Mit 15 Jahren liess Hans Lerch die Schule Schule sein. Er wollte Geld verdienen. Er wollte arbeiten. Doch was, das wusste er selber nicht genau. Also ersuchten die Eltern an höherer Stelle um Rat «und schleppten mich zu einem Parapsychologen.»

Der Mann im blütenweissen Hemd lacht, verschränkt die Hände im Nacken und lehnt sich zurück. Folgendes hat der Blick in sein Innerstes zu Tage gefördert: Ja kein Job im Bankensektor, der Hans gehört in den Handel, Import/Export am ehesten. So absolvierte der Berner Giel aus Roggwil nach der spiritistischen Sitzung eine kaufmännische Lehre, um gleich im Anschluss daran in die Reisebranche zu trampen. 1970 heuerte er bei Kuoni an, stellte als Sachbearbeiter Vouchers aus, organisierte Rundtripps für Touristen. Mit 22 schickte ihn die Geschäftsleitung nach Japan. Lerch blieb Asien in der Folge 15 Jahre treu und knüpfte ein weit verzweigtes Beziehungsnetz.

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Vor einem Jahr schliesslich gab der mittlerweilen 56-Jährige seinen Abschied vom Reisekonzern. Als dessen Chef und Verwaltungsrat. Insgesamt konnte Hans Lerch 35 Jahre Firmentreue für sich verbuchen. Eine Spanne, während derer er Sprosse um Sprosse die Karriere erklommen hat. «Ohne akademischen Abschluss, ich bin kein Theoretiker, ich bin ein Praktiker», wie er gerne betont.

Der Kapitän

Solchermassen propagiert Lerch die Kultur der direkten Wege. Das merkt rasch, wer mit ihm zu tun hat. Seis ein Gesprächspartner, seis eine Angestellte. Passt ihm etwas nicht, dann hält er damit nicht hinter dem Berg. «Ich bin offen und ehrlich, das kommt manchmal ein bisschen rabiat rüber, ich weiss», bemerkt er, «man hat mich deshalb auch schon als betitelt.»

Äussern mag er sich zu dieser Schlagzeile nicht, eine schnelle Handbewegung signalisiert, dass ihn die Zeit reut, sich mit Kategorisierungen jedwelcher Art aufzuhalten. Zu oft schon habe er in seinem Leben einstecken müssen, als dass ihn Worte über Gebühr beschäftigen könnten. «Wissen Sie, das härtet ab.»

Und so zuckt Hans Lerch auch nur mit den Schultern, wenn man ihn als Alphatier bezeichnet. Was denn das genau sei, fragt er amüsiert. Ja, natürlich führe er gerne. Unternehmen. Menschen. Und nochmals ja, natürlich sei er lieber Erster als Zweiter. Im Sport wie im Beruf. Ein negativer Wesenszug sei dies doch wohl kaum.

Zudem habe er keine Mühe damit, Verantwortung zu delegieren und Erfolge zu teilen. Auf der Kommandobrücke jedoch, da müsse einer stehen, der den Kurs diktiere und letztlich die gesamte Verantwortung zu übernehmen bereit sei. Der Kapitän eben.

Bei Kuoni war Hans Lerch in dieser Rolle viele Jahre lang unangefochten, prägte er die Schweizer Reisebranche wie kaum ein Zweiter; er war schlicht «Mister Kuoni». Dann aber kam es zum Zerwürfnis. Zuerst mit Verwaltungsratspräsident Daniel Affolter, danach mit dessen Nachfolger Andreas Schmid. Das Heu lag innerbetrieblich nicht auf derselben Bühne. Ende 2004 gab Lerch die Konzernleitung ab und beabsichtigte, sich künftig auf seine Verwaltungsratsmandate bei Kuoni, Kühne&Nagel und von SR Technics zu konzentrieren.

Doch das über drei Jahrzehnte hinweg gewobene Tuch zwischen ihm und dem Ferienkonzern, respektive dessen Verwaltungsratspräsidium war definitiv zerschnitten. Und so verabschiedete er sich letzten Herbst auch aus dem Aufsichtsgremium des Reiseriesen.

Leicht ist ihm dies nicht gefallen, gibt er wenig überraschend zu, «aber es war der einzig richtige Schritt. Wenns vorbei ist, ists vorbei»! Hans Lerch, der in Ausübung seines Jobs jährlich bis zu 150 Mal in ein Flugzeug gestiegen ist, tat diesen Schritt im Wissen darum, eine neue Herausforderung gefunden zu haben. Als CEO von SR Technics. Diese Woche findet seine erste Jahrespressekonferenz statt.

Der Garagen-Chef

Um halb sieben ist der Vielflieger an diesem Morgen aus Hongkong kommend in Zürich gelandet. Dass er trotz Meilenmarathon erstaunlich fit wirkt, liege wohl an seinem gesegneten Schlaf. Nun sitzt Lerch in seinem Büro hinter Tor 141 des weitläufigen Flughafengeländes. Seit 1. Januar führt der zweifache Familienvater die Geschicke von SR Technics «eine Perle, die in der Asche der SAir-Gruppe übrig geblieben ist».

