An diese Reise erinnert sich Arnaud Bertrand gerne – obwohl sie mit einem Rückschlag begann. Er war mit seiner Freundin Junjun Chen, die er an der Hotelfachschule in Lausanne kennengelernt hatte, in Grossbritannien unterwegs. Beide wollten 2007 das Osterwochenende in Edinburgh verbringen und suchten über das Internet eine Unterkunft. «Ich tippte ‹B&B Scotland› in das Google-Fenster», erinnert sich Bertrand, «und blickte ungläubig auf den Bildschirm. Kein Treffer.»
Bertrand realisierte nach weiteren Versuchen, dass es im Gegensatz zu Hotels keine Möglichkeit gab, Ferienwohnungen oder Bed & Breakfast über das Internet zu buchen und direkt zu zahlen. «Unsere Geschäftsidee war geboren», sagt der gebürtige Franzose und zitiert Churchill: «Ein Optimist sieht in jeder Schwierigkeit eine Gelegenheit. Ein Pessimist sieht eine Schwierigkeit in jeder Gelegenheit.» Er sei von Natur aus Optimist und Unternehmer.
Nach Abschluss der Hotelfachschule gründeten er und Chen 2009 in Lausanne House Trip. Die Geschichte, die das Startup seither hinter sich hat, ist erstaunlich. Seit der Lancierung des Portals vor dreieinhalb Jahren gilt das Lausanner Unternehmen als eine jener Schweizer Firmen, die das Potenzial für einen Milliarden-Exit haben und den Vergleich mit den grossen Konzernen im Silicon Valley nicht zu scheuen brauchen.
Ehemaliger Skype-Chef als Investor
So verblüffte Bertrand die IT- und Startup-Szene kürzlich mit einem Coup. Michael van Swaaij, der ehemalige Chef von Skype und Europa-Verantwortliche von eBay, beteiligt sich als «bedeutender» Investor an House Trip und übernimmt das Verwaltungsratspräsidium. Ausschlaggebend für van Swaaijs Engagement seien das Team und vor allem die Zukunftsaussichten der Firma gewesen.
House Trip ist eines der am schnellsten wachsenden Technologieunternehmen in Europa. Beim Start vor dreieinhalb Jahren standen 200 Wohnungen und Häuser von privaten Anbietern für Vermietungen auf der Online-Plattform zur Verfügung. Heute sind es über 220'000. Die Zahl der über das Portal gebuchten Übernachtungen knackte kürzlich die 4-Millionen-Grenze.
Die Lausanner, die eine Niederlassung in London und in Lissabon haben, gelten als Pioniere in der sogenannten Share Economy. Unternehmen wie House Trip oder Spotify besitzen selber nichts, sondern bringen Menschen zusammen, die etwas teilen wollen, beispielsweise Ferienwohnungen oder Musik. Wichtigstes Gut dieser Plattformen ist die Reputation, eine übersichtliche Internetseite und eine einwandfrei funktionierende Technologie.
Für Beat Schillig, Gründer des Instituts für Jungunternehmen in St. Gallen und langjähriger Kenner der Schweizer Startup-Szene, ist die Verpflichtung van Swaaijs eine «spektakuläre Neuigkeit», die den Schweizern viel Selbstbewusstsein gebe. In den vergangenen zehn Jahren habe sich hierzulande ein starker Unternehmergeist entwickelt. «Hunderte von Startup-Gründern reisen nach Boston oder ins Silicon Valley, um sich von den grossen und erfolgreichen Vorbildern inspirieren zu lassen», so Schillig.
Renommierte Kapitalgeber
Bertrand und Chen, die beide aus Unternehmerfamilien stammen, gingen zunächst jedoch von einer falschen Annahme aus. Sie glaubten, ihre Idee sei einzigartig. Die Teilnahme am Startup-Programm Venturelab und am Venture-Kick-Wettbewerb belehrte sie eines Besseren – was sie aber nicht entmutigte. Sie passten ihr Geschäftsmodell an und gingen mit House Trip online. Kurze Zeit später lernten sie in Genf den Risikokapitalgeber Neil Rimer von Index Venture kennen, der 2,5 Millionen Franken investierte. Er hatte Skype mitfinanziert, wodurch der Kontakt zwischen House Trip und van Swaaij entstand.
Nur ein Jahr später fand Bertrand einen weiteren renommierten Geldgeber. Das US-Risikokapitalunternehmen Accel Partners, das unter anderem in Facebook, den Spieleentwickler Rovivo (Angry Birds), den Musik-Streaming-Anbieter Spotify und das Schnäppchenportal Groupon investierte, wurde auf House Trip aufmerksam. Die Amerikaner stellten 40 Millionen Dollar für die Entwicklung neuer Technologien sowie die internationale Expansion zur Verfügung. Zudem gewann Bertrand den ehemaligen Yahoo-Manager George Hadjigeorgiou als Chief Business Officer. Er übernimmt neu die Funktion des Chief Operating Officer.
Laut Schillig ist House Trip nicht das einzige Schweizer Startup, das international auf der Überholspur ist. «Es gibt zahlreiche Jungunternehmen wie GetYourGuide oder InSphero, die in ihren Nischen Weltmarktführer sind.» In den nächsten Monaten und Jahren werde es noch zahlreiche Schweizer Erfolgsstorys von Startups geben.
Bertrand lässt sich vom Hype um sein Unternehmen nicht beirren. «Junjun und ich sind jung. Wir haben die einzigartige Chance, etwas wirklich Grosses zu machen.» Dafür verzichten sie erst mal auf freie Wochenenden und Ferien.
Portale: Ferienwohnung übers Internet
Startups
Die einstigen Pioniere der Vermietung von Ferienunterkünften wie Abritel und Homelidays sind von Airbnb, House Trip, Wimdu oder 9flats.com überholt worden. Diese Webportale haben die Suche stark vereinfacht. So können Kunden auch einzelne Zimmer mieten (und nicht nur die ganze Wohnung oder das Haus), über ein Sicherheitssystem direkt zahlen und gratis inserieren. Erst bei der konkreten Buchung wird eine Vermittlungsgebühr von 15 Prozent (House Trip) erhoben.