Die Botschaft von Jean-Claude Biver lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: «Ich bin ein Gefühlsmanager. Als solcher mache ich viel mit Herz und Bauch. Das wiederum funktioniert in Konzernen weniger gut als in kleinen Strukturen». Derjenige, welcher das sagt, muss es wissen. Immerhin hat der visionäre Luxemburger die Uhrenmarke Blancpain ab 1983 aus dem Nichts zu einem Nischenprodukt mit Weltgeltung entwickelt.

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Jetzt singt er wieder - beim Auto fahren

Nach einem mehrjährigen Intermezzo in den Diensten der Swatch Group und damit der Hayeks ist Biver nun wieder in überschaubare Dimensionen zurückgekehrt. Und die heissen Hublot. Der Macher mit Emotionen ist kein anderer als Jean-Claude Biver, der seit ein paar Monaten die 1980 gegründete Uhrenmarke als CEO und Mitglied des Verwaltungsrats lenkt. Man spürt, dass der 55-Jährige diese neue Herausforderung mit dem bekannten und bewährten Charisma anpackt.

Die Freude an der neuen Aufgabe ist ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. «Vor kurzem habe ich mich im Auto selber singen gehört», bekennt Biver ohne Umschweife. «Mir ist das deswegen sofort aufgefallen, weil ich zum einen miserabel singe und weil ich das anderseits seit langer Zeit nicht mehr getan habe».

Ähnliches schon mal erlebt bei Blancpain

Hublot ist, da ist beizupflichten, für Jean-Claude Biver eine Herausforderung der besonderen Art, die irgendwie jener des zwei Jahrzehnte zurückliegenden Blancpain-Relaunchs ähnelt. Damals, als Biver lauthals das Blancpain-Credo verkündete, die Marke habe 250 Jahre lang keine Quarzuhren gebaut und sie werde das auch in Zukunft nicht tun, war der Italiener Carlo Crocco (62) mit seiner Hublot im puristischen Bullaugen-Design schon seit vier Jahren im Markt präsent... und erfolgreich.

«Crocco», so Biver, «hat zwei Materialien zusammengebracht, die in der Natur nie zusammenkommen würden. Das eine ist Gold aus den Tiefen der Erde und das andere ist Naturkautschuk vom Baum.» In alter Gewohnheit greift er sogleich zum schwarzen Filzstift, um diesen Aspekt zu illustrieren. Die Fusion funktionierte. Trefflich sogar.

In den besten Zeiten verkaufte Hublot weltweit 40000 bis 50000 Armbanduhren per annum. Davon hat sich die Marke inzwischen deutlich entfernt. Derzeit produziert Hublot in Nyon jährlich 13800 Uhren, wovon allein 7000 in Spanien ihre Käuferinnen und Käufer finden werden. 3000 gehen in die USA, 2000 nach Japan; der Rest verteilt sich auf die übrige Welt. Mit anderen Worten: Dort ist der Twen nur noch marginal präsent.

Wenn alles nach dem Vorstellungen Bivers verläuft, soll sich das innerhalb der nächsten zehn Jahre wieder gründlich ändern. «Mein Ziel ist es, den Jahresumsatz von 30 auf rund 80 Mio Fr. zu steigern. Um das zu erreichen, wollen wir das doppelte Quantum an Uhren mit einem Durchschnittspreis von 3000 Fr. verkaufen.» Vor allem in den USA, in Japan und den übrigen Ländern der Erde sieht Biver für Hublot beträchtliches Potenzial. Auf der iberischen Halbinsel scheinen die Kapazitätsgrenzen hingegen erreicht zu sein.

Der Erfolg in Spanien? Der König ist mitschuldig

Warum Spanien so erfolgreich ist, erklärt der neue Mann an der Hublot-Spitze mit zwei Sätzen: «Von Anbeginn ist dort der gleiche Agent für uns tätig. Und dann dürfen Sie die Werbewirksamkeit des spanischen Königs nicht vergessen, der sich gerne mit seiner Hublot am Handgelenk zeigt.»

Zielperspektiven sind eine, deren Erreichen eine andere Sache. Doch auch hier ist der Praktiker nicht um Lösungsansätze verlegen. «Wir müssen eine neue Philosophie besagter Fusion finden.» Dazu gehört einmal eine Modifikation der Kollektionsstruktur. «Wir müssen uns von der Dominanz der Damenuhren mit Quarzwerken verabschieden und mehr Herrenmodelle mit hochwertigeren mechanischen Uhrwerken auf den Markt bringen.» In diesem Zusammenhang arbeitet Hublot neben dem Stammlieferanten ETA auch mit Frédéric Piguet und Dubois Dépraz zusammen. «Und mit anderen Mechanik-Spezialisten möchte ich demnächst ins Gespräch kommen.»

Sehr viel weiter ist eine andere Mechanik-Vision Jean-Claude Bivers gediehen. Den von ihm angepeilten Link zwischen Tradition und Zukunft sollen neuartige Zusatzindikationen bringen, die mit Zeitanzeigen im umfassenden Sinn nichts mehr zu tun haben. Die natürlich neugierige Frage nach dem, was das sein wird, lässt Jean-Claude Biver unbeantwortet. Statt dessen stellt er eine andere Frage in den Raum: «Müssen die Brücken mechanischer Uhrwerke eigentlich immer aus Messing bestehen?» Gleichwohl dürfte es nach Jahren des gestalterischen und technischen Stillstands bei Hublot mit neuen Produkten alleine nicht getan sein.

Bleibt die Frage, wie es bei Hublot nach Jahren des Erfolgs so kommen konnte wie es heute ist, wie Jean-Claude Biver zu Carlo Crocco gefunden hat. Es gibt keinen Zweifel daran, dass sich Crocco, den Biver als Blancpain-Agent für Italien und Spanien seit den 1980er Jahren kennt, zu wenig um Hublot gekümmert hat. Biver: «Crocco hatte keinen Chef, der ihn während seiner Abwesentheit ersetzen konnte». Carlo Crocco ist ein mildtätiger Zeitgenosse, dem seine indischen Waisen-Stiftungen inzwischen fast mehr bedeuten. Alle sechs Wochen reist er nach Asien, um die von ihm geförderten Dörfer, Schulen und Kinder zu besuchen. Bei Hublot lässt er Biver schalten und walten, als ob es seine Firma wäre. Das kommt Biver sehr zu pass.

Hublot-Unterlagen lagen auf