Ein solches Etablissement zu betreten, könnte für einen Manager kompromittierend sein. Deshalb befinden sich die Schweizer Büros der internationalen Headhunting-Unternehmen allesamt in sicherer Distanz zum pulsierenden Geschäftszentrum der Stadt Zürich. Diskretion hat höchste Priorität.
Selbst im Inneren der Liegenschaften überrascht Schlichtheit – wenn auch sehr gepflegte. Als ob sich die Firmen abgesprochen hätten, dominiert USM-Haller-Möblierung. Da und dort ein Gemälde oder eine Statue. Damit hat es sich. Einzige Ausnahme ist das Haus von Egon Zehnder International am Zürcher Toblerplatz. Das vorherrschende gepflegte dunkle Holz sowie blaue Teppiche schaffen eine Atmosphäre aussergewöhnlicher Gediegenheit. Das liegt wohl auch daran, dass in dieser Liegenschaft der heute pensionierte Egon Zehnder sein Unternehmen 1964 gegründet hat.
Die neue Bescheidenheit steht der Branche gut an. Denn noch vor kurzem dominierte das Gegenteil: «Noch vor wenigen Jahren wurde ein riesiges Brimborium um unser Business gemacht», sagt Roger Rytz, Partner des Schweizer Ablegers von Spencer Stuart, der weltweiten Nummer vier der Branche, und bis vor kurzem dessen Chef. Daran trugen viele in der Branche eine Mitschuld. Die Berater sonnten sich in einem Starkult und sahen sich als die heimlichen Strippenzieher einer New Economy, der keine Grenzen mehr gesetzt zu sein schienen. Viele berichten heute von einer gewaltigen Arroganz, die damals vorgeherrscht habe. «Es gab eine Menge Primadonnen, jeder glaubte, er sei der Beste», erinnert sich Martin Heuberger, leitender Partner von Amrop Hever in der Schweiz, «mehr Bescheidenheit, Diskretion und Charme tun unserer Branche gut.»
Dazu wurde sie in den letzten Jahren auch gezwungen. Nach der rauschenden New-Economy-Party folgte ab 2001 der Kater.
Das Auf und Ab lässt sich am besten an der Entwicklung des weltweiten Branchenleaders, Heidrick & Struggles, verfolgen: Zwischen 1999 und 2000 konnte das Unternehmen seinen Gewinn von rund 6 Millionen auf über 19 Millionen Dollar mehr als verdreifachen. Darauf folgten dann mehr als doppelt so hohe Verluste von 43 Millionen im Jahr 2001, weitere 40 rote Millionen 2002 und 80 verlorene Millionen 2003. Im Jahr 1995 arbeiteten im Durchschnitt 124 Berater für Heidrick & Struggles, 2001 waren es dann mehr als 600, und seit drei Jahren ist deren Anzahl wieder um fast die Hälfte auf 320 gesunken.
Auch in der Schweiz schrumpfte seit 2002 die Zahl der Berater von 8 auf 4 und der gesamten Belegschaft von 30 auf heute 18.
Zur Euphorie und dem überquellenden Selbstvertrauen in der Branche gehörte es, den Starkult an der Börse vergolden zu lassen. Sowohl Heidrick & Struggles wie auch die weltweite Nummer zwei, Korn/Ferry, vollzogen diesen Schritt im ersten Halbjahr 1999 und liessen sich in New York kotieren.
Anfänglich schien sich dieses Vorgehen in barer Münze auszuzahlen: Die Aktie von Heidrick & Struggles legte von Ende April 1999 bis August 2000 von 14 auf 73 Dollar auf mehr als das Fünffache zu. Kaum weniger dramatisch war die Entwicklung des Papiers von Korn/Ferry. Die Aktie startete im Februar 1999 bei etwas über 14 Dollar und erreichte bereits im März des Folgejahres den mehr als dreimal so hohen Wert von 44 Dollar. Wie die ganze Börse stürzten in der Folge allerdings auch diese beiden Titel wieder ab und sanken zwischenzeitlich sogar unter ihren Ausgabepreis.
