Der Streit zwischen der US-Regierung und dem chinesischen Technologiekonzern Huawei spitzt sich weiter zu. In der vergangenen Woche hatte US-Präsident Donald Trump per Dekret den nationalen Notstand in der Telekommunikation ausgerufen und amerikanischen Unternehmen die Nutzung von Telekommunikationstechnik untersagt hat, die als Risiko für die nationale Sicherheit eingestuft sind, insbesondere von Huawei. Nun bereiten sich die Chinesen auf Gegenmassnahmen vor.
«Verrückte Entscheidung»
«Heute wendet sich der Gang des Schicksals diesem extremen und dunklen Moment zu. Die Supermacht hat das System der technischen und industriellen globalen Zusammenarbeit gnadenlos durchbrochen und die verrückte Entscheidung getroffen, Huawei ohne fundierte Grundlage auf die schwarze Liste zu setzen», schrieb die Chefin von Huaweis Chipsparte, He Tingbo, in einer Nachricht an die Mitarbeiter. He leitet die Konzerntochter HiSilicon.
Noch vor dem Wochenende hatte das US-Handelsministerium Huawei und 70 seiner Tochtergesellschaften auf die Liste der gebannten Unternehmen gesetzt. US-Firmen ist es damit untersagt, ohne Genehmigung der Regierung Geschäfte mit Huawei zu machen.
Die USA verschärfen die Gangart gegenüber Huawei. In der Schweiz bleibt der chinesische Konzern willkommen. Die Übersicht in drei Punkten.
Beobachter gehen davon aus, dass diese Genehmigungen nicht ausgestellt werden. Die US-Regierung wirft Huawei vor, mit seinen Technologien chinesische Spionageaktivitäten zu ermöglichen. Beweise wurden dafür bislang nicht offengelegt. Huawei weist diese Vorwürfe seit Jahren zurück.
«Alle Ausweichmassnahmen, die wir geplant haben, sind über Nacht zu Plan A geworden», schreibt Chip-Chefin He nun in ihrem Memo. Berichten zufolge hat sich der Konzern seit Jahren auf diesen Fall vorbereitet. Nun soll der Plan «die strategische Sicherheit der meisten Produkte des Unternehmens und die kontinuierliche Lieferung der meisten Produkte gewährleisten».
Jeder dritte Zulieferer kommt aus den USA
Huawei hat HiSilicon in den vergangenen Jahren zu einem grösseren Chipproduzenten herangezogen. Im vergangenen Jahr produzierte das Unternehmen nach Huawei-Angaben Chips im Wert von 7,5 Milliarden US-Dollar. In den Top-Smartphones des Konzerns stecken häufig die hauseigenen Chips mit der Bezeichnung Kirin.
Doch unabhängig ist Huawei deswegen noch lange nicht. Nach eigenen Angaben gab der Konzern im vergangenen Jahr elf Milliarden Dollar für Komponenten in den USA aus. Im vergangenen November veröffentlichte der Konzern zum ersten Mal eine Liste seiner wichtigsten Zulieferer. Jeder dritte kommt aus den USA, darunter sind Firmen wie Qualcomm, Nvidia, Intel und Seagate. Qualcomm macht mit Huawei etwa fünf Prozent seines Umsatzes, bei Broadcom sind es sechs Prozent.
Auch wenn Huawei einen Teil seiner Chips selbst entwickelt, werden sie zu einem grossen Teil von TSMC in Taiwan produziert. Noch ist nicht klar, ob vom US-Bann auch Zulieferer betroffen sind, die zwar ihren Sitz im Ausland haben, aber ihrerseits US-Technologie beziehen. Dazu würden Unternehmen wie TSMC, aber auch Japan Display, Sony und der Speicherhersteller Nanya Technology zählen.
Berichten zufolge hat Huawei vor sechs Monaten seinen Zulieferern die Absicht mitgeteilt, dass es einen Jahresvorrat an wichtigen Komponenten aufbauen will, um für Unsicherheiten in einem Handelskonflikt gewappnet zu sein. Darüber hinaus hat Huawei den Angaben zufolge die Zahl der Zulieferer für einzelne Komponenten erhöht, um das Risiko zu streuen.
Eigenes Betriebssystem vorbereitet
Was für Huawei auf dem Spiel stehen könnte, zeigte der Schock in der Branche, als die US-Regierung im vergangenen Jahr den Netzausrüster ZTE mit einem Zuliefererstopp belegte, weil er den Anschuldigungen zufolge die Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea verletzt hatte. Nach nur einem Monat musste ZTE mitteilen, seinen Betrieb mit 80'000 Mitarbeitern weitgehend einzustellen. Dass es ZTE heute überhaupt noch gibt, liegt an einer Einigung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Am Ende musste ZTE eine Milliardenstrafe zahlen und sämtliche Mitglieder im Verwaltungsrat auswechseln.
Huaweis Smartphone-Chef Richard Yu im vergangenen Jahr im Gespräch mit «Welt». Doch das stimmt eben nur bedingt. So läuft auf den Geräten des inzwischen zweitgrössten Smartphone-Herstellers der Welt das Android-Betriebssystem des US-Konzerns Google. Auf den Huawei-Notebooks ist das Microsoft-Betriebssystem Windows installiert. Im März offenbarte Yu gegenüber «Welt», dass der Konzern inzwischen ein eigenes Betriebssystem vorbereitet habe. «Sollte es einmal dazu kommen, dass wir diese Systeme nicht mehr nutzen können, wären wir also gewappnet.» Dies sei der Plan B.
Vorsprung von Apple und Google ist kaum aufzuholen
Bislang sind jedoch alle Smartphone-Betriebssysteme mit Ausnahme von Apples iOS und Googles Android gescheitert. Deren Vorsprung ist kaum aufholbar. Das betrifft vor allem auch die Zahl der Anwendungen in den App-Stores.
Die aktuelle Situation könnte aber in der Hinsicht ein Bumerang werden, dass Huawei und andere chinesische Hightech-Unternehmen verstärkt darauf dringen, Komponenten und Technologien im eigenen Land zu entwickeln und zu produzieren, um sich in Zukunft aus der US-Abhängigkeit zu befreien. Noch ist Huawei aber nicht so weit. Die Vorratshaltung und der Plan B dürften höchstens dabei helfen, einige Monate zu überstehen, bis sich eine politische Lösung findet.
Dieser Artikel erschien zuerst in der «Welt» unter dem Titel: «Huawei holt zum Gegenschlag gegen die USA aus».