Der Auftritt gleicht einem kleinen Wirbelsturm: Die roten Haare sind ihr Markenzeichen. Und natürlich das raue Lachen und die gute Portion Selbstironie, mit der sie ihre Gesprächspartner schnell einmal für sich gewinnt. Wenn sie durch die Konferenzräume in Göteborg fegt, fragt man sich, woher ihre geradezu unverschämt gute Laune kommt. Die Antwort: «Ich bin schon so geboren worden.»

Der Anruf von Nobel Biocare aus Göteborg erreichte sie im August 2001 in der Schweiz und kam völlig überraschend. Über Nacht waren der CEO und zwei Executive Vice Presidents beim weltgrössten Zahnimplantate-Hersteller zurückgetreten. Heliane Canepa nahm das nächste Flugzeug nach Schweden. «Dort ist mir klar geworden: Die Firma ist eine schlafende Schönheit. Und es hat mich gleich gepackt.» Heute sagt sie: «Ich bin absolut verliebt in das Unternehmen.»

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«Ich habe meinem neuen Team klar gesagt, dass ich schnell Veränderungen einführen will, doch ist es nie tough gewesen», sagt sie und fügt hinzu: «Der Schwede ist eigentlich ähnlich wie der Schweizer eher distanziert und konsensbereit.»

Als sie ihre Vision vortrug, lustiger, sexy, slim und attraktiver zu werden, nahmen einige Männer das für bare Münze und nahmen einige Kilos ab, lacht sie amüsiert - gemeint waren allerdings die Produkte und die Kosten.

Mit ihrer unkomplizierten direkten Art hat sie eines Tages vermutlich auch ein paar Ingenieure in Schweden geschockt, als sie das triste Grau eines neuen Geräts sah und fragte, ob sich die Macher wirklich getrauten, ein solches Ding zu verkaufen. Inzwischen ist der Scanner zur Herstellung von keramischen Kronen komplett umgestaltet und kleiner geworden.

Kein Stein bleibt

Nobel Biocare ist eine globale Gruppe im Umbruch: Die Imagekorrektur, das Kostenreduktionsprogramm und die neuen Produkte führen dazu, dass «kein Stein auf dem anderen bleibt». Das hat sie von Anfang an offen kommuniziert. Das Produktesortiment wurde inzwischen von 3400 auf 760 Artikel zusammengestrichen.

Hier zu Lande bekannt wurde Canepa 1999 durch ihren kämpferischen Einsatz für die Bülacher Kardiologie-Firma Schneider, als diese wegen Sitzverlegung ins Ausland geschlossen werden sollte: Sie hielt ihr Versprechen, allen 350 Mitarbeitenden einen neuen Arbeitsplatz zu organisieren.

Und in Göteborg riss es sie vor Freude fast vom Stuhl, als sie feststellte, dass Nobel Biocare Parallelen zu Schneider aufweist: Die Branche Medizinaltechnik und die Tatsache, dass Nobel Biocare wie auch Schneider als Pioniere in einer Garage angefangen haben.

Ihre Mischung zwischen Provokation und Humor erweist sich für den international tätigen Konzern als Glücksfall. «Als ich herkam, war ich für die Mitarbeiter wohl die Frau vom Mars», lacht sie laut und herzlich. «Die meisten kannten mich vorher nur als Board Member und brauchten wohl etwas Zeit.»

Sie ist vielleicht die erste Topmanagerin, die nicht die geringsten Anstalten macht, ihre Haarmähne brav zu bändigen, und ihr meist dunkler Hosenanzug, oft mit weisser Bluse, ist ihre eigene Interpretation eines weiblichen Manageroutfits. In Schweden ist sie eine von nur zwei weiblichen CEO von börsenkotierten Firmen. Bei Nobel Biocare hat Heliane Canepa es jedoch nicht nur mit Männern zu tun, die Hälfte sind Frauen, und 80% aller Mitarbeitenden haben einen akademischen Titel. Und es ist auch eine Frau, die als CFO mit ihr zusammenarbeitet. Als Canepa einmal gemeinsam mit ihr die Deutsche Bank besuchte, fanden die Herren in Nadelstreifen die geballte Womenpower doch recht ungewöhnlich.

Transparent und ehrlich

Etwas vom Wichtigsten den Mitarbeitenden und auch den Anlegern gegenüber formuliert sie so: «Transparenz. Und niemals Versprechungen machen, die man nicht halten kann.»

«Man muss den Menschen einen Traum geben», lautet ihr Credo. «Es geht um neue moderne Produkte, um eine ganz andere Strategie, um den Einstieg ins Implantate-Geschäft und die Erweiterung des Marktsegments. Wir müssen uns ändern, weil sich der Markt ändert. Der Patient wünscht sich Ästhetik und Funktion», betont sie.

