Die Kostenstruktur der National Versicherung ist ein Problem. Reicht der angekündigte Abbau von 140 Stellen, um die Kosten in den Griff zu kriegen?

Künzle: Die Massnahmen, die wir im vergangenen Herbst ergriffen haben, gehen sehr weit. Im schweizerischen Innendienst bauen wir 15% des Personals ab. Das ist eine harte Massnahme, die wir nicht leichtfertig ergriffen haben. Wir sind jedoch überzeugt, dass wir mit dem Personalabbau die Kostenstruktur verbessern werden.

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Wie viel spart die National dadurch ein?

Künzle: Rund 15 Mio Fr. pro Jahr.

Reicht der Personalabbau?

Künzle: Die Kostensituation ist das eine. Daneben wollen wir die technische Qualität des Geschäfts und das Schadenmanagement verbessern. Die ergriffenen Massnahmen werden sich 2006 positiv auf das Unternehmensergebnis auswirken.

Der Kostensatz der National liegt bei über 30%, also wesentlich höher als bei den Konkurrenten, die viel früher aktiv wurden. Hat die National den Zeitpunkt verschlafen?

Künzle: Nein. Rationalisierung und Personalabbau kann man erst dann machen, wenn die notwendigen Voraussetzungen geschaffen wurden.

Welche?

Künzle: Man muss über die entsprechenden IT-Instrumente verfügen, um die Prozesse rationalisieren zu können. Das setzt Investitionen voraus, welche die National für das Schweizer Geschäft in den letzten drei Jahren getätigt hat. Erst wenn die notwendige Infrastruktur und Logistik aufgebaut sind, kann und muss man Abbaumassnahmen vorsehen. Sonst leiden Kunden, Mitarbeiter und Qualität.

Sie wollen wachsen. Was sind die Ziele der National?

Künzle: Wir wollen Ende 2007 ein Prämienvolumen in der Grössenordnung von um die1,9 Mrd Fr. erreichen.

Ein realistisches Ziel?

Künzle: Ja, wir halten an diesem Ziel fest, aber nicht um jeden Preis. Wir streben nur qualitatives Wachstum an.

Gibt es Indizien dafür?

Künzle: Grundsätzlich laufen seit Anfang 2005 die meisten Operationen nach Plan.

Was heisst das?

Künzle: Der Grossteil unserer Geschäftsfelder hat im Jahr 2005 seine Ergebnisse verbessern können.

Können Sie konkreter werden?

Künzle: Unsere Zahlen werden wir am 20. April 2006 veröffentlichen. Deshalb kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkreter werden.

Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie aus?

Künzle: Wir haben eine der klarsten Strategien als Versicherer. Sie basiert auf zwei Pfeilern: Einerseits auf ertragsreichen Nischen in der Schweiz und im Ausland; anderseits auf dem profitablen KMU- und Retail-Markt in der Schweiz. Mit unserer klar spezialisierten Versicherungstätigkeit in den relevanten Märkten werden wir mittelfristig mehr Ertrag und ein steigendes Prämienvolumen erzielen.

Welche Nischen bearbeitet die National?

Künzle: Zum Beispiel das Reiseversicherungsgeschäft, die Kunstversicherung, das Transportversicherungsgeschäft oder die technischen Versicherungen. Das sind alles klar definierte Nischen, in denen wir in der Vergangenheit überdurchschnittlich gewachsen sind und dies auch in Zukunft tun werden. Eine andere, sehr wichtige Operation ist die Coop Allgemeine Versicherung, bei der wir mit einem alternativen Vertriebs- und Produktekonzept in ganz bestimmten Segmenten tätig sind.

Die Integration der Coop Versicherungsgesellschaften hat die National drei Jahre lang vor erhebliche Probleme gestellt. Rückblickend ein kluger Schachzug?

Künzle: Die Akquisition der Coop Leben und der Coop Allgemeine Versicherung war sicher ein guter Schritt der National auf dem Schweizer Markt. Neben dem reinen Nichtleben-Geschäft kam die National zu einer Leben-Versicherungsoperation. Gerade dank dem Leben-Geschäft der Coop können wir heute im Einzel-Leben auf eine der besten, innovativsten und kostengünstigsten «Leben-Fabriken» in der Schweiz zurückgreifen.

Allerdings ist das Schweizer Leben-Geschäft für alle Versicherer zu einer Last geworden. Bedauern Sie den Kauf nicht?

Künzle: Nein. Die Akquisition war der Tatbeweis dafür, dass die National einen Ausgleich zwischen dem Leben- und dem Nichtleben-Geschäft anstreben wollte. Es gab immer wieder Phasen, in denen das Leben-Geschäft sehr attraktiv war und sicher wieder sein wird. Wichtig für einen Versicherer wie die National ist es, einen Ausgleich der Risiken im Portefeuille zu haben.

Das Leben-Geschäft wird also ein integraler Bestandteil der National bleiben?

Künzle: Ja. Denn Glaubwürdigkeit und Tradition sind für einen Versicherer zentral. Wir ziehen uns nicht aus einem Markt zurück, nur weil sich das wirtschaftliche Umfeld kurzfristig als schwierig erweist.

Auch wenn Sie dabei Geld verlieren?

Künzle: Nein, wir verlieren kein Geld. Im Gegenteil: Im Einzelleben- und Kollektivleben-Geschäft erhöhen wir dank der selektiven Zeichnung des Geschäfts - die Profitabilität.

Die National ist ein mittelgrosser Versicherungskonzern. Kann sie mittelfristig ihre Eigenständigkeit bewahren?