Die ehemalige Swissair-Tochter hält Flugzeuge und Triebwerke von über hundert Gesellschaften in Schuss und ist damit der grösste unabhängige Dienstleister seiner Art und in seiner Sparte. Ein Garagist für Jumbos quasi.

Lerch, der sich zwar zutraut, einen Dübel in die Zimmerwand zu treiben, nicht aber, am Wagen eine Zündkerze auszuwechseln, der Reiseprofi also als oberster Mechaniker: Geht das gut? Der Konzernleiter zieht die Brauen hoch, die Frage wurde ihm in den letzten Monaten wiederholt gestellt. Entsprechend routiniert entgegnet er: «Ich muss die Flieger ja nicht selber reparieren. Man hat mich geholt, damit ich führe. Ich will SR Technics mit ihren 5000 Mitarbeitern nach Jahren der Turbulenzen in ruhigere Lüfte steuern und dafür sorgen, dass der Gang an die Börse glückt.»

Die technisch ausgerichtete Wartungsfirma, im Besitze der Finanzgesellschaften 3i und Star Capital sowie des Managements, soll zu einem globalen Dienstleistungsunternehmen werden. Zwei, drei Jahre will Hans Lerch persönlich in diesen Prozess investieren. Danach sollen andere ran. «Ich bin hier ganz klar eine Übergangslösung», sagt der 56-Jährige.

Trotz Unterschieden zwischen den Branchen und den Firmenkulturen seiner einstigen und jetzigen Wirkungsstätten, von seinen Grundsätzen, wie man eine Firma steuert und mit Mitarbeitenden umgeht, will Hans Lerch keinen Zoll abweichen. Und so sieht sein Konzept aus: Er, der CEO, setzt die Leitplanken, innerhalb derer sich das Unternehmen mit seinen Angestellten vorwärts bewegt. In diesem vorgegebenen Rahmen werden den Leuten Freiräume zugestanden.

Denn er sei keiner, der den anderen permanent über die Schulter schaue. Seine eigene Stifti sei ihm diesbezüglich Lehre genug gewesen. «Wenn Du einen Chef hast, der Dich rügt, weil Du einmal eine Minute zu spät zur Arbeit erscheinst, der es andererseits aber nicht für nötig hält, Dir für die am Vorabend geleisteten Überstunden zu danken, dann ist das schlicht demotivierend.»

Der Wirklichkeits-Betoner

Gegenseitiges Vertrauen ist Hans Lerch denn gleichermassen wichtig wie Leistungsbereitschaft. Hundert Prozent davon indes würden heutzutage kaum mehr ausreichen, die Konkurrenz im Airline-Geschäft und den damit verbundenen Branchen sei gross und sie werde immer dynamischer. Der überzeugte Wirtschaftsliberale klopft auf den Sitzungstisch. «Ich will ja nichts heraufbeschwören, aber wir gehen in Europa nicht gerade rosigen Zeiten entgegen.»

Der guten Stimmung wegen von Aufschwung reden ist seine Sache nicht. «Ich bin noch nie der Typ gewesen, der beruhigt hat und sagt, wie es sein könnte. Ich sage lieber, wie es wirklich ist.»

Hans Lerch, der in den letzten Jahren vom Marathonläufer zum, wie er selber sagt, «Sunday-Jogger» mutierte Ausdauer-Manager, atmet tief ein. «Um gegen die sehr viel hungrigere und günstiger operierende Konkurrenz aus dem Osten bestehen zu können, müssen gerade wir Schweizer uns auf unsere Tugenden Qualität und Innovation konzentrieren. Und nicht nur davon reden, sondern diese auch vorantreiben.»

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Steckbrief

Name: Hans Lerch

Funktion: CEO der SR Technics Gruppe

Alter: 56

Wohnort: Uetikon am See ZH

Familie: Verheiratet, eine Tochter, ein Sohn

Karriere:

- 1970 Einstieg bei Kuoni

- 1972- 1985 Diverse Führungsfunktionen bei Kuoni in Asien

- 1985- 1995 Diverse Führungsfunktionen am Kuoni-Hauptsitz

- 1995-1999 CEO Kuoni Schweiz

- 1999-2005 CEO Kuoni Konzern

- Seit 2006 CEO SR Technics GruppeFührungsprinzipien

1. Klare Ziele vereinbaren und Leistungen auf dieser Grundlage bewerten.

2. Innovatives Handeln unterstützen.

3. Entscheide konsequent und rasch in die Tat umsetzen.

4. Offen kommunizieren. Auch bei heiklen Themen.

Firma

SRTechnics

mit Standorten in Zürich, London und Dublin beschäftigt 4770 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 1,2 Mrd Fr. mit der Wartung von rund 750 Flugzeugen von weltweit 500 Kunden und für die Betreuung von 300 Triebwerken.