Fachleute gehen davon aus, dass maximal 5% der Bevölkerung hochbegabt sind. Dieses Potenzial macht sich die Schweizer Wirtschaft, in der man sich oft über mangelnde Spezialisten beklagt, jedoch nicht gezielt zu Nutze. Eine aussergewöhnlich hohe Intelligenz spielt als entscheidendes Kriterium bei der Personalrekrutierung kaum eine Rolle.
«Wir haben natürlich unsere in der Forschung», erklärt IBM-Sprecherin Susan Orozco. Sie scheue sich jedoch, den Begriff hochbegabt zu verwenden. Denn in erster Linie gehe es darum, dass die richtigen Leute am richtigen Ort seien. «Wir schauen einen Bewerber ganzheitlich an. Eine grosse Rolle spielt beispielsweise die Teamfähigkeit. Ein IQ von 140 heisst noch lange nichts», so Orozco.
Ähnlich klingt es bei der UBS, die keine speziellen Förderungsprogramme für Hochbegabte kennt. Walter Schmid von Human Resources bei der UBS erklärt: «Für uns von zentraler Bedeutung ist die Erkennung und Förderung von Talenten, das heisst Mitarbeitende mit überdurchschnittlicher Leistung, Kompetenzen und Potenzial. Es kann durchaus sein, dass sich darunter so genannt Hochbegabte befinden.»
Wenig geeignet für die Spitze
Massgebend für die Besetzung einer Stelle ist in jedem Fall, dass die Mitarbeiter die für die Stelle erforderlichen Kompetenzen und eine hohe Leistungsbereitschaft zeigen. Walter Schmid: «Eine ebenso hohe grosse Rolle spielen Faktoren wie etwa Sozialkompetenz, Erfahrung und Fachwissen.»
«Die Wirtschaft könnte profitieren, wenn sie das Thema Hochbegabung ernster nehmen würde», sagt Unternehmensberater Jean-Jacques Bertschi. Als Verwaltung- und Stiftungsrat verschiedener Bildungsinstitute und dank jahrzehntelanger Erfahrung im Management grosser Unternehmungen kennt er beide Seiten und weiss, dass die Wirtschaft wenig unternimmt, um Hochbegabte spezifisch vorwärtszubringen: «Es herrscht die Meinung, man müsse Hochbegabte nicht fördern, weil sich die Intelligenz von selber durchsetze. Das ist eine falsche Annahme, denn Durchsetzungsvermögen hat nichts mit intellektuellem Potenzial zu tun.»
Bertschi, der unter anderem an der Zürcher Privatschule Talenta für hochbegabte Kinder tätig ist, kann sich jedoch hochbegabte Menschen an der Spitze einer Unternehmung weniger vorstellen. Was ihren Werdegang betreffe, seien die Geschäftsleitungsmitglieder in schweizerischen Unternehmungen relativ uniform:«Sie zeichnen sich durch hohe Entscheidungsdichte, hohe Belastbarkeit, Produktivität, hohe Verantwortung und solide Intelligenz aus.» Da sich das Management immer wieder mit ähnlichen Fragestellungen konfrontiert sehe, würden es Hochbegabte möglicherweise als langweilig empfinden.
«Hohe Intelligenz spricht sicher nicht dagegen, dass man in der Wirtschaft eine Führungsstellung einnimmt», betont Xaver Heer, Leiter der Talenta. Er weiss aber, dass Kinder mit sehr hohem IQ oft als verhaltensauffällig wahrgenommen werden oder Probleme mit ihrer Arbeitshaltung bekommen, da sie ihre Grenzen nicht erfahren können. Dies kann sich später bis ins Erwerbsleben auswirken. Weil Hochbegabte dazu neigen, bei Gesprächen ein paar Argumentationsschritte zu überspringen, können sie gemäss Xaver Heer arrogant wirken und anecken: «Das könnte bei einer Karriere in der Wirtschaft ein heikler Punkt sein. In anderen Bereichen, beispielsweise der Forschung, ist es sicher einfacher.»
Hochbegabung und Karriere müssen aber auch kein Widerspruch sein, wie folgende Beispiele zeigen: Una Zwahlen ist Mitglied und Vizepräsidentin des Vereins «Mensa», dessen Eintrittstest einen IQ von 130 fordert. Die 34-Jährige beurteilt ihre überdurchschnittliche Intelligenz als Vorteil für ihren beruflichen Werdegang. Nach einem Informationsmanagement-Studium an der Uni St. Gallen war sie sechs Jahre lang selbstständig tätig und ist heute Mitglied der Direktion einer Schweizer Grossbank.
Infos schnell verarbeiten
«Schnelles Denken und das Interesse, mich fortlaufend weiterzubilden, haben eine erfolgreiche Karriere begünstigt. Hochbegabung bringt den Vorteil, dass man mehrere Bälle einfacher jonglieren kann, weil Informationen rascher aufgenommen werden», stellt Una Zwahlen fest.
Etwas anders sieht es Roger Hausmann, 43, der ebenfalls Mensa-Mitglied ist und heute als selbstständiger Texter arbeitet und Geschäftsführer der Schreibwerkstatt in Winterthur ist: «Wenn ich nur durchschnittlich begabt wäre, hätte ich wohl eher eine Karriere im klassischen Sinn machen können. Dank meiner Begabung habe ich früher, als ich noch anderer Leute Geld angelegt habe, rasch verstanden, wie die Mechanismen in den Teppichetagen funktionieren. Ich wusste, das ist nicht meine Welt. Mir wird die Arbeit sehr schnell langweilig, egal wie komplex sie ist. Ich könnte nicht jeden Tag mit denselben Leuten an denselben Projekten arbeiten.»
Heute kann er sich der ehemalige Banker als Selbstständiger seine Projekte und Partner selbst aussuchen.
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Service
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Mensa
Etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung gelten als hochbegabt. Im deutschsprachigen Raum wurde Hochbegabung erst Mitte der achtziger Jahre ein Thema. Hochbegabte Kinder galten zuvor entweder als Genies oder als Schwererziehbare. Der internationale Verein Mensa gibt Menschen mit einem Intelligenzquotienten von über 130 Gelegenheit zum Austausch. Mensa bietet in grösseren Schweizer Städten regelmässig standardisierte und überwachte Eintritttests an.
Selbsttest
Interessierte können mit einem Probetest auf der Mensa-Website ihre Chancen einschätzen. Kleiner Vorgeschmack: Wie lautet die logische Fortsetzung dieser Zahlenreihen:
3968, 63, 8, 3, ...?
8, 6, 7, 5, 6, 4, ...?
www.mensa.ch