Doch damals beeindruckten die Börsengewinne die ganze Branche. Noch zu Beginn des Jahres 2001 veranstaltete die weltweite Nummer drei, Spencer Stuart, im US-Bundesstaat Florida ein ausserordentliches internationales Meeting mit allen Partnern, um einen möglichen Börsengang zu diskutieren. «Während die Jüngeren damals enthusiastisch dafür eintraten, konnten wir Älteren uns zum Glück mit unserer Skepsis durchsetzen», sagt Roger Rytz, der in Orlando mit dabei war.
Heute stellt sich der Börsengang als klarer Nachteil heraus. In den betroffenen Unternehmen wären viele froh, sie hätten darauf verzichtet – alleine wegen der Transparenz, zu dem die Kotierung zwingt: «Unsere Mitbewerber können uns so in die Karten schauen», sagt Bernard Zen-Ruffinen, Chef von Heidrick & Struggles in der Schweiz. Doch das grösste Problem liegt an einem anderen Ort: Eine Publikumsgesellschaft führt zu einer völlig anderen Unternehmenskultur als bei einem durch Partner geführten Unternehmen, das diesen auch gehört und mit dessen Schicksal sie auf Gedeih und Verderb verbunden sind.
Das wirkt sich vor allem auf die Berater aus. Und im Headhunting-Geschäft hängt von diesen alles ab. Im Durchschnitt generiert ein Berater einen jährlichen Ertrag von etwa einer Million Franken. Bei einem Wechsel zur Konkurrenz kann er, wenn er gut ist, bis zu 50 Prozent seiner Kundschaft zum neuen Unternehmen mitnehmen. Damit besteht ein starker Anreiz, den Konkurrenten erfolgreiche Leute abzujagen: «Bis jemand voll einsatzfähig ist, dauert es etwa vier Jahre und kostet das Unternehmen ungefähr eine Million Franken», sagt ein Branchenkenner. «Wirbt das Unternehmen einen von der Konkurrenz ab, spielt dieser möglicherweise schon am ersten Tag Geschäfte von dieser Grösse herein.»
So ist es nicht aussergewöhnlich, dass Headhunter täglich Angebote von der Konkurrenz erhalten. Bernard Zen-Ruffinen spricht daher von einem «war for talent». Gute Berater ans Unternehmen binden zu können, ist deshalb für ein Headhunting-Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Eine Partnerschaft stärkt diese Verbindung weit mehr, als ein börsenkotiertes Unternehmen dies kann, weil im ersten Fall ein Berater als Partner gleichzeitig Mitbesitzer des Unternehmens ist, mit dem ihn zudem auch eine längere Geschichte verbindet. Denn: Partner wird man in der Regel erst nach fünf bis sechs Jahren Mitarbeit. Tatsächlich gelingt es kaum einmal, aus partnerschaftlich organisierten Unternehmen wie Egon Zehnder oder Spencer Stuart Partner abzuwerben.
Während des Börsenhypes glaubten viele in der Branche, diese Art von Bindung könne mit einer genügend grossen Kriegskasse ausgehebelt werden. Entsprechend gelang es börsenkotierten Unternehmen, mit Riesensummen Berater abzuwerben. Doch so konnten die Leute nur mit genügend hohen Beträgen bei der Stange gehalten werden. Und jeder versuchte, um seinen Marktwert zu steigern, als «Rainmaker» dazustehen – so nennt man die Starberater in der Branche. Die Zusammenarbeit förderte das nicht.
Wie wenig sich mit Geld in diesem Geschäft letztlich kaufen lässt, zeigt die Geschichte von TMP Worldwide. Noch vor drei Jahren war dieses Unternehmen weltweit das sechstgrösste der Branche. Darauf folgte ein dramatischer Abstieg. Dessen Folgen machen sich aktuell auch hier zu Lande bemerkbar. Diesen Monat schliesst die Agentur von Highland Partners – wie die Nachfolger des einstigen TMP-Headhunting-Imperiums heute heissen – definitiv ihr Büro in der Schweiz.
