Alle reden von Motivation. Dabei ist das Thema alles andere als neu. Seit Beginn der Industrialisierung hat man versucht, Arbeitsprozesse zu definieren sowie Strukturen und Regeln einzuführen. Mit diesen Vereinfachungen wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der in der arbeitsteiligen Welt von heute mit Massenproduktion und Qualitätsstandards kulminiert. Gleichzeitig mit den Standardisierungen ist aber das Umfeld, in dem Wirtschaft stattfindet, viel komplexer und schneller geworden, und dieser Trend scheint sich fortzusetzen.

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Wir erwarten heute von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie nicht nur die vordefinierten, möglichst stark vereinfachten Prozesse perfekt abarbeiten und sich dabei strikt an die Regelungen und Vorschriften halten, sondern dass sie mitdenken und mit ihrem Können, ihrer Erfahrung und ihrer Leistungsbereitschaft den viel zitierten Zusatzwert schaffen. Mitarbeiter sollen auch Mitunternehmer sein. Wir als Führungskräfte sollen sie zu diesem Spagat anleiten und das Ganze selber vorleben.

Gibt es überhaupt eine Verbindung zwischen Disziplin und Kreativität, zwischen klaren Strukturen und Flexibilität? Wie können wir auf dem Boden von Kosteneffizienz und Produktivitätsmaximierung die Voraussetzungen für Innovation schaffen? Wir brauchen eine Belegschaft, die mehr kann und die vor allem auch mehr zu tun bereit ist, als vorgegebene Prozesse auszuführen. Vor allem aber brauchen wir eine Führung, die mit einer solchen Belegschaft umgehen und sie für dieses Mehr begeistern kann.

Das Zusatzengagement, das vermehrt gefordert wird, setzt Motivation bei den handelnden Personen voraus. Motivation ist der Treibstoff, den der Motor der Unternehmen braucht, um Leistung zu erbringen. Das Positive daran ist, dass sie finanziell wesentlich weniger kostet, als sie bringt. Dafür ist sie in anderer Hinsicht umso teurer: Ich habe immer wieder feststellen können, dass Motivation nur dort entstehen kann, wo Vertrauen herrscht. Ein Klima der Verunsicherung oder gar der Bedrohung ist Gift für das Entstehen von Motivation. Vertrauen aufzubauen und zu pflegen, kostet nicht viel Geld, aber es bedarf sehr intensiver Anstrengungen, sehr viel Offenheit und Freude am Umgang mit Menschen. Vertrauen kann man nicht anweisen, und man kann es sich auch nicht erkaufen. Vertrauen muss man sich verdienen durch vorbildliches Verhalten und durch Engagement, wobei das mehr bedeutet als einen guten Vorsatz und einen Eintrag in der To-do-Liste. Als Führungskräfte sollen wir uns nicht vornehmen, Vorbild zu sein, sondern wir müssen uns bewusst sein, dass wir Vorbilder sind, jeden Tag, und dass wir permanent an dem gemessen werden, was wir tun.

Das Vertrauen in die Vorgesetzten allein reicht noch nicht aus als Voraussetzung für Motivation. Erst zusammen mit Vertrauen in mich selber, dass ich auch in der Lage bin, den von mir geforderten Beitrag zu leisten, kann Motivation entstehen. Selbstvertrauen wiederum kann nur entstehen in einem Klima gegenseitiger Unterstützung und konstruktiver Kritik, zusammen mit Investition von Zeit und Geld in die eigene Weiterbildung und Beschäftigungsfähigkeit. Selbstvertrauen baut auf verwertbaren Erfahrungen und aktuellem Wissen auf, das jeder und jede von uns immer wieder erneuern muss. Hinzu kommt, dass wir Menschen nicht leben können, ohne zu wissen, wie wir von anderen eingeschätzt werden, ohne ein Gefühl dafür zu haben, ob die eigene Leistung positiv oder negativ gesehen wird. Wir brauchen ein Wertesystem, an dem wir unsere eigenen Werte messen und ausrichten können.

Vertrauen und Selbstvertrauen sind die Basis für Motivation, aber das allein genügt immer noch nicht. Wenn Menschen unzufrieden sind, sind sie auch nicht motiviert. Daraus zu schliessen, man müsse nur gute Saläre und hohe Boni anbieten, um dann Zufriedenheit und damit zwangsläufig Motivation zu erzeugen, ist aber falsch. Es gibt keine Motivationsautomatik und keine Zufriedenheitsgarantie. Leider haben viele Führungskräfte beim Umgang mit Personal immer noch ein falsches, mechanistisches Weltbild, nach dem ein bestimmter Input immer einen im Voraus berechenbaren Effekt erzielt. Wir Menschen sind aber biologische Gebilde, zusätzlich geprägt durch Emotionalität und Spiritualität, und das erfordert ein sehr viel ganzheitlicheres und letztlich menschlicheres Führungsverständnis. In diesem Sinne sind attraktive Arbeitsbedingungen, hohe Arbeitsplatzsicherheit und ein gutes Salär lediglich Hygienefaktoren, die dazu dienen, Unzufriedenheit zu vermeiden. Das ist zwar auch sehr wichtig, aber es entsteht noch keine Zufriedenheit, zumindest nicht dauerhaft. Entscheidend für den Schritt weiter zu einer echten und anhaltenden Zufriedenheit sind Motivationsfaktoren, zu denen vor allem persönlicher und gemeinsamer Erfolg, Anerkennung und interessante Arbeitsinhalte zählen sowie Verantwortung und Chancen für die persönliche Entwicklung. So eine Aufzählung ist einfach erstellt, aber bei der Umsetzung im betrieblichen Alltag zeigen sich sehr rasch die Führungsqualität und die Motivationskraft in einem Unternehmen.

