Die Raiffeisen-Gruppe komplettiert ihre Führungsspitze. Nach der Erneuerung des Verwaltungsrats ist nun Heinz Huber zum neuen Vorsitzenden der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz ernannt worden. Der derzeitige Chef der Thurgauer Kantonalbank (TKB) übernimmt per 7. Januar 2019 die Nachfolge des zurückgetretenen Patrik Gisel.

Huber leitet die TKB seit 2014. Sein «unternehmerisches Denken und seine Umsetzungsstärke» hätten den Verwaltungsrat überzeugt, hiess es in der Mitteilung von Raiffeisen vom Dienstag. Michael Auer, der als stellvertretender CEO seit Gisels Rücktritt die operative Leitung von Raiffeisen Schweiz hat, werde die Einarbeitung von Huber übernehmen. Er werde danach wie angekündigt aus der Organisation ausscheiden.

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Führung erneuert

Mit der Ernennung eines neuen CEO setzt die Raiffeisen-Gruppe die Erneuerung der Führungsspitze und damit auch ihre Ablösung von der Ära des umstrittenen Raiffeisen-Chefs Pierin Vincenz fort. Die Raiffeisen-Delegierten hatten am 10. November Guy Lachappelle, vormals Chef der Basler Kantonalbank (BKB), zum neuen Verwaltungsratspräsidenten gewählt und weitere Verwaltungsräte aus der «Vincenz-Ära» ersetzt.

Der ruhig und eher zurückhaltend auftretende Huber ist ausserhalb der Ostschweiz nur wenig bekannt. Er war seit 2007 in der Geschäftsleitung der TKB und rückte Ende 2014 nach dem überraschenden Rücktritt von Peter Hinder an die Spitze des Unternehmens vor. Vor seinem Einstieg bei der TKB war er in verschiedenen Funktionen bei den Grossbanken UBS und CS und während einiger Jahre auch in der IT-Branche tätig gewesen.

In den vergangenen Wochen war in den Medien ausgiebig über die Personalie des neuen Raiffeisen-CEO spekuliert worden, wobei allerdings der Name Heinz Huber nicht gefallen war. Als Favorit war Postfinance-Chef Hanspeter Köng gehandelt worden, aber auch diverse weitere Kantonalbanken-CEO waren als mögliche neue Raiffeisen-Chefs genannt worden.

Mit dem vollamtlichen Verwaltungsratspräsidenten Guy Lachappelle dürfte der neue CEO Huber einen starken Gegenpart haben. Zu den Aufgaben der beiden früheren Kantonalbanken-Chefs zählt eine Reform der Strukturen der Genossenschaftsbank. Gleichzeitig ist aber auch die Aufarbeitung der «Vincenz-Ära» noch nicht abgeschlossen – so wurde in den vergangenen Tagen auch bekannt, dass Raiffeisen etwa Kaufverträge aus der Zeit des früheren CEO anfechten könnte.

Bei der TKB übernimmt derweil Hubers Stellvertreter Thomas Koller interimistisch den Vorsitz der Geschäftsleitung. Koller führt derzeit den Geschäftsbereich Privatkunden. Der Nachfolgeprozess sei eingeleitet, hiess es dort.

Kurzfristiger Rücktritt

Raiffeisen-CEO Gisel hatte sein Amt ursprünglich per Ende 2018 abgeben wollen, gab aber unmittelbar vor der Delegiertenversammlung kurzfristig seinen Rücktritt bekannt. Auslöser war eine publik gewordene Beziehung Gisels mit einer ehemaligen Raiffeisen-Verwaltungsrätin, wobei er einen allfälligen Interessenkonflikt klar in Abrede stellte. Seit längerem in der Kritik stand Gisel allerdings wegen seiner Rolle als langjähriger Stellvertreter von Pierin Vincenz.

Pierin Vincenz, Vorsitzender der Geschaeftsleitung, aufgenommen an der Bilanzmedienkonferenz der Raiffeisen Gruppe, am Freitag, 27. Februar 2015, am Hauptsitz in St. Gallen. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Pierin Vincenz: Gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef läuft eine Strafuntersuchung der Zürcher Staatsanwaltschaft.

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Gegen den 2015 als Raiffeisen-CEO zurückgetretenen Vincenz läuft eine Strafuntersuchung der Zürcher Staatsanwaltschaft wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung. In seiner Zeit als CEO, als Raiffeisen durch eine starke Expansion und zahlreiche Übernahmen aufgefallen war, soll er laut den Vorwürfen bei Akquisitionen auch persönlich abkassiert haben. Vincenz sass im laufenden Jahr wochenlang in Untersuchungshaft. Über eine Anklageerhebung könnte nun in den nächsten Wochen entschieden werden.

Eine interne Untersuchung von Raiffeisen war zum Befund gekommen, dass in der Zeit von Vincenz teilweise «strategisch fragwürdige» Investitionen getätigt und Firmenkäufe zu teuer bezahlt wurden. Zudem habe unter Vincenz eine «Kultur des vorauseilenden Gehorsams» geherrscht, hiess es in der Untersuchung, deren Resultate teilweise an der Delegiertenversammlung veröffentlicht worden waren. Auch die Finanzmarktaufsicht Finma hatte Raiffeisen wegen Mängeln in der Unternehmensführung gerügt.

(awp/bsh)