Bis 1996 war TMP Worldwide hauptsächlich eine Unternehmung für Marketingdienstleistungen und vor allem bekannt durch seine weltweite Marktführerschaft bei der Inseratakquisition für «Gelbe Seiten»-Publikationen. Im Dezember jenes Jahres, noch im Frühstadium des Börsenrausches, ging das Unternehmen an die Börse.
Den Einstieg und seinen rasanten Aufstieg im Headhunter-Business verdankte das Untenehmen dann einem Raubzug per Checkbuch. 67 Headhunting-Firmen kaufte die Firma allein zwischen 1999 und 2002 zusammen. Mit entsprechenden Summen waren auch die gewünschten Berater zu haben.«Nur mit dem Zukauf von Firmen funktioniert das Geschäft nicht», sagt aber Rainer Faistauer, heute Leiter des Schweizer Geschäfts von Korn/Ferry. Er hat persönliche Erfahrung, denn zuvor amtete er als Leiter des TMP-Abkömmlings Highland Partners in der Schweiz. Letztlich misslang es, den auf die Schnelle zusammengekauften Unternehmens- und Beraterhaufen zu einer einheitlichen Unternehmenskultur zusammenzuschweissen.
Nach gewaltigen Verlusten im Jahr 2002 trennte sich TMP im März 2003 vollständig vom Headhunter-Business und brachte das Geschäft unter dem Namen Hudson Highland an die Börse. In der Folge hat das Unternehmen seinen Namen von TMP Worldwide auf Monster Worldwide geändert und damit den Namen der einst ebenfalls eingekauften internetbasierten Jobsuchplattform übernommen.
Hudson Highland wiederum teilt sich auf in Hudson und Highland Partners. Während die Tochtergesellschaft Hudson mittleres bis tieferes Kader vermittelt, kümmert sich Highland Partners ums Geschäft mit der so genannten C-Ebene: Damit ist das klassische Headhunter-Geschäft mit den obersten Managerchargen wie CEO, CFO oder COO gemeint. Richtig in Fahrt ist das Unternehmen bisher nicht gekommen. Bis zum letzten Abschluss im ersten Quartal des laufenden Jahres hat es nur Verluste geschrieben, und das wird – wie im Geschäftsbericht zu lesen ist – auf absehbare Zeit auch so bleiben. Die Schliessung in Zürich überrascht daher nicht übermässig.
Dass sich selbst ein letztlich börsenkotiertes Unternehmen mit dem Namen «Partners» schmückt, zeigt, wie stark der Wind wieder in Richtung des altbewährten Modells gedreht hat. Selbst bei Heidrick & Struggles hat man so etwas wie eine virtuelle Partnerschaft eingeführt: den «Global Partnership Council». Dieser hat unter anderem den Zweck, «den Geist der Partnerschaft wieder aufleben zu lassen», wie Bernard Zen-Ruffinen betont, «denn ein internationales Netzwerk lebt nur von der Partnerschaft, einsame Kämpfer wollen wir nicht».
Bei Egon Zehnder, Spencer Stuart oder Amrop Hever, die alle als Partnerschaften organisiert sind, kommt der Gewinn des Unternehmens direkt den Partnern zugute, anderseits stehen diese auch selber für die Verluste ein. Allerdings ist die Verteilung der Gewinne unterschiedlich geregelt: Bei Spencer Stuart erhält jeder Berater einen fixen Lohn, und entsprechend seiner individuellen Leistung wird dieser durch einen Bonus ergänzt.
Bei Egon Zehnder existiert ebenfalls ein Fixlohn, der Bonus ist allerdings nicht von der individuellen Leistung abhängig, sondern wird aus dem Gesamtgewinn an alle Partner zu gleichen Teilen ausgeschüttet. «Das führt erstens zu mehr Teamgeist und damit auch zu einem Gruppendruck auf jeden, möglichst das Beste für das Ganze zu geben», erklärt Christian Muggli, Länderchef von Egon Zehnder in der Schweiz.
