Die Frage stellt sich: Ist das Schweizer Aufsichtssystem für unabhängige Vermögensverwalter angesichts der sich intensivierenden internationalen Regulierungsbestrebungen noch zeitgemäss und geschäftsfördernd? In der Schweiz unterstehen die unabhängigen Vermögensverwalter keiner prudentiellen Aufsicht, im Gegensatz etwa zu Deutschland oder Italien. Dies bedeutet aber nicht, dass aus der bei uns angewandten Selbstregulierung im internationalen Wettbewerb ein Nachteil entstehen muss.
Zwar können sich unabhängige Vermögensverwalter jederzeit über die Unterstellung unter das Kollektivanlagengesetz (KAG) oder als Effektenhändler erleichterten Zugang zu ausländischen Märkten - insbesondere zum europäischen Markt - verschaffen. Auch eine direkte Unterstellung einer Tochtergesellschaft oder Niederlassung unter die Aufsichtsbehörde des Zielmarktes kann die internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern.
Kleine stehen nicht vor dem Aus
Dieses Vorgehen ist jedoch aufwendig und mit hohen Kosten verbunden, weshalb nur grössere Unternehmen ernsthaft diesen Weg einschlagen können. Für kleinere Player sind solche Planspiele nicht realistisch, was aber nicht heissen muss, dass diese vor dem Aus stehen. Im Gegenteil: Gute Chancen ergeben sich nämlich über Allianzen, Partnerschaften oder Netzwerke. In Deutschland haben sich im Zuge der Einführung von MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) Haftungsdächer beziehungsweise Vertriebshaftungsdächer durchgesetzt, welchen sich unabhängige Finanzberater mit eigenem Namen und unter Beibehaltung der Unabhängigkeit anschliessen können.
Das Haftungsdach übernimmt die regulatorische Verantwortung gegenüber der deutschen Aufsichtsbehörde (BaFin), setzt aber keine Kapitalbindung voraus, sondern funktioniert über eine Anbindung der Finanzberater durch ein umfassendes und exklusives Zusammenarbeitsverhältnis.
Diese Einbindung geht über die Sicherstellung der Einhaltung der Geldwäscherei-Vorschriften und der Durchführung entsprechender Schulungen hinaus. Über ein einheitliches Customer-Relations-Management-System und eine gemeinsame Handels- und Abwicklungsplattform werden alle Transaktionen überwacht. Mit dieser konsequenten Überwachung kann der Kunden- und Investorenschutz jederzeit gewährleistet werden.
Mit anderen Worten handelt es sich beim deutschen Haftungsdach um eine Selbstregulierungsorganisation, die von der BaFin beaufsichtigt wird und die alle Finanztransaktionen ihrer Mitglieder in Echtzeit kontrolliert und so auf ihre MiFID-Kompatibilität prüft.
Weg über Liechtenstein
Der Vorteil der zentralen prudentiellen Überwachung durch das Haftungsdach ergibt sich aus der effizienteren und kostengünstigeren Bewältigung der Compliance- sowie der Middle- und Back-office-Aufgaben, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit des einzelnen Vermögensverwalters erhöht. In der Schweiz existieren bereits verschiedene kooperierende Netzwerke, die sich zurzeit vor allem auf die administrative Entlastung der unabhängigen Vermögensverwalter fokussieren. Die Mehrheit hat sich aber bisher für den Alleingang entschieden. Auch die bisher fehlende, ausdrückliche Rechtsgrundlage für Haftungsdächer hat die Entwicklung solcher Konstrukte in der Schweiz verhindert.
Deren Ausgestaltung wird massgeblich von der Bereitschaft der Finma abhängen, neue Geschäftsmodelle für die prudentielle Überwachung zu unterstützen. Doch es könnte nur eine Frage der Zeit sein, bis das Konzept des Haftungsdachs auch in der Schweiz Einzug hält.
Den unabhängigen Vermögensverwaltern steht ferner der indirekte Weg über Liechtenstein offen, um die EU und den EWR abdecken zu können. Da die Liechtensteiner Finanzmarktaufsicht (FMA) keine Unterstellung der Schweizer Muttergesellschaft unter eine prudentielle Aufsicht verlangt, ist der regulatorische Aufwand kleiner.
Hierfür muss keine eigene Gesellschaft gegründet werden, da sich unabhängige Schweizer Vermögensverwalter einem lokalen Haftungsdach anschliessen können, welches seinerseits eine Meldung an die jeweilige Aufsichtsbehörde des Landes erstattet, in welchem das Unternehmen aktiv sein will. Der Vermögensverwalter tritt dann zwar im Namen des Haftungsdaches mit dem Zusatz seiner eigenen Firma auf, hat aber so die Möglichkeit, selbst vor Ort aktiv Kunden akquirieren und betreuen zu können. Auch wenn geeignete regulatorische Rahmenbedingungen für die Zukunft wichtig sind, so zeigen diese Optionen auf, dass unabhängige Vermögensverwalter kreative Lösungen und neue Geschäftsmodelle prüfen sollten, um in Zukunft erfolgreich im Geschäft zu sein.
Es kommt also nicht so sehr darauf an, ob die Firmen einer prudentiellen Aufsicht unterstellt sind, sondern wie sie die bestehenden Möglichkeiten nutzen, um sich in Netzwerken und Partnerschaften zu organisieren und zu positionieren.