Hanspeter Fässler ist erst seit wenigen Tagen Chef der ABB-Ländergesellschaft Schweiz. Sein Büro wirkt noch kahl: Ein modernes Bild ohne Signatur, ein paar kleine Figürchen auf dem niedrigen Gestell hinter seinem Pult und ein schlichter runder Tisch für Besprechungen. Was besonders auffällt, ist eine Plastik: Ein Töff. Lachend gesteht Fässler, dass ihm das Ausfahren auf seiner Yamaha XJR 1300 besonders Spass macht. Hätte man ihm gar nicht zugetraut. Er wirkt auf den ersten Blick ruhig, besonnen und überlegt.

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Er sei kein Mann der grossen Worte, heisst es von ihm. Das stimmt aber nur bedingt, denn sobald die Rede auf seine beruflichen und privaten Leidenschaften kommt, redet er durchaus gerne. So auch, wenn es ums Motorradfahren geht: Auf den Fahrten mit dem heissen Stuhl kann er abschalten und entspannen: «Ich tanke dann ja nicht nur Benzin, sondern auch Entspannungspotenzial auf», begründet er diese Leidenschaft.

Entspannt und gelassen: Das ist er auch jetzt, obwohl er nun 6500 Mitarbeitende unter sich hat, das Konkurrenz-Umfeld des Unternehmens nicht gerade günstig ist und seine Ländergesellschaft immer wieder in einen Topf mit der problembehafteten Muttergesellschaft geworfen wird. Dieses Schicksal teilt er mit seinen Vorgängern.

Dabei gehört ABB Schweiz zu den Cash-Generatoren dieses Konzerns. Darauf angesprochen, reagiert er zunächst vorsichtig, räumt schliesslich aber ein, dass dieser Unterschied nicht immer einfach zu kommunizieren sei gegenüber den Kunden, aber auch gegenüber den Mitarbeitenden. Doch dann lehnt er sich wieder zurück und sagt: «Unsere Zahlen dürfen sich sehen lassen.» Auf die Frage, ob es schwierig sei, in einem so grossen Verbund einen eigenständigen Kurs zu verfolgen, antwortet er erneut besonnen: «Wenn ein weltweit tätiger Konzern wie ABB Werte definiert, muss er dies sowohl verbindlich wie grosszügig tun. Verbindliche Richtlinien gelten beispielsweise bei den Business Ethics, also bei der Geschäftsmoral und der Integrität. Hier sind alle Landesorganisationen und auch ihre Mitarbeitenden an den Wortlaut gebunden, den der Konzern vorgibt.»

Offen für verschiedene Kulturen in der Firma

Im Umgang mit den Mitarbeitenden im täglichen Geschäft haben die Länderverantwortlichen laut Fässler weit gehend freie Hand: «Das macht auch Sinn, weil die Auslegung der Werte in der Schweiz etwa eine andere ist als in Brasilien. Nach meinem Empfinden hat ABB den Rahmen so weit abgesteckt, dass die einzelnen Ländergesellschaften genügend Freiraum haben, um ihre eigenen Werte auszuloten.»

ABB Schweiz hat sich aber auch grosse Mühe gegeben, das Klima für die Mitarbeitenden auszuloten. Sie sind in einem Unternehmen eingebunden, das zwar helvetischen Ursprungs ist, aber trotzdem mit vielen Angehörigen fremder Kulturen konfrontiert wird. Das spürt, wer sich auf dem Areal der ABB Schweiz bewegt. Was macht dieses Unternehmen im Empfinden von Fässler attraktiv? «Wir müssen den Ansprüchen der Mitarbeitenden genügen können. Ich denke, dass wir hier sehr viel bieten. Sie müssen sich ihrerseits bewusst sein, dass sie bei uns nicht in einem Kleinbetrieb tätig sind. Wer unsere Internationalität schätzt, ist auch offen für andere Kulturen», meint Fässler. Und wer eine internationale Aufgabenstellung und technisch anspruchsvolle Produkte schätze, für den sei ABB die richtige Firma. Aber Fässler nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die heikle Frage der Konjunkturentwicklung geht. «Wir sind gezwungen, ihr nachzufahren. Wenn wir Gewinn erwirtschaften, können wir ihn nicht in den Sparstrumpf stecken, sondern müssen ihn an die Aktionäre ausschütten und bei schlechter Auftragslage die Kapazitäten anpassen.»

Der neue ABB-Schweiz-Chef hat den grössten Teil seiner bisherigen Arbeitszeit es sind immerhin 14 Jahre in der Firma verbracht, in der er nun an die Spitze gelangt ist. Ist das nicht problematisch? Wird man da nicht zum Insider, der die kritische Haltung gegenüber dem Konzern verliert? «Ich sehe das anders», entgegnet er, «insbesondere bei meinem Wechsel von ABB Schweden zu ABB Schweiz habe ich realisiert, dass Konzernentscheide in der Regel aus Ländersicht und daher sehr unterschiedlich bewertet werden.»