Gute Führungskräfte sind in der Lage, in ihrem Einflussbereich auch in kritischen Zeiten ein Klima zu schaffen, das Vertrauen erzeugt und langfristig rechtfertigt, das Selbstvertrauen fördert und durch konsequenten Einsatz von Motivationsfaktoren Zufriedenheit erzeugt. Eine solche Kultur führt immer auch zu einer hohen Identifikation, und das entspricht einem zutiefst menschlichen Bedürfnis. Die meisten von uns sind nicht zum Einzelgänger geboren, und bei allem Streben nach Individualität wollen wir auch irgendwo dazugehören und uns mit einer Gruppe oder einer Organisation identifizieren.

Was eine solche Identifikation im positiven Sinne bewirken kann, habe ich persönlich besonders deutlich während meiner Zeit bei der Swissair erlebt. Dort war die Verbundenheit so gross, dass sich die Kunden auch in harten Zeiten und unter schwierigsten Bedingungen immer auf die herausragende Qualität verlassen konnten. Ich weiss nicht, ob es viele andere Unternehmen gibt, denen es ebenfalls gelungen wäre, nach einem Grounding, das heisst nach dem wirtschaftlichen Aus, noch ein halbes Jahr mit unverändert hoher Qualität und Zuverlässigkeit weiterzuarbeiten, um den Neuaufbau einer Nachfolgegesellschaft zu ermöglichen, obwohl praktisch keiner der Beteiligten wusste, ob es für ihn beziehungsweise für sie eine berufliche Zukunft geben würde und wie diese ungefähr aussehen könnte.

All diese Rahmenbedingungen, die ich beschrieben habe, sind zwar entscheidend als Voraussetzung für Motivation, aber reicht das aus? Wie sieht es mit der Zielgruppe aus, mit denen, die motiviert werden sollen? Es wäre falsch anzunehmen, nur die Führung sei gefordert, um zu motivieren. Jeder und jede von uns muss auch selber einen eigenen Beitrag leisten, um motiviert zu werden, denn mit den Mitteln der Spassgesellschaft, in der man nur das tut, was einem leicht fällt und Freude macht, kann man kein Unternehmen führen.

Auch wenn es sich altmodisch anhört: Das Bewusstsein, dass ich mit meinem Arbeitsplatz auch eine Mitverantwortung für das ganze Unternehmen trage, wie gross diese auch sein mag, dass ich eine Pflicht erfüllen und dass ich auch noch den entsprechenden Willen haben muss, ist auch in der heutigen Zeit unabdingbar. Motivation, gepaart mit dem Willen zum Erfolg, bringt Spitzensportler dazu, jeden Tag hart zu trainieren, und genau das Gleiche kann in unseren Unternehmen die Berge versetzen, die unüberwindbar erscheinen.

Vor diesem Hintergrund greift für mich der viel zitierte Managerspruch «Nur was gemessen wird, wird auch gemacht» viel zu kurz. Er reduziert uns Menschen auf durch Zahlen und Zählen manipulierbare Wesen und ignoriert das Potenzial der Motivation, bei dem das Messen nur einen kleinen Teil ausmacht. Ich meine dabei nicht den Begriff der Motivation aus der Spassgesellschaft, sondern eine Motivation, die auf Vertrauen, Selbstvertrauen, Zufriedenheit und Identifikation aufgebaut ist und dabei von Pflichtgefühl und dem Willen zum nachhaltigen Erfolg unterstützt wird.

Was am Ende zählt, sind die Resultate. Wenn wir mit besserer Führung und höherer Motivation die Ergebnisse unserer Unternehmen nur um zehn Prozent verbessern könnten, wäre es dann nicht wert, sich mehr mit diesem Thema zu befassen? Motivation ist der Treibstoff für Leistung. Am besten suchen wir noch heute nach der nächstmöglichen Tankstelle.

Matthias Mölleney ist seit November 2003 Mitglied der Konzerleitung von Unaxis – als weltweiter Leiter Corporate Human Resources. Zu Unaxis kam Mölleney von Centerpulse, wo er als Konzernleitungsmitglied von 2001 bis 2003 für alle Personalangelegenheiten zuständig war. Seine Karriere im Human-Resources-Bereich begann der Deutsche bei Lufthansa, wo er während 16 Jahren verschiedene Positionen innehatte. Danach wechselte er als Konzernpersonalchef zur SAirGroup. Matthias Mölleney ist verheiratet und Vater zweier Kinder.