Seit bald einem Jahr kämpfen sie um Marktanteile. Sie heissen Cableation, Calabrolio, Diamond LIT, oder geniuSolution. Geführt werden sie alle von Schülern. Dabei handelt es sich weder um Brettspiele, noch um Simulationen, sondern um richtige Unternehmen. Kein Monopolygeld, richtige Schweizer Franken sind der Einsatz.

Im Rahmen der Young Enterprise Switzerland (YES) Company Programme, haben am diesjährigen Wettbewerb Mittelschüler aus der ganzen Schweiz teilgenommen. Während eines Jahres konnten sie ihre eigenen Miniunternehmen auf- und ausbauen. Ziel: an der Schweizer Ausscheidung in Zürich teilnehmen, um es so ans europäische Finale in Brüssel zu schaffen. Dieses Jahr nahmen rund 200 Miniunternehmen am Schweizer Programm teil. 25 schafften es ans YES-Finale in Zürich.

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Maximal 3000 Franken Startkapital

Die Alte Kantonsschule Aarau erwies sich in den letzten Jahren als eigentliche Gewinnerfabrik. 2016 räumte ihr siebenköpfiges Team «Young Pepper Company» ab. Dieses Jahr möchte man wieder gut abschneiden.

Konzentriert arbeiten die 23 Schüler unter der Leitung der beiden Lehrkräfte Veronika Potykanowicz und Jürg Hoerner, in den Klassenzimmern der Alten Kanti an ihren Projekten. «Wie sieht unsere Zielgruppe aus?», «Wo werben wir für die Produkte?» «Erreichen wir unsere Umsatzziele?» Alles Fragen, die sich die Jugendlichen während ihrer Sitzungen stellen.

Die Teams sind gerade zurück von einem ihrer ersten Marktauftritte. Ein paar Tage zuvor durften sie an einer regionalen Handelsmesse ihre Produkte dem Publikum zeigen und verkaufen. Der Härtetest am Markt war wichtig. «Wir sind zufrieden wie es lief», sagt Silvan Kuprecht, CEO von Cableation. Sein Unternehmen vertreibt farbige Ladekabel als Armbänder. Dass sein Produkt vor allem bei älteren Leuten gut ankomme und nicht unbedingt bei der eigentlichen Zielgruppe, habe ihn sehr überrascht.

Damit sich die Schüler nicht verschulden, wird vom Veranstalter YES das von den Teilnehmern eingesammelte Startkapital auf maximal 3'000 Franken festgelegt. Mit Partizipationsscheinen weibeln die Miniunternehmer dann bei Eltern, Verwandten und Freunden für ihre Geschäftsideen.

Keine disruptiven Ideen

Wie im späteren Geschäftsleben, kann man sich nicht immer aussuchen mit wem man zusammenarbeitet. «Wir sind ein buntgemischtes Team», lacht Michelle Christen, CEO von Calabrolio. Zwei Frauen und fünf Männer zählt sie zu ihrer Equipe. Calabrolio importiert kalabrisches Olivenöl und verfeinert es mit Gewürzen.

Bei der Ideenfindung gingen die Jungunternehmer ganz pragmatisch vor. Neben einer Marktanalyse, waren auch die persönlichen Netzwerke der Schüler hilfreich. Im Fall von Calabrolio ist es der Kontakt zu einem Olivenbauer in Kalabrien. Bei Diamond LIT war es die Zusammenarbeit mit einer Apotheke: «Für unser Produkt mussten wir an Duftnoten und Konsistenz pröbeln. Da kam es uns gelegen, dass wir in der Dorfapotheke ausprobieren konnten», sagt Katja Moroz, Geschäftsführerin von Diamond LIT.

Das Miniunternehmen wird von einem fünfköpfigen Frauenteam geführt und stellt eine handgemachte Bodylotionkerze her. Neben Mundpropaganda, sind die Jungunternehmer auch im Internet unterwegs. Eigene Homepages mit Webshop gehören ebenso zu ihren Werbekampagnen, wie die Präsenz auf den Social-Media-Kanälen.

