Zwischen schrill und still gibt es ein ganz normales Verhalten der Schwulen. Oft haben sie einen Arbeitsplatz gewählt, an dem sie akzeptiert sind und sich offen äussern können. Schwulsein ist und bleibt aber dennoch für viele Menschen in der Arbeitswelt ein Problem, gerade dort, wo Intoleranz und Vorurteile fundamentalistisches Verhalten fördern. Inzwischen geben nicht nur Interessengruppen, sondern auch viele Unternehmen in Leitbildern und Pensionskassenreglementen Gegensteuer.
In der Schweiz leben 360000 Schwule und Lesben, ein gemessen an der gesamten erwachsenen Bevölkerung nicht so einfach unter den Teppich zu kehrender Anteil. Dass sich in der Schweiz dennoch zwei von drei Homosexuellen diskriminiert fühlen, wie eine Untersuchung des Basler Mediziners Andrés Schneeberger ergab, war für Betroffene und Arbeitgeber ein Zeichen, dass noch viel zu tun bleibt.
Spätestens seit sich der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, vor mehr als zwei Jahren öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte, ist ein deutlicher Ruck durch die Szene gegangen. Schwule Führungskräfte vereinen sich in Klubs, Unternehmen schreiben das Pensionskassenreglement für gleichgeschlechtliche Paare neu, Schwule und Lesben formieren sich firmenintern, und die Fachgruppe Arbeitswelt der Lesbenorganisation LOS sowie die schweizerische Schwulenorganisation Pink Cross veröffentlichen am 26. November selbstbewusst die Neuauflage ihrer Studie «Queer im Job». Was 2001 noch als Broschüre daherkam, ist zu einem über 100 Seiten starken Handbuch angewachsen, das aufgeschlossene Arbeitgeber und ihre Leistungen aufzeigt.
Die Leistung zählt
Dabei gehen bei den Verantwortlichen in den Firmen die Meinungen auseinander, ob Firmenleitbilder das Thema «Diversity» in einem allgemeinen Passus ausgestalten sollen, wie das die meisten Unternehmen tun. Zum Beispiel ABB: «Wir wollen allen Beschäftigten gleiche Chancen bieten und jede Diskriminierung bei der Einstellung, Bezahlung, Ausbildung oder wegen ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung unterbinden.» Oder aber die sexuelle Orientierung ausdrücklich erwähnen sollen.
Für die Akzeptanz schwuler Führungskräfte setzt sich seit 1995 der Schweizer Klub «Network» ein. Er zählt immerhin 230 nur männliche Mitglieder; verglichen mit 800 im zwölfmal grösseren Deutschland eine grosse Zahl. Mitglieder sind Unternehmer, Freiberufliche, Intellektuelle und Künstler, und sie kommen aus Wirtschaft, Politik, Kultur, Verwaltung, Sozialwesen und Militär. Sie profitieren vom Netzwerk und dem Engagement bei Entscheidungsprozessen in Politik und Arbeitswelt.
Für den Netzwerk-Präsidenten Peter Michel ist das Thema noch nicht vom Tisch, doch habe sich die Akzeptanz sichtbar verbessert. Sein Credo: «Bei Führungskräften zählten primär die Leistung, Fach- und Sozialkompetenz, und nicht eine spezielle sexuelle Ausrichtung.» Peter Michel selbst hat weder im Beruf, beim Militär oder privaten Umfeld negative Erfahrungen gemacht. Dass er seit Jahren mit einem Mann zusammenlebt, interessiere die meisten Menschen schlichtweg nicht. Für gleiche Würde und Rechte setzen sich grosse in der Schweiz ansässige Unternehmen wie Novartis, UBS, ABB, SBB und Swiss Re ein. Daher sind dort gleichgeschlechtliche Paare heterosexuellen Partnern gleichgestellt.
