenzeiten, um den Bahnverkehr zu entlasten. Zum anderen auf Nebenverkehrsstrecken, die Fahrgäste sonst nur mit vielfachem Umsteigen mit dem öffentlichen Verkehr zurücklegen können.

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Domo Reisen hat unter anderem eine Konzession für die Hauptstrecke Zürich-Bern beantragt. Da erwarten Sie Probleme mit der Genehmigung?
Ich würde es begrüssen, wenn eine Konzession zustande käme. Die wird aber wahrscheinlich nur unter Auflagen genehmigt werden. Und das ist richtig so, die Rahmenbedingungen müssen für Busreiseanbieter vergleichbar sein mit dem öffentlichen Verkehr, was zum Beispiel die Fahrplanpflicht und die Pflicht zur Beförderung von Behinderten betrifft. Da müssen gleich lange Spiesse für alle herrschen.

Warum würden Sie eine Genehmigung für Domo Reisen begrüssen?
Mein Standpunkt ist, dass der Markt entscheiden soll, ob ein Schweizer Fernbusanbieter einen Vorteil bringt. Das sollte die Politik nicht im Vorhinein unterbinden.

Domo Reisen hat angekündigt, die Halbtax-Preise ungefähr halbieren zu wollen. Die Rede war von einem Ticket Zürich-Bern für 12 Franken. Wie kann das rentabel sein?
Das sind Preise, die zunächst so in die Welt gesetzt werden. Ob diese langfristig gehalten werden können, ist eine andere Frage. Auch aufgrund der Rahmenbedingungen, die ich zuvor genannt habe. Die Preisfrage ist aber eine wichtige: Ein Fernbus zum Beispiel von Zürich nach Bern wird nur einen Markt haben, wenn er deutlich günstiger ist als der öffentliche Verkehr. Denn er muss eine geringere Attraktivität ausgleichen. Der Kunde muss zum Beispiel auch mal Verspätungen in Kauf nehmen. Gleichzeitig ist zu klären, wo diese Fernbusse halten können. Viele Busterminals in der Schweiz sind heute schon gut ausgelastet, so dass die Gefahr besteht, dass Busse ihre Passagiere dezentral ausladen müssen.

Die Verkehrspersonalgewerkschaft SEV kritisiert bereits bestehende Anbieter wie Flixbus für ihre Dumpinglöhne. Ein regulärer Schweizer Fahrer wäre demnach mehr als doppelt so teuer und bekäme ab 4500 Franken Lohn. Könnte ein Schweizer Anbieter diese jemals zahlen, wenn er preislich mithalten will?
Domo Reisen hat das hoffentlich durchkalkuliert. Marktübliche Löhne müssen auch von einem Fernbusanbieter gezahlt werden, sonst gelten nicht länger gleiche Spiesse mit den Wettbewerbern.

Konsumentenschützer kritisieren immer wieder Qualitäts- und auch Sicherheitsmängel bei Fernbusreisen, zum Beispiel telefonierende Fahrer. Senkt das Fernbusangebot die Standards?
Das Angebot des öffentlichen Verkehrs sollte nicht verschlechtert werden. Wenn Passagiere bereit sind, für einen geringeren Preis auch einmal Wartezeiten in Kauf zu nehmen, ist das ihre private Entscheidung. Wenn eine Nachfrage nach solchen günstigen Angeboten besteht, ist es doch gut, wenn sie befriedigt wird. Die Standards müssen aber natürlich eingehalten werden.

Fernbusreisen boomen derzeit, vor allem in Deutschland. Welche Marktanteile erwarten Sie für die Schweiz?
Einen deutlich kleineren Anteil auf jeden Fall als in Deutschland. Das Grundangebot im öffentlichen Verkehr ist hier etwas besser und die Distanzen sind auch einfach geringer. Und auch in Deutschland wird der Markt ja bereits bereinigt, zum Beispiel mit der Fusion von Flixbus und MeinFernbus.

Ist der Anteil zu klein, als dass eine Zunahme der Fernbusreisen Auswirkungen auf die Auslastung der Schweizer Strassen haben kann? Zum Beispiel durch mehr Staus am Gotthard?
Das kommt darauf an. Im Moment ist es umstritten, woher die Fernbuskunden kommen. Sind das Bahnfahrer, die auf den Fernbus wechseln? Oder Autofahrer? Oder wären diese Personen ohne den Fernbus gar nicht gereist, weil es ihnen dann zu teuer wäre? Wenn Autofahrer auf den Bus umsteigen, würde das sogar eine Entlastung bedeuten. Wenn es Bahnfahrer sind, gibt es sicher ein kleines zusätzliches Staupotenzial. Grundsätzlich sind die Auswirkungen aber nicht so gross.

Was bedeuten Fernbusse für die Umweltbilanz?
Das hängt eben stark davon ab, ob es gelingt, Leute vom Auto auf den Fernbus zu losten. In dem Moment, wo Bahnfahrer auf Fernbusse wechseln, wird die Umweltbilanz negativ. Gerade in der Schweiz, wo die Bahn mit Wasserkraft fährt, hat sie sicher Umweltvorteile.

Der Wettbewerb unter den Fernbusanbietern ist hart. Wen sehen Sie in der Schweiz vorne – den hiesigen Domo Reisen oder Flixbus? Flixbus darf ja eigentlich auch innerschweizerisch keine Passagiere ein- und aussteigen lassen.
Ja, und eine Gesetzesänderung in der Schweiz halte ich für unwahrscheinlich. Auch wenn Flixbus sich hier, wie man hört, aktuell nicht immer an die Vorgaben hält – langfristig ist diese Praxis unhaltbar. Ich sehe darum den Schweizer Anbieter klar im Vorteil, auch wenn er Auflagen erfüllen muss.

*Ueli Haefeli ist Titularprofessor für nachhaltige Mobilität an der Universität Bern und leitendes Mitglied der Luzerner Politikberatung Interface. Seine Schwerpunkte liegen bei der Evaluation von Verkehrsprojekten, bei der Analyse von Verkehrstrends und von Mobilitätsverhalten.