Die Patienten informieren sich immer mehr selbst und werden schliesslich das Geschäft bestimmen, ist Heliane Canepa überzeugt. Darum hätten nur individuelle Lösungen eine Chance.

Wenn Mitarbeitende nicht mit auf diese Reise gehen wollen, steht ihnen Canepa nicht im Weg. «Man muss von seiner Arbeit fasziniert sein, und wenn ihr es nicht seid, solltet ihr woanders schauen, was euch fasziniert, denn das Leben ist kurz». Für Heliane Canepa ist es wichtig, dass man sich in diesem Fall mit Stil voneinander trennt und nicht im Zorn zurückblicken soll.

Ohne Ehrgeiz hätte sie es nie so weit gebracht, das ist ihr klar und «Ehrgeiz ist ja wohl nichts Negatives». Eine Managementschule hat sie nie besucht, denn sie betont gerne, dass sie wenig von ausgeklügelten Management- und Führungssystemen hält.

«Der Mensch kann sehr viel lernen, doch die Gabe, andere Menschen führen zu können, gehört nicht dazu», sagte sie einmal in einem Interview. Umso mehr liegt ihre Stärke in einer gesunden Mischung aus Marketingwissen, Erfahrung und Bauchgefühl, um die richtige Entscheidung zu treffen. Das hat sich schon bei Schneider Bülach bewährt, und das funktioniert auch in Schweden.

Ende 2001, nur wenige Monate nach dem Start in Göteborg, wurde Nobel Biocare in die Top-A-Liste aufgenommen. Die Visionen der Heliane Canepa: «Bei den Implantaten sind wir Weltmarktleader leider noch nicht in der Schweiz. Das werde ich ändern. Wir haben noch viel vor mit neuen Produkten, zum Beispiel für Knochenaufbau, Biomaterialien usw., und werden daher noch weiter wachsen. Es ist ein Geschäft, hinter dem man auch ethisch stehen kann. Unsere Produkte machen die Menschen schöner und glücklicher.»

Ihr Lachen weist ganz nebenbei auch auf das Motto von Nobel Biocare hin: «Smile and you show your teeth, laugh and you show your heart.»



Heliane Canepas Führungsprinzipien

1. Das Wichtigste ist Transparenz.

2. Niemals Versprechungen machen, die man nicht halten kann.

3. Man muss den Menschen einen Traum geben.

4. Trennungen sollten mit Stil erfolgen.

5. Führung kann man nicht lernen, das ist eine Gabe.



Zur Person

Heliane Canepa (56) stammt ursprünglich aus Dornbirn/Vorarlberg. Sie hat ihre Karriere für den Medtech-Pionier Schneider in Bülach zunächst als Allrounderin in einer Garage gestartet. Als Chefin dieses Unternehmens sorgte sie 1999 für Aufsehen, weil sie es schaffte, allen Mitarbeitern eine Arbeit zu verschaffen, als Boston Scientist Corporation, die neuen Besitzer aus den USA, das Bülacher Unternehmen schlossen. Als Mitglied des Verwaltungsrates von Nobel Biocare, dem sie seit Anfang 2000 angehört, waren ihr Engagement und ihre Branchenkenntnisse bekannt. Seit Ende 2001 ist sie CEO von Nobel Biocare und arbeitet in Göteborg und Zürich mit vielen Auslandaufenthalten, vor allem in den USA. Die fitnessbewusste Firmenchefin ist seit 31 Jahren mit einem Unternehmensberater verheiratet und lebt am linken Zürichseeufer.



Nobel Biocare: Jahr für Jahr einen Zahn zugelegt

Nobel Biocare, das weltweit führende Unternehmen auf dem Gebiet innovativer, ästhetischer Dentallösungen, hat 1300 Mitarbeitende. Der Reingewinn erhöhte sich im 3. Quartal 2004 um 51% auf 20,2 Mio Euro und in den ersten neun Monaten um 36% auf 60,4 Mio Euro. Der Holdingsitz wurde vor zwei Jahren nach Kloten in den Balsberg verlegt, die Konzernleitung befindet sich in Göteborg.

Der Holdingsitz und die Kotierung in der Schweiz wurden aus verschiedenen Gründen gewählt: Neben Steuerersparnissen verhilft die Kotierung an der SWX der Nobel-Aktie zu mehr Beachtung und somit auch zu mehr Liquidität. Die schwedischen Anleger haben aber weiterhin die Möglichkeit, die Aktie auch in Stockholm zu handeln, wo sie zweitkotiert ist.