Team Diamond LIT (v.l.n.r.: Hena Padalovic, Eliane Kläusler, Katja Moroz, Nadia Umbricht. Auf dem Bild fehlt Annika Graf. Credits: YES)

Die Ideen sind vielfältig aber nicht immer innovativ. So sind es vor allem fertig eingekaufte Produkte, die in neuer Kombination zusammengestellt von den Schülern angeboten werden. Die Komponenten dazu stammen oft von ausländischen Zulieferern. Im Vordergrund stehe aber auch nicht unbedingt das Finden von möglichst disruptiven Ideen für den Schweizer Markt, sondern das Erlernen des unternehmerischen Denkens und Handelns, heisst es bei den Veranstaltern. Johanna Lauber, Kommunikationsverantwortliche bei YES: «Das Programm soll eine möglichst ganzheitliche Erfahrung für die Schüler bieten. Und so Theorie und Praxis verknüpfen.»  

YES gibt es seit 1999. Die Non-profit Organisation will die 16- bis 20-jährigen Mittelschüler fürs Unternehmertum begeistern und wird dabei von Grossunternehmen wie UBS, Coop, SwissRe und PWC unterstützt.

Doppelbelastung für Schüler und Eltern

Doch wie bringt man Unternehmertum und Prüfungsstress unter einen Hut? Die Doppelbelastung sei nicht immer ganz einfach zu meistern, sagen die Schüler. Die beiden Aargauer Lehrer weisen darauf hin, dass es eine «positive Selektion gebe» und dadurch nur die wirklich motivierten und engagierten Schüler am Programm teilnehmen würden. Die Motivation dafür hänge oft davon ab, ob es als Frei- oder Hauptfach angeboten wird. Kritische Stimmen in der Lehrerschaft gibt es: «Die Diskussionen drehen sich oft darum, ob die Teilnahme am YES-Wettbewerb zum Nachteil anderer Schulfächer führt», bestätigt Lehrer Jürg Hoerner.

Ausserdem geht ohne zusätzliche Manpower und Unterstützung gar nichts. Bei Start-Ups sind es Business Angels, die mit Venture Capital und Know-How Geschäftsideen flügge machen. Beim YES-Wettbewerb sind es meist die Eltern der Miniunternehmer, die die Rolle der Engel übernehmen. Ob es um Material für originelle Messestände, Transport, oder Networking geht, Mami und Papi werden für viele Einsätze eingespannt.

Tag der Entscheidung

Drei Monate später und um einige Erfahrungen und Messeauftritte reicher, sind die Aargauer Schüler zusammen mit ihren Konkurrenten aus der ganzen Schweiz in der Halle des Zürcher HBs versammelt. Nochmals haben sie Gelegenheit ihre Produkte anzupreisen. Doch fiebern sie alle bereits dem Höhepunkt entgegen: der Bekanntgabe des Gewinners des Company of the Year Awards. Eine zehnköpfige Jury entscheidet über Sieg und Niederlage. Auf der Bühne präsentieren die Miniunternehmer ihre Minifirmen. Auch der Geschäftsgang wird analysiert, die Learnings zusammengefasst. Wie die Grossen pitchen sie vor Publikum, angefeuert von ihren Mitschülern und Eltern.

«Wir haben aus unseren Fehlern gelernt», sagt Katja Moroz von Diamond LIT. Im Gespräch mit den Schülern stellt sich heraus, dass zu den Hauptherausforderungen der Einkauf und die optimale Preisfindung gehören. «Man muss aufpassen, dass man zu Beginn nicht zu viel einkauft.» Auf dem Verkaufsmaterial sitzen zu bleiben wäre unschön. Aber ob die Minifirmen auch nach dem Wettbewerb noch weitergeführt werden, ist nicht sicher. «Das nächste Jahr an der Kanti wird nochmals streng. Da ist es schwierig, nebenbei noch ein Unternehmen zu führen», erklärt Katja Moroz. Zufrieden können die fünf Aargauerinnen aber sein. Die Gründerinnen haben es mit Diamond LIT hinter den Zürchern von Smartbottle und den Neuenburgern von Cook’easy, auf den Dritten Platz des YES-Wettbewerbs geschafft.


Das Podium am Finaltag im Zürcher HB (Credits: YES)