Essen oder Kleidung per Smartphone bestellen, bequem, billig und pünktlich liefern lassen - das klingt gut. Immer mehr Risiko-Geldgeber zweifeln aber daran, dass es ein tragfähiges Geschäftsmodell ist. Die Firmen sammelten zuletzt deutlich weniger Geld ein als noch Anfang 2016. Eine Reihe von grösseren Investoren gehen inzwischen davon aus, dass es zu einer Reihe von Pleiten kommen könnte. «Wir haben uns die ganze Branche angesehen und abgewunken», sagt Ben Narasin von Canvas Ventures, der sein Geld stattdessen unter anderem in Softwareanbieter gesteckt hat.
Binnen zehn Jahren sammelten Online-Lieferdienste wie Delivery Hero mindestens 9 Milliarden Dollar ein, 2,5 Milliarden kamen allein 2016 zusammen. Doch der Geldstrom kam bis Jahresende fast zum Erliegen: Im vierten Quartal waren es nach Reuters-Berechnungen gerade noch ein paar Dutzend Millionen Dollar, nach 1,9 Milliarden zum Jahresauftakt. Lieferdienste kämpfen mit anhaltend hoher Konkurrenz oder geringen Margen, sagen Wagniskapitalgeber. Brook Porter, Partner beim Investor Kleiner Perkins, spricht von einem Abwärtswettlauf.
Etablierte Logistikkonzerne gegen kleine Anbieter
2016 mussten mehrere Lieferdienste aufgeben - wie SpoonRocket aus den USA oder PepperTap aus Indien. Der Essensdienst DoorDash konnte nur mit kräftigen Abschlägen überhaupt Geld aufnehmen. Erschwert wird den kleineren Firmen der Branche der Einstieg von Uber in das Geschäft, mit dem Essensdienst UberEats und dem Lieferdienst UberRush.
Auch etablierte Logistikkonzerne wie Amazon oder DHL mischen in dem Bereich mit. Das stellt die kleinen Anbieter auf die Probe. «Man kann die Preise für die Kunden nicht erhöhen, und man kann die Arbeitskosten nicht reduzieren», sagte Venky Ganesan von Menlo Ventures. Das Geschäftsmodell werfe grundlegende Zweifel an der Wirtschaftlichkeit auf.
Hoffnungen liegen auf Robotern für die Auslieferung
Veteranen im Silicon Valley erinnern sich noch an die Zeit um die Jahrtausendwende, als im New-Economy-Boom auch Online-Lieferdienste auf sich aufmerksam machten. Doch die Sterne von Kozmo, das Güter des täglichen Bedarfs binnen einer Stunde zum Kunden bringen wollte, oder des Internet-Supermarkts Webvan verblassten bald, Investoren verloren Hunderte Millionen Dollar.
Diesmal soll es dank Smartphones und anderer mobiler Geräte anders sein, und Apps, die Verbrauchern mit einer Flotte unabhängiger Fahrer verbinden, sollen helfen. Die Branche hofft zudem auf Roboter. Uber hat dazu in Gemeinschaftsunternehmen investiert, die ersten Geräte sind auf dem Markt.
Aber auch hier werden Zweifel laut, ob das die Branche zu Höhenflügen bringt. «Ein autonomes Fahrzeug wird das Paket nicht beim Einzelhändler abholen, bis zur Haustür nach oben tragen und den Lieferschein unterschreiben lassen», sagte Daphne Carmeli, Chefin und Gründerin des Lieferdienstes Deliv. Lior Ron, Mitgründer des Technologieunternehmens und Uber-Partners Otto, das Lastwagen mit Selbstfahrtechnik ausrüstet, zeigt sich skeptisch. Wenn Firmen kein Geschäftsmodell hätten, das mit Fahrern funktioniere, dürfte sich daran auch mit Robotern nichts ändern.
Uber ist die Ausnahme
Uber gilt als Ausnahme, das Unternehmen verdient mit seinen Mitfahrdiensten Geld und sitzt auf 15 Milliarden Dollar, die für Investitionen bereitstehen. Das Unternehmen gilt seit längerem als Börsenkandidat. Ob es 2017 soweit sein wird, ist offen.
Fachleute gehen zwar aus, dass sich mehr Techfirmen an den Markt wagen als im vergangenen Jahr. Dabei dürfte es sich aber in erster Linie um kleine Nischen-Softwareanbieter handeln. Derartige Firmen, die Dienstleistungen für Unternehmen anbieten, seien ein «Frühindikator» für das Interesse der Investoren, sagte Justin Smolkin, bei der UBS zuständig für die US-Technologiefirmen. «Sie gelten als Sahnehäubchen, mit dem Investoren das meiste Geld machen.»
(sda/ccr)
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