Bei der ABB kann der Stiftungsrat auf schriftliches Gesuch hin Leistungen für die Lebenspartner (gemeint sind hetero- wie homosexuelle) gewähren, die der Ehegattenrente entsprechen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Der Swiss-Re-interne Gay- und Lesbian Club «Woolf 'n' Wide» mit über 40 Mitgliedern stützt sich ebenfalls auf das Pensionskassenreglement. Die Mitglieder profitieren von der im März 2002 angepassten Pensionskassenregelung, wonach gleichgeschlechtliche Paare, die fünf Jahre zusammengelebt haben, gleichzustellen sind.
Ein Gewinn für die Wirtschaft
Bei den SBB sind im Todesfall die Konkubinatspartner bezugsberechtigt. Dazu müssen die Versicherten den bezugsberechtigten Partner schriftlich nennen. Auf die Frage, ob homosexuelle Paare auch von Fahrvergünstigungen profitieren können, teilt Pressesprecher SBB Danni Härry mit, dass die SBB eine Lösung, die der speziellen Situation von homosexuellen Paaren Rechnung trägt, begrüssen. Zuständig für die Ausgestaltung ist jedoch der Verband öffentlicher Verkehr.
Dass Denkfabriken wie die Universität Zürich und die ETH den rund 100 Mitglieder umfassenden schwul-lesbischen Klub «Zart & Heftig» fördern, der «Homosexualität durchbrechen will», und damit auch die Koordinationsstelle «Homosexualität und Wissenschaft» unterstützen, könnte das künftige Klima in den Teppichetagen positiv beeinflussen, zu denen eine bestimmte Zahl Hochschulabgänger irgendwann Zutritt erhält. Alle Angehörigen von Uni und ETH können Mitglied werden, von der Sekretärin bis zum Professor; der Grossteil sind jedoch Studierende.
Hochschulabgänger werden gemäss dem deutschen Bundesverband der Gay Manager «Völklinger Kreis» vermehrt von Wirtschaftsvertretern und Headhuntern umworben. Denn hätten die Schwulen erst einmal das schwierige Coming-out überstanden, seien sie ein Gewinn für die Wirtschaft, sagen einige deutsche und US-amerikanische Headhunter und nehmen nach Aussage der ersten deutschen schwulen Unternehmensberatung («Antonius») bewusst homosexuelle Absolventen ins Visier.
In Deutschland erhielt Ford den «Max-Spohr-Managementpreis» des «Bundesverbandes schwuler Führungskräfte» für das Managementkonzept, das Minderheiten schützt und die Vielfalt der Mitarbeiter fördert. Der Ford-Konzern sieht in ihnen eine Bereicherung als «Agents of change», bereit, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Infos für Homosexuelle
Breites Kontaktnetz für Schwule und Lesben
Network Klub für schwule Manager
Mail: info@network.ch
www.network.ch
LOS Die Lesbenorganisation Schweiz
Tel. 031 382 02 22
mail: info@los.ch
Wybernet Vereinigung für lesbische Businessfrauen
www.wybernet.ch
Pink Molecules
Vereinigung von Schwulen und Lesben aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie
Adamim
Gruppe von schwulen Männern im kirchlichen Dienst
Pink City
Netzwerk für Homosexuelle in der Stadtverwaltung Zürich
www.staziun.ch/pinkcity
Pink Rail
Die rosa Gewerkschaft für homosexuelle Angestellte bei öffentlichen Verkehrsbetrieben, www.pinkrail.ch
Woolf 'n' Wilde
Klub von schwulen und lesbischen Angestellten der Swiss Re
Pink Cross
Nationales Schwulenbüro
Kontakt Fachgruppe Arbeitswelt: Tel. 078 774 29 76; arbeitswelt@bluemail.ch; www.pinkcross.ch/arbeitswelt (dort kann die neue Studie «Queer im Job» bestellt werden)
Zart & Heftig
Schwul-lesbischer Klub der Universität Zürich und der ETH
Mail: damian.fuerer@delico.ch
Diversity-Konferenz
25. Mai 2004 in Basel, «Diversity Management und sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz»; Auskunft: Network