Wo sehen Sie Sunrise in drei bis fünf Jahren?
Hans Peter Baumgartner: Sunrise hat sich in den letzten Jahren eine klare Nummer-zwei-Position erarbeitet, die darauf basiert, dass wir in allen Geschäftsfeldern aktiv sind.
Ist diese Breite ein Vor- oder ein Nachteil?
Baumgartner: Das sehen wir als grossen Vorteil. Skaleneffekte spielen eine Rolle, und die Nummer zwei hinter dem Ex-Monopolisten ist eine gute Position. Wir sind kein Nischenanbieter.
In reifen Märkten kommt die Nummer eins üblicherweise auf 40 bis 50% Marktanteil, die Nummer zwei auf 20 bis 30%. Davon sind Sie weit entfernt.
Baumgartner: Wir haben Ambitionen, unsere Marktanteile noch auszubauen. Wir haben in der Schweiz aber auch eine sehr starke Nummer eins, die ihre Position erfolgreich verteidigt.
Die Nummer eins verteidigt sich vor allem mit viel Geld - was wollen Sie dem entgegensetzen?
Baumgartner: Als Nummer zwei hat man nie die grössten finanziellen Mittel. Wir möchten unseren Kunden das beste Kundenerlebnis und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Gerade beim Kundenerlebnis hat die Konkurrenz die Nase vorn: Sie bietet mehr Applikationen, mehr Bandbreite, vergleichbare Preise. Wo möchten Sie mehr bieten?
Baumgartner: Im Mobilbereich haben wir eine breite Produktepalette. Wir waren die ersten mit dem Handy-Portal sunrise live, und wir haben über 200000 Kunden, die es in den letzten 60 Tagen benutzt haben.
Wie verändern sich dadurch die Kunden-Akquisitionskosten?
Baumgartner: Das kann man nicht allgemein sagen. Es kommt auch darauf an, ob man Kunden in einem freien Markt gewinnt, über das eigene Geschäft, ein City-Center, über ein Call Center oder ob er bereits ein Festnetzkunde ist.
Wie hoch sind die Handy-Subventionen pro Kunde und Jahr?
Baumgartner: Ich habe keine genauen Zahlen zur Hand. Sie liegen aber auf einem einigermassen hohen Niveau.
Swisscom rechnet mit 370 bis 380 Fr. Sie könnten jetzt auch argumentieren, dass Sie mit einem späteren Einstieg in die neue und schnellere UMTS-Technologie diese Kosten niedrig halten möchten.
Baumgartner: Nein, das ist nicht der Fall. Wir machen uns schon Gedanken über Subventionen. Diese haben nicht nur positive Effekte im Markt, denn Kunden sollten transparent sehen können, was sie über die Kaufpreise zahlen und wie die Telefongebühren sind.
Sind Sie durch die UMTS-Lancierung von Swisscom unter Zugzwang?
Baumgartner: Wir glauben, dass UMTS selber für die Konsumenten viel weniger Bedeutung hat als die Anwendungen. Wir haben immer klar gesagt, dass wir mit UMTS beginnen, wenn wir den Bedarf im Markt sehen. Die meisten Applikationen, die jetzt mit der UMTS-Technologie funktionieren, gab es schon vorher. Wir haben ein sehr gutes GSM-GPRS-Netz, mit dem über Sunrise live schon verschiedene Sachen möglich sind. Nur für Applikationen wie das Videostreaming braucht man UMTS heute zwingend. Bei TV und Video studieren wir die Bedarfsentwicklung sehr genau, ohne aber an vorderster Stelle vorzupreschen.
Die Aufrüstung Ihres Netzes auf die EDGE-Technologie wäre mit hohen Kosten verbunden: Wie lange ginge das, und werden Sie das parallel zu UMTS machen?
Baumgartner: Wir haben bei dieser Frage noch nicht entschieden. Es kommt darauf an, wann die Breitband-Dienste abheben. Auf der Basis heutiger Umsätze können wir sehr viel mit GSM-GPRS abdecken. Bei Video-Applikationen ist die Bildschirmgrösse matchentscheidend. Die müsste grösser sein, damit Live-Video attraktiver wird.
Lassen sich Kunden auch anders als nur über die Preise gewinnen?
Baumgartner: Ich glaube nicht, dass wir als Preistreiber angesehen werden können. Die Preisposition hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert. Sunrise hat von Anfang an immer betont, man bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Das heisst nicht den billigsten Preis. Es stimmt, dass Sunrise bei den Basisdienstleistungen die günstigeren Dienste hat als Swisscom. Das haben viele Leute zum Anlass genommen, zu Sunrise zu wechseln.
Die Preise für Unternehmen liegen wesentlich tiefer als die Preise für Konsumenten. Wie lassen sich diese rechtfertigen?
Baumgartner: Die Firmenkunden haben ganz andere Gesprächsvolumen. Hinzu kommt: Handy-Subventionierungen und weitere Bedürfnisse wie Festnetz und Daten lassen sich bündeln und fliessen dann in eine Mischkalkulation ein.
Sind die Grosskundenpreise mit 7 bis 8 Rp. pro Mobiltelefonminute kostendeckend?
Baumgartner: Die Preise sind immer kostendeckend. Wir machen keine Verträge, wo wir langfristig drauflegen. Man kann aber nicht ausschliessen, dass es Mitbewerber gibt, die das anders machen.
Die Preisdifferenzen zwischen Grosskunden und Privatkunden lassen sich aber nicht allein durch den Aufwand für das Billing, verlorene Sim-Karten oder Abschreibungen erklären. Wie sind denn die Margen?