Da Amrop Hever nicht eine Firma im eigentlichen Sinn ist, sondern ein globaler Verband von ansonsten unabhängigen Einzelunternehmen, ist die konkrete Gewinn- und Verlustverteilung diesen überlassen. Bei Heidrick & Struggles bekommt der Headhunting-Berater 40 bis 50 Prozent der von ihm generierten Erlöse, der Rest geht ans Unternehmen.
Auch die partnerschaftlich organisierten Unternehmen wurden vom Geschäftseinbruch in der Folge des Börsencrashs hart erfasst. Dass sie ihre Belegschaft dennoch weit weniger stark abgebaut haben als die Börsenkotierten, hat ebenfalls mit dem Bezahlungssystem zu tun. Statt Personal abzubauen, haben die Partner einfach den Gürtel deutlich enger geschnallt.
Die Partnerschaften Egon Zehnder und Spencer Stuart haben in der Schweiz über die harten Jahre keine einzige Stelle abgebaut. «Wenn man einen Job abbaut, baut man Know-how ab», sagt dazu Christian Muggli, «das können wir uns nicht leisten.»
Die neue Bedeutung der alten Werte bedeutet nicht, dass sonst in der Branche alles beim Alten geblieben wäre. Einerseits ist die Konkurrenz sehr viel härter geworden, und anderseits sind die Kunden anspruchsvoller. Das zwingt zu Anpassungen.
Heute müssen Headhunter viel mehr sein als blosse Managervermittler. Immer mehr werden sie zu Beratern der Unternehmen bei Human-Resources-Themen und dann, wenn es darum geht, die nötigen Qualifikationen zu eruieren, über die ein Manager in einem bestimmten Geschäftsgebiet verfügen muss. Dazu müssen aber auch die Berater die nötigen Kenntnisse haben. Die weltweiten Headhunter-Firmen lösen das über eine Matrixstruktur. Die Berater sind nicht nur einem Land zugeordnet, sondern zugleich auch noch einem weltweiten fachlich ausgerichteten Netzwerk: Ein Berater gehört so zum Beispiel zur Länderorganisation Schweiz und gleichzeitig zur weltweiten «Practice Financial Services».
Zunehmende Bedeutung hat zudem das so genannte Key-Account-Management. Um Kundenbeziehungen langfristig zu sichern, versuchen die internationalen Headhunter mit globalen Konzernen umfassende Verträge abzuschlies- sen, die weit über die Suche nur eines Managers hinausgehen und weiter gehende Beratungen einschliessen. So können auch von der Konkurrenz abgeworbene Berater den Kunden nicht mitnehmen.
Das die Welt umspannende Fachnetzwerk des Headhunters steht so dem ebenso globalen Konzern für alle Belange der Managementauswahl zur Verfügung. Die Entwicklung zu solchen Key-Account-Beziehungen hat in den USA begonnen und schwappt immer mehr auch auf Europa über.
Diese Entwicklungen begünstigen die grossen, international tätigen Headhunter-Firmen. Tatsächlich haben in diesem Geschäft nur die weltweiten Grossen und kleine, auf eine Branche oder eine Region spezialisierte Unternehmen eine Chance. Doch die Grösse hat auch ihre Nachteile: Ein einmal vermittelter Manager kann nicht sofort wieder für ein anderes Unternehmen vermittelt werden, ebenso wenig dessen Chef oder Direktunterstellter. Diese Beschränkung ihres Jagdgrundes (Hountingground) nennen Headhunter «off limits». «Es ist in unserer Branche nicht möglich, einen hundertprozentigen Marktanteil zu haben», sagt Christian Muggli von Egon Zehnder, «wir können somit auch nicht für jede Firma tätig sein.»
Wählerisch zu sein, kann man sich in der Branche wieder leisten. Seit diesem Jahr geht es wieder deutlich aufwärts. Selbst Branchenführer Heidrick & Struggles hat im ersten Quartal des laufenden Jahres seit langem wieder einen Gewinn erzielt. Für die Zukunft werden noch rosigere Zeiten erwartet: Viele Unternehmen haben nach den Jahren des rigorosen Sparens wieder Engpässe beim Management, und vielerorts steht ein Generationenwechsel bevor. Von Abbau ist nirgendwo mehr die Rede.