Als Dozent Furore gemacht

Angefangen hat Fässler zwar nicht bei ABB, sondern an der ETH zunächst als Student, dann als Assistent und schliesslich als Dozent. Aber im Gegensatz zu den vielen jungen Dozenten, die entweder im so genannten Mittelbau hängen bleiben oder sich sofort in der Wirtschaft etablieren, wich Fässler den typischen Trampelpfaden, auf die junge Wissenschaftler geraten können, aus. Er setzte dafür Akzente, die Furore gemacht haben. In Stanford hat er zusätzlich zu seinem Studium an der ETH eine Ausbildung im Bereich Robotik absolviert. Als er an der ETH mit dem Aufbau der Robotik betraut wurde, überlegte er sich, wie diese damals exotische Disziplin am besten anschaulich gemacht werden könnte. Fässler kam auf die ausgefallene Idee, an einem Ping-Pong- Roboter zu demonstrieren, wozu Robotik nützlich sei. «Gleichzeitig wollte ich ein interdisziplinäres Projekt starten, an dem Maschinenbauer, Elektronikspezialisten, Informatiker und Vermessungsingenieure beteiligt sind.»

Das Experiment gelang, warf auch ausserhalb der Hochschulen grosse Wellen und wurde sogar in den Medien ein Hit. Symptomatisch für Fässler ist, dass er diesen Fakt selber nicht gross betont. Dafür muss man sich schon in ETH-Kreisen umhören. Fässler faszinierte einfach die Idee, etwas zu kreieren, das wie er sagt «Hand und Fuss hat». Und nun wird er erstmals emotional: «Es war natürlich schon ein Challenge, Dozent in einer Disziplin zu sein, von der sogar mein Vorgesetzter zu Beginn wenig Ahnung hatte.»

Einen maroden Laden wieder in Schuss gebracht

Darauf angesprochen, was er ausser dem Ping-Pong-Roboter sonst noch für Spuren hinterlassen hat, muss er nicht lange nachdenken: In seiner ersten operativen Verantwortung bei ABB galt es, einen maroden Laden in Schuss zu bringen. In der ABB Low Voltage Power wurden Niederspannungsschaltanlagen hergestellt. Der Bereich beschäftigte 250 Leute an fünf Standorten, schrieb tiefrote Zahlen und litt unter einem Imageverlust. Das war für Fässler die konträre Aufgabe seiner heutigen. «Es galt, die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen und schwarze Zahlen zu schreiben. Ich habe mir überlegt, wie das am besten gelänge und einen Weg gewählt, der diese Probleme löste.»

Konkret: Fässler führte eine neue, damals unübliche Strukturierung der Belegschaft ein. Es wurden Prozessteams formiert, die ihre eigenen Chefs wählen mussten. Mitarbeitende aus dem Engineering, dem Einkauf und der Produktion wurden zu Teams von rund 20 Personen verschweisst. «Die Folge war, dass nicht nur die Informationswege kürzer, sondern auch die Aufträge effizienter erledigt wurden», erklärt Fässler, der diesen Geschäftsbereich in der Folge wieder in die schwarzen Zahlen zurückführte.

Ist es denkbar, dass er dieses Erfolgsrezept auch bei ABB Schweiz anwendet? «Es wird schwierig sein, bei 6500 Mitarbeitenden nach gleichen Grundsätzen zu verfahren», räumt er ein, lässt aber durchblicken, dass er ein «ähnliches Muster» wählen möchte. Vielleicht wird er ja bei seiner nächsten Tour auf der Yamaha noch neue Ideen generieren, wie sich sein bereits bewährtes Führungskonzept auch in einem wesentlich grösseren Betrieb weiterentwickeln lässt.

Profil: Steckbrief

Name: Hanspeter Fässler

Funktion: Länderchef ABB Schweiz

Alter: 47

Wohnort: Kanton Aargau

Familie: Verheiratet, zwei Kinder

Transportmittel: Yamaha und Saab

Karriere

1989-1991 Entwicklungsingenieur ABB Robotics, Schweden;

1991-1994 Entwicklungsleiter ABB Kraftwerke AG, Baden;

1994-2000 Leiter Automationstechnik und GL-Mitglied ABB Schweiz;

Seit Anfang 2004 Länderchef der ABB Schweiz; Firma

ABB Schweiz: Das zum ABB-Konzern gehörende Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 6500 Personen. Es konzentriert sich auf Automations- und Energietechnik undliefert Systeme und Gesamtlösungen für Versorgungs- und Industrieunternehmen. In Baden-Dättwil befindet sich zudem eines der weltweit sieben Forschungszentren des ABB-Konzerns mit den Schwerpunkten Energietechnik, industrielle Informationstechnik und Automationstechnik. ABB Schweiz erzielt einen Umsatz von 2,6 Mrd Fr. (2002) und wendet für Forschung und Entwicklung 197 Mio Fr. auf.