Künzle: Derzeit stehen alle Ampeln auf Grün, dass wir eigenständig bleiben. Die National hat eine hervorragende Eigenkapitalausstattung, die uns Sicherheit gibt. Zudem bin ich überzeugt, dass wir ein ausgezeichnetes Managementteam haben. Ich finde die Position als mittelgrosser Versicherer Erfolgs-Versprechend, weil wir schneller als andere auf Veränderungen reagieren können. Die Selbstständigkeit ist kein Selbstzweck, sondern man verdient sie sich, wenn man gute Resultate und einen steigenden Aktienkurs vorweisen kann.

Ist die National nicht zu klein, um im internationalen Konzert mitzumachen?

Künzle: Diese Frage wurde vor fünf Jahren erstaunlicherweise viel häufiger gestellt als heute. Mit unserer Strategie, dass wir eben zu den spezialisierten Nischenanbietern und nicht zu den Grossen gehören wollen, können wir in jenen Segmenten überdurchschnittlichen Ertrag und überdurchschnittliches Wachstum erzielen. Die Europa-Tätigkeit der National ist letztlich auch Ausdruck der Diversifikation und der weniger starken Anfälligkeit auf einzelne Märkte, Länder und Segmente.

Allerdings sind Sie in Spanien aus dem Leben-Geschäft ausgestiegen. Vielleicht doch eine gewisse Konzeptlosigkeit in der Nischenpolitik, wie das der National gelegentlich vorgeworfen wird?

Künzle: Eine Nischenstrategie wird immer wieder geprägt sein von Veränderungen. Man kann nicht in zehn von zehn Fällen etwas aufbauen und Erfolg haben.

Kann sich ein mittelgrosser Versicherer solche teuren Experimente leisten?

Künzle: Die Vergangenheit hat bewiesen, dass dies die richtige Strategie war. Mit relativ wenig Investitionen und mit der nötigen Vorsicht haben wir uns solche Nischen erarbeitet. Der Erfolg gibt uns Recht. So wird das weitergehen.

In welchen Bereichen wollen Sie weiter wachsen?

Künzle: Beispielsweise im technischen Geschäft, in der Transportversicherung, im Kunstversicherungsgeschäft also vor allem in den bestehenden Nischen.

Auch durch Akquisitionen?

Künzle: Falls sich Möglichkeiten ergeben, werden wir diese evaluieren.

Im Ausland?

Künzle: Ja, auch. Allerdings immer sehr selektiv und auf Qualität ausgerichtet.

Und in der Schweiz?

Künzle: Ebenfalls. Man täuscht sich: Der schweizerische Versicherungsmarkt ist nicht langweilig. Es gibt kleine, sehr erfolgreiche Gesellschaften.

Welche Rolle wird die National in der Konsolidierung des schweizerischen und des ausländischen Versicherungsmarkts spielen?

Künzle: Ich gehe davon aus, dass wir eine aktive Rollen spielen werden, falls es überhaupt zu einer weiteren Konsolidierung kommt. Der schweizerische Versicherungsmarkt ist schon stark konzentriert.

Nicht zufrieden sein dürften Sie mit der Eigenkapitalrendite, die im Geschäftsjahr 2004 bei 1,1% lag.

Künzle: Ende 2007 wollen wir bei 7% sein.

Ist das nicht ein bescheidenes Ziel?

Künzle: Wir haben klar kommuniziert, dass wir mittelfristig, das heisst bis 2010, mit der Eigenkapitalrendite bei 10% sein wollen. Die 7% sind ein erster Schritt. Eines muss man sich allerdings bewusst sein: Ein Versicherer, der wie die National in einem relativ wenig volatilen Geschäft tätig ist wie wir ausschliesslich im KMU- und im Retail-Geschäft , hat andere Anforderungen auf den Finanzmärkten zu erfüllen als beispielsweise ein Industrieversicherer, der eine Eigenkapitalrendite von 12 bis 15% erreichen muss.

Was bedeutet dies für die National?

Künzle: Ein reiner KMU- und Retail-Versicherer sollte eine Eigenkapitalrendite zwischen 7 und 8% erreichen. Dann schafft man Mehrwert, und der Aktionär erhält die notwendige Wertsteigerung seines Titels. Wir haben zwar noch nicht die notwendige Rentabilität, dafür aber eine hohe Kontinuität und Stabilität, die wir ausbauen und weiterentwickeln werden. Darin liegt die Attraktivität einer National als Anlagepapier mit einer hohen Dividendenrendite.

Und was dürfen die Aktionäre erwarten?

Künzle: Eine Dividendenrendite von jedenfalls 3% und eine ansprechende Aktienkursentwicklung.

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Steckbrief: Der kultivierte Versicherer

Name: Hans Künzle

Funktion: CEO der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft

Alter: 45

Ausbildung: Dr. iur., Universität Zürich

Familie: Verheiratet, 3 Kinder

Karriere

- 1989-2004 Winterthur Versicherungen. Verschiedene leitende Funktionen, unter anderem CEO der Winterthur-Operationen in der Tschechischen Republik und verantwortlich für den Bereich Mergers & Acquisitions auf Konzernstufe

- Seit 1. Januar 2005 Vorsitz der Geschäftsleitung der NationalFirma

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National Versicherung

Die in Europa tätige Gruppe gehört zu den zehn grössten Schweizer Erstversicherern. Im Jahr 2004 erzielte die National ein Prämienvolumen von 1,78 Mrd Fr. Rund einen Drittel davon erwirtschaftete sie in ihren fünf Tochtergesellschaften in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und Basel. Der Hauptsitz der Gesellschaft befindet sich in Basel. 1883 gegründet, ist der Versicherer heute ein breit diversifizierter Kompositversicherer im Leben- und im Nichtleben-Geschäft. Die an der SWX Swiss Exchange kotierte Aktie hat seit Anfang Jahr um über 16% an Wert zugelegt.