Der stolze Kater Micky weist den Weg zu den Kellerräumlichkeiten. Gut gelaunt öffnet Hermann Schwarzenbach die Tür und entschuldigt sich für die Unordnung. Auf einem Gestell über einem Stehpult, auf dem ein Computer steht, sind rund zwei Dutzend Flaschen aufgestellt. «Das ist unser gesamtes Weinsortiment», kommentiert Hermann Schwarzenbach, dessen Familie bereits in fünfter Generation in der Zürichseegemeinde Meilen Weinbau betreibt. Auch wenn heute nicht mehr viele Rebanlagen davon zeugen, hat der Weinbau am Zürichsee eine lange Tradition. Noch vor 100 Jahren war Meilen nicht nur die grösste Rebbaugemeinde des Kantons Zürich, sondern der ganzen Schweiz. Die Weinberge erstreckten sich vom Seeufer bis hinauf zum Pfannenstiel. Doch die Reblauskrankheit und der Ausbau des Eisenbahnnetzes, das den Import von billigeren und wohl auch besseren Weinen ermöglichte, führten zu einem raschen Niedergang des Weinbaus in der Region. Heute sind in Meilen gerade noch 19 Hektar mit Reben bestockt, von denen Hermann und Cécile Schwarzenbach deren sieben bewirtschaften.
Raritäten und Spezialitäten
«Wie hier in der Gegend üblich, führte mein Vater noch einen Mischbetrieb», erinnert sich Hermann Schwarzenbach. «Wir hielten sechs Kühe und kultivierten weisse Spargeln, Spalierobst und Reben. Aus dem Obst wurde Most erzeugt und aus den Trauben Traubensaft und Wein.»
Neben dem Räuschling, der traditionellen weissen Zürichseesorte, dem obligaten Riesling x Silvaner und dem Blauburgunder, aus dem vorab fruchtig-saftiger Klevner gekeltert wurde, erweiterte Hermann Schwarzenbachs Vater schrittweise den Rebsortenspiegel und bestockte kleinere Parzellen mit den weissen Sorten Gewürztraminer, Pinot gris, Freisamer (eine Kreuzung aus Silvaner und Pinot gris) und Completer. Letzteren kennt man aus der Bündner Herrschaft. Er war aber auch am Zürichsee verbreitet.
Nach dem Motto «Tradition trifft Innovation» pflanzte er weitere Sorten: Sauvignon blanc, Sémillon, Chardonnay und Lemberger, wie die in Österreich Blaufränkisch genannte rote Sorte in Deutschland heisst. Warum ausgerechnet Lemberger? «Im 19. Jahrhundert wurde der Lemberger im Zürichseegebiet angebaut. Es erschien mir deshalb als besondere Herausforderung, ihn als Ergänzung zum Blauburgunder anzupflanzen. Wenn man den Ertrag stark reduziert, kann man aus ihm einen gut strukturierten, komplexen Wein keltern.»
Und der Syrah, die spät reifende Sorte aus dem Rhonetal, die er auch keltert? Ja, sagt Hermann Schwarzenbach lachend, das sei eine reine Spielerei, da die Trauben ja nicht aus den eigenen Rebbergen, sondern aus dem Wallis stammten. Er habe eine besondere Beziehung zu dieser Sorte, da sie ihn an Australien erinnere, wo er Ende der 70er Jahre die Aufbruchsstimmung miterlebt habe. Doch sogleich macht er klar, dass er nicht einer von jenen Modewinzern sei, die versuchten, in Europa mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln hyperkonzentrierte Neue-Welt-Weine zu erzeugen.
Im Verkauf sind zurzeit die 2004er Weine, ein viel versprechender Jahrgang, der jedoch den Schwarzenbachs in unguter Erinnerung geblieben ist. Am 12. August 2004 zerstörte innert weniger Minuten ein lokal begrenzter Hagelsturm mehr als die Hälfte der Ernte. Deshalb konnten von den Spezialitäten Chardonnay, Freisamer, Pinot gris und Sauvignon blanc nur wenige Flaschen abgefüllt werden. Trotz des Desasters sind Hermann und Cécile Schwarzenbach zufrieden mit dem Jahrgang. Von spritzig-fruchtig bis vollmundig-vielschichtig präsentieren sich die verschiedenen Riesling x Silvaner. Eine Reblaube-Spezialität ist die Spätlese mit ihrer dezenten Restsüsse.
Mit seiner feinen Frucht und seiner markanten Säure ist der Räuschling ein feingliedriger Wein, den vor allem Weinfreunde schätzen, die wenig von den vordergründigen Muskelweinen halten, mit denen Winzer aus aller Welt die Weinkritiker und Konsumenten zu beeindrucken versuchen. Lange Zeit als saurer, rustikaler Wein in Verruf, wurde er fast vollständig vom Riesling x Silvaner verdrängt. Erst seit einigen Jahren erlebt diese Zürichseespezialität ihr verdientes Comeback. Von den kräftigeren, teils in Barriques ausgebauten Weissweinen illustriert die Cuvée Cécile, eine Assemblage aus Sémillon und Sauvignon blanc, wohl am deutlichsten Hermann Schwarzenbachs innovativen Winzergeist.
Kreative Blauburgunder
Bei den Rotweinen dominiert der Blauburgunder, den Hermann Schwarzenbach in diversen Spielformen keltert, vom fruchtig-saftigen Klevner über eine gehaltvolle Auslese bis hin zum Pinot noir, der während 18 Monaten in Barriques ausgebaut wird. Von Letzterem ist zurzeit noch der 2003er im Verkauf. Er vereint in sich alles, was ein guter Winzer aus dieser ebenso heiklen wie angesehenen Sorte herausholen kann: In der Nase präsentiert er sich mit einem vielschichtigen Bouquet von kräftigen Würznoten sowie roten und schwarzen Beeren, im Gaumen vermag er mit seiner vollmundigen und zugleich samtigen Eleganz, seinem süssen Schmelz und seinem soliden Säuregerüst zu begeistern.
Die Weine können direkt ab Gut gekauft werden. Weingut Reblaube, Hermann und Cécile Schwarzenbach, Seestrasse 867, 8706 Meilen, Tel. 044 923 01 25