Vor einem halben Jahr versetzte Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, die Märkte in Aufruhr und setzte seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Im Moment sieht es aber so aus, als ginge seine Strategie auf. Seit der Aufgabe des Franken-Deckels zum Euro ist es mittels Interventionen und Negativ-Zinsen gelungen, die Schweizer Währung in einer stabilen Spanne unterhalb der Euro-Parität zu halten und dem Druck auf die Gemeinschaftswährung durch die griechische Schuldenkrise standzuhalten.

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Für die Investoren, die daran gewohnt waren, dass die grossen Zentralbanken jeden ihrer Schritte ankündigen, war die Überraschungsentscheidung der SNB ein Weckruf. Die Abkehr von einer Politik, die erst Tage zuvor bestätigt worden war, weckte anfangs Sorgen, dass Investoren skeptisch gegenüber SNB-Äusserungen würden. Doch das hat sich als falsch erwiesen.

Glaubwürdigkeit wiederhergestellt

«Die neue Strategie funktioniert», sagt Julien Manceaux, leitender Ökonom bei ING in Brüssel. «Die Aufgabe der Deckelung hat im Januar zwar alle überrascht und Fragen aufgeworfen, ob es eine gute Entscheidung war oder nicht; aber wir können sagen, dass die Glaubwürdigkeit wiederhergestellt ist - falls sie jemals gelitten haben sollte.»

Nachdem die SNB 40 Monate lang versichert hatte, den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro mit «aller Konsequenz» durchzusetzen, überraschte sie Mitte Januar die Märkte mit dessen Aufgabe. Die Entscheidung löste bei Banken und Hedgefonds Verluste von mehreren hundert Millionen Dollar aus.

Weniger kostspielig für die SNB

Für die SNB hat sich das Umschwenken als weniger kostspielig erwiesen, trotz der Griechenland-Turbulenzen. Ihre Devisenreserven sind dieses Jahr um nur vier Prozent gestiegen; im letzten Quartal 2014 waren es sieben Prozent. Jordan hat angedeutet, dass das Festhalten am Frankendeckel teurer gewesen wäre. Im März sagte er, dass das nur «auf Kosten einer unkontrollierbaren Ausdehnung der SNB-Bilanz um mehrere 100 Milliarden Franken möglich gewesen wäre».

In einer am Sonntag veröffentlichten Schweizer Zeitungsumfrage gaben 27 Prozent der Befragten an, dass die Glaubwürdigkeit der SNB wegen der Abschaffung des Frankendeckels gelitten habe. «Verlust von Glaubwürdigkeit ist der falsche Begriff», sagt Kit Juckes von Société Générale SA in London und verweist auf den Rückzug Grossbritanniens aus dem europäischen Wechselkursmechanismus 1992. Dieser hatte Schockwellen durch den Devisenmarkt gejagt, aber letztlich über Jahre zu höherem Wirtschaftswachstum geführt. «Ich glaube nicht, dass eine Zentralbank ihre Glaubwürdigkeit verliert, wenn sie eine wirklich starke Währung hat.»

Pierin Vincenz ist von der SNB-Politik nicht überzeugt

Nicht jeder teilt diese Meinung. Pierin Vincenz, Chef der Schweizer Hypothekenbank Raiffeisen, ist von der SNB-Politik nicht überzeugt, weil es ihr nicht gelungen sei, den Franken zu schwächen, sagte er im Interview mit der Zeitung Schweiz am Sonntag.

Die grossen Zentralbanken, insbesondere die Bank of England, haben sich nach der Finanzkrise meist um berechenbare und transparente Mitteilungen bemüht, um die Investorenerwartungen zu steuern. Aber mehrere Notenbanken, etwa die schwedische Riksbank, sind in den letzten Monaten wieder zu einer kurzfristigen Ad-hoc-Kommunikation zurückgekehrt.

Nach Ansicht von ABN-Amro-Ökonom Nick Kounis können Zentralbank-Verlautbarungen den Investoren ein falsches Gefühl von Sicherheit geben. «Letzten Endes gilt jede Ankündigung nur unter Vorbehalt. Wenn sich die Fakten ändern, ändert sich die Politik, und keine Vorankündigung wird etwas daran ändern, dass kein Zentralbanker eine falsche Entscheidung treffen wird, nur weil er erklärt hat, er werde die Politik nicht ändern.»

Druck auf die Schweizer Wirtschaft

Die Aufgabe der Franken-Deckelung hat Druck auf die Schweizer Wirtschaft ausgeübt. Die jüngste Monatsumfrage von Bloomberg deutet an, dass das Land möglicherweise in die erste Rezession seit fünf Jahren eingetreten ist. Beim Preisniveau wird für dieses Jahr der stärkste Rückgang seit fünf Jahrzehnten erwartet.

«Die Wirtschaft hat sich zwar abgekühlt, aber man kann nicht behaupten, dass die Schweiz vor einer Wirtschaftskrise stehe», sagt Alessandro Bee von Sarasin. Seiner Ansicht nach hat die Glaubwürdigkeit der SNB Schaden genommen, ihre Fähigkeit, den Franken zu schwächen, indem sie einfach nur Drohungen ausspricht, habe gelitten. «Jede Verlautbarung der SNB wird jetzt in Frage gestellt werden», so Bee.

Nach Aufhebung des Frankendeckels hat die Währung um rund 15 Prozent aufgewertet, worunter die Exporteure besonders leiden. Dennoch konnte die SNB dank Interventionen und einem Einlagensatz von minus 0,75 Prozent die Aufwertung eindämmen und den Frankenkurs zum Euro seit dem 15. Januar bei durchschnittlich 1,046 halten.

Interventionen wenn nötig

Zwar ist die griechische Schuldenkrise noch nicht gelöst, dennoch erwartet Jordan, dass sich der Franken mit der Zeit abschwächt. Devisenstrategen sehen ihn im vierten Quartal im Mittel bei 1,06 zum Euro.

Auch ohne den Deckel hat der SNB-Präsident Bereitschaft gezeigt, Drohungen auch wahr zu machen, etwa die ständig wiederholte Ankündigung von Interventionen, sollten sie nötig sein. So bestätigte Jordan Ende Juni, dass die Notenbank Franken verkauft habe, nachdem missglückte Griechenland-Verhandlungen die Nachfrage nach der Schweizer Währung angeheizt hatten.

(bloomberg/ccr)