Ruimin Zhang (55) gilt als einer der erfolgreichsten chinesischen Manager. Das Wirtschaftsmagazin «Fortune» zählt ihn zu den 25 mächtigsten Wirtschaftsführern ausserhalb der USA. Die «Financial Times» zählte ihn zu den 30 am meisten respektierten Unternehmern der Welt. Ruimin leitet seit 20 Jahren Haier, einen der globalsten chinesischen Konzerne. Haier aus der Provinzmetropole Qingdao ist, mit Fabriken und Niederlassungen in über 100 Ländern, der viertgrösste Haushaltgerätehersteller der Welt. Doch zum Produktportfolio zählen auch Lebensversicherungen, Computer, Handys, Fernseher, Parkettböden und Badezimmereinrichtungen insgesamt 96 Produktlinien mit über 15000 Produkten. Der Erfolg der Firma liegt vor allem an einem kompromisslosen Qualitätsmanagement, das Haier zur wertvollsten Marke Chinas machte. Der Konzern beschäftigt 30000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 9,7 Mrd Dollar erzielen.
Ruimin Zhang, viele chinesische Firmen drängen mit aller Kraft ins Ausland. Warum eigentlich?
Zhang: China ist ein Teil des Weltmarkts geworden. Es gibt heute keine heimischen und fremdländischen Märkte mehr. Aber die Westkonzerne haben den grössten Teil des Weltmarkts bereits unter sich aufgeteilt. Wie ein zehnstöckiges Haus, in dem sie sich neun Etagen teilen, und nur im zehnten Stock sitzen die chinesischen Firmen. Es ist für uns immer noch sehr schwer, ins Ausland zu gehen und Marktanteile zu gewinnen.
In den letzten Wochen haben die Übernahmen des IBM-PC-Geschäfts durch Lenovo und von Rover durch SAIC für viel Aufregung gesorgt. Ist das erst der Anfang?
Zhang: Nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO haben chinesische Firmen gar keine andere Wahl. Haier ist sehr früh ins Ausland gegangen. Wir haben Fabriken in vielen Ländern gegründet, zum Beispiel den USA und Italien. Die Erschliessung ausländischer Märkte ist für uns der einzige mögliche Weg, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Sind Chinas Konzerne reif genug für Übernahmen im Ausland?
Zhang: Viele denken noch immer, dass der Markt zu Hause für alle gross genug sei, auch jetzt, wo viele ausländische Wettbewerber nach China drängen. Sie denken: «Wenn die Ausländer die Kunden in den Städten versorgen, gehe ich halt aufs Land.» Aber das ist falsch. Der frühere Coca-Cola-Chef Douglas Ivester hat einmal gesagt, dass jede alte Frau, die Eier auf einem Bauernmarkt in China anbietet, auch Coca-Cola verkaufen müsse. Die ausländischen Firmen werden uns keinen Rückzugsraum lassen.
Dann wird die Öffnung Chinas auch das Ende für viele chinesische Unternehmen bedeuten?
Zhang: Einige Firmen glauben, sich als Vertragshersteller für die Weltkonzerne aus dem Ausland retten zu können. Aber die Margen sind sehr niedrig. So kann man zwar überleben, aber keine Firma kann sich damit entwickeln.
Haiers US-Hauptquartier thront repräsentativ am Broadway. Ihr Marktanteil für Kleinkühlschränke liegt dort bei 50%, Ihr Firmenname ist bekannt. Und Europa?
Zhang: Wir unterhalten in Italien eine Design-Abteilung und eine Kühlschrank-Produktion, mit der wir alle Länder in Europa beliefern. Aber jedes Land ist anders, und wir müssen mit unterschiedlichen Produkten sehr verschiedene Märkte bedienen. Die USA ist als Markt viel unkomplizierter als Europa.
Wäre es nicht einfacher, sich zuerst auf Schwellen- und Entwicklungsländer zu konzentrieren?
Zhang: Unser Motto ist: Erst die schwierigen Märkte wie Japan, die USA und Deutschland. Dann die einfachen. Die Europäer haben einen sehr guten Geschmack. Ich habe gelernt, dass wir da nicht nur Produkte von guter Qualität verkaufen müssen, sondern auch guten Stil.
Was für Produkte wollen Sie denn nach Europa bringen?
Zhang: Wir diskutieren gerade mit mehreren osteuropäischen Ländern über die Gründung neuer Fabriken, hauptsächlich für die Produktion von Kühlschränken und Küchenherden.
Ist der Schweizer Markt wichtig?
Zhang: Das Preisniveau der Schweiz ist hoch, der Markteintritt nicht einfach. Wir sehen die Schweiz als Ort, wo wir unsere Fähigkeiten unter Beweis stellen können.
Einige chinesische Konzerne haben ausländische Marken gekauft, um sich den mühsamen Weg der Markenetablierung zu ersparen.
Zhang: Viele Firmen haben sich bei uns gemeldet. Aber wir haben immer festgestellt, dass sie nicht in unsere Strategie passen. Wir möchten lieber unsere eigene Marke entwickeln.
In China verkaufen Sie eine Waschmaschine, mit der man auch Süsskartoffeln waschen kann.
Zhang: In den USA haben wir einen Kühlschrank speziell für Colle-ge-Studenten entwickelt. Da die Zimmer in den Wohnheimen sehr klein sind, kann der Kühlschrank auch als Schreibtisch benutzt werden. Er verkauft sich ausgezeichnet. In Japan haben wir für allein stehende junge Frauen eine Waschmaschine für Damenunterwäsche entwickelt und sogar eine, mit der man auch Haustierkleidung waschen kann.
Wird man so zum Weltkonzern?
Zhang: Der Markt ist wie ein grosser Kuchen, von dem jeder ein Stück will. Wir backen unseren eigenen Kuchen und erarbeiten uns den Weltmarkt so Stück für Stück.
Seit 20 Jahren wächst Haier jährlich um 70%. Wie lange noch?
Zhang: 2005 werden wir über 60% wachsen. Mit unserer Internationalisierungsstrategie bin ich sicher, dass wir ein zweistelliges Wachstum beibehalten werden.
Janis Vougioukas, Peking
China-Serie
Heimliche Riesen
Westliche Firmen zieht es nach China und chinesische Unternehmen in den Westen. Immer mehr Grosskonzerne aus dem Reich der Mitte machen mit spektakulären Übernahmen auf sich aufmerksam. Die «HandelsZeitung» stellt in einer losen China-Serie milliardenschwere Unternehmen vor, die den Westen erobern wollen. Bereits erschienen sind: Einbahnstrasse ist aufgehoben (Nr. 2 vom 12.1.2005), IBM der Handys (Nr. 4 vom 26.1.2005) und Zuerst half Ähnlichkeit (Nr. 5 vom 2.2.2005).