Es war starker Tobak seitens der Finanzmarktaufsicht: Von «schweren Mängeln in der Geldwäschereibekämpfung bei Julius Bär» war in der Medienmitteilung die Rede, die mit dem Hinweis endete, man prüfe auch «Verfahren gegen Einzelpersonen». Die Verfehlungen fanden von 2009 bis 2018 statt, in jenem Zeitraum also, in dem Boris Collardi CEO von Bär war. Im Herbst 2017 hatte er zur altehrwürdigen Pictet gewechselt.
Bei den Genfer Banquiers privés gibt es seit der Gründung vor rund 200 Jahren ein striktes Motto: absolute Diskretion und nur keine Skandale. Und nun dies: Teilhaber Collardi im Fokus der Presse und über allem das Damoklesschwert eines möglichen Berufsverbots für den Mann in ihren Reihen. Für Renaud de Planta, seit 2019 Senior Partner von Pictet, eine neue Art von Herausforderung.
Aus dem Umfeld der Teilhaber verlautet, der Finma-Bericht sei bereits Thema an einer der allmorgendlichen Zusammenkünfte der Partner gewesen, an denen stets auch Collardi teilnimmt. Es herrsche aber «keine grosse Unruhe». Bei der Anstellung von Collardi hätten ihn die Partner auf Herz und Nieren geprüft. Auch die Finma prüfte den Wechsel und gab für die Anstellung grünes Licht. Dies obwohl bekannt war, dass Verfahren liefen – die Finma-Untersuchung war ja schon 2016 gestartet worden.
«Grosse Hürden» bezüglich Berufsverbots
Die Finma gibt auf Anfrage keinen Kommentar, doch Kenner der Abläufe bei der Aufsichtsbehörde sehen «grosse Hürden» bezüglich eines möglichen Berufsverbots. Denn für Verfahren gegen Einzelpersonen genügt es nicht, einfach als CEO eine generelle Verantwortung zu tragen, es braucht auch ein konkretes individuelles Involvement, etwa belastende E-Mails.
Sogar bei Bär selber sehen Insider für ihren Ex-Chef eher begrenzte Risiken, vor allem, weil die Verfehlungen hauptsächlich in der Lateinamerika-Sparte stattfanden und nicht in Asien, wo Collardi auch persönlich stark engagiert war. Noch vor seinem Abgang zu Pictet hat Collardi zudem die Auswechslung des Lateinamerika-Chefs angestossen, und auch das Projekt Atlas, das seit 2016 alle Bär-Kunden neu erfasst, fiel noch in seine Amtszeit.
Bargeld-Bonus ist gefährdet
Auf dem Spiel steht für Collardi allerdings ein noch nicht ausbezahlter Bargeld-Bonus. Es soll sich dabei laut Bär-Quellen um einen «tiefen einstelligen Millionenbetrag» handeln, laut Pictet-Quellen um «nicht mal ganz eine Million». Einen Grossteil seiner Ansprüche hat Collardi bereits bei seinem Wechsel zu Pictet verloren. Von seinen 260 253 Bär-Aktien im Wert von 15 Millionen Franken betraf rund ein Viertel gesperrte Performance-Ansprüche, die beim Austritt verloren gingen.
Entschädigt wurde er dafür von Pictet nicht: Das übliche System des Einbezugs neuer Partner durch Buchwerteinkauf werde selbstverständlich auch für Collardi nicht geändert, hiess es damals aus dem Kreis der Partner.