Baumgartner: Diese geben wir nicht bekannt. Es wäre auch nicht zulässig, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Welche Rolle spielt Voice over IP (VoIP), die Telefonie über das Internet?
Baumgartner: Darüber wird sehr viel diskutiert, sie hat ein grosses Potenzial, man sagt VoIP ein Preisbrecher-Potenzial nach. Wir haben das analysiert und glauben, dass das eine Fehleinschätzung ist. Wenn beide, die telefonieren möchten, einen Breitbandzugang und die entsprechende Ausrüstung haben, kann es günstiger oder sogar gratis sein.
Im Firmenbereich sieht es anders aus. Die Netzbetreiber können nur noch mit dem Unterhalt der Infrastruktur Geld verdienen. Das ergibt eine Neuverteilung des Umsatzkuchens.
Baumgartner: Wir sehen das ähnlich bezüglich der Preise, die grossen Firmen haben zudem die Möglichkeit, Sprachverkehr auf ihre eigenen Datennetze zu leiten. Das gibt es aber schon seit längerem.
Eine breite Aufstellung am Markt lässt sich vor allem mit Synergien und Cross-Selling rechtfertigen. Wie gross ist dieser Effekt bei Ihnen?
Baumgartner: Wir haben ein enormes Potenzial, weil wir abgesehen von Swisscom die Einzigen sind, die alle Produkte nicht nur unter einem Markennamen, sondern auch aus einer Firma heraus anbieten können. Das heisst, wir können alles auf eine Rechnung bringen.
Wie gross ist denn jetzt die Kundenüberlappung zwischen Mobil- und Festnetz?
Baumgartner: Die Überschneidung ist momentan noch relativ klein. Das lässt sich durch die Herkunft der beiden Firmen - Sunrise, Diax - erklären.
Ist die Öffnung der Letzten Meile in der jetzigen Fassung ein Danaer-Geschenk?
Baumgartner: Der zeitliche Aspekt ist für uns nicht so wichtig. Wir sind glücklich über den Entscheid. Die Zwei-Jahres-Limite beim Entbündelungsvorschlag des Nationalrats ist sehr unpraktisch: Es wird unmöglich sein, in zwei Jahren Alternativen zum Bitstream-Access, dem Zugang auf die Swisscom-Breitbandleitungen, zu schaffen. Erst dann würden weite Teile der Bevölkerung profitieren. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Limite fallen wird und fallen muss.
Welches wäre Ihr bevorzugtes Szenario?
Baumgartner: Wir sind der Meinung, dass ein zeitlich unlimitierter Bitstream-Zugang eine der Voraussetzungen ist.
Dann kommt doch gleich der Vorwurf der Trittbrett-Fahrerei. Wieweit ist die Finanzierung der Investitionen in den Zentralen ein Thema?
Baumgartner: Das lässt sich erst dann abschliessend beurteilen, wenn alle Konditionen und Details der Letzten Meile bekannt sind. Zudem hat der Ständerat noch nicht darüber befunden.
Eine flächendeckende Ausrüstung der Zentralen würde zwischen 500 und 800 Mio Fr. kosten. Möchten Sie das überhaupt finanzieren, oder werden Sie sich nur auf die Schwerpunkte konzentrieren?
Baumgartner: Es ist unmöglich, dazu etwas zu sagen, weil noch viele Parameter unklar sind.
Ein Ausweg wäre ja die Kooperation mit einem Kabelnetzbetreiber. Ist das ein Thema für Sie?
Baumgartner: Die Zusammenarbeit mit anderen war immer ein Thema. Wir haben periodisch mit allen anderen diskutiert, wo es Sinn machte und werden das periodisch auch wieder wiederholen.
Swisscom kommt mit TV über Breitband - ist das ein Thema für Sie?
Baumgartner: Das schauen wir uns genau an. Im Moment wären wir noch abhängig von einem Reseller-Produkt der Swisscom. Solange die Letzte Meile nicht geöffnet ist, ist es Anbietern nicht möglich, eigene Produkte selber zu entwickeln und den Konsumenten ins Haus zu liefern. Das reine Kopieren des TV, wie es der Konsument auch über Kabel oder Satellit beziehen kann, stellt für Konsumenten möglicherweise nur einen limitierten Gegenwert dar. Wir sind gespannt, wie der Konsument reagieren wird.
Wenn Klarheit besteht, werden grosse Investitionen fällig werden, um bei Mobil- und Festnetz mithalten zu können. Wie werden sich die Investionskosten in den kommenden drei bis fünf Jahren entwickeln?
Baumgartner: Dazu geben wir keine Auskunft. Wir sind an Börsenvorschriften gebunden. Über die dänische Mutter TDC hat Sunrise praktisch unlimitierten Zugang zu den Kapitalmärkten. Wenn es nicht nur technisch, sondern auch hinsichtlich des Returns on Investment Sinn macht, wird sie uns zu Kapital verhelfen.
TDC selber sagt, dass ihre Wachstumsmärkte in Osteuropa und in Skandinavien liegen - wie wichtig ist da noch die Schweiz?
Baumgartner: Die Schweiz ist ein sehr wichtiger Teil von TDC, das wird nicht geschmälert werden.
Können Sie einen Ausblick auf das Geschäft im laufenden Jahr geben?
Baumgartner: Wir können unser Programm noch nicht bekannt geben, wir gehen aber von einem weiteren Umsatzwachstum aus. Die Mitarbeiterzahl wird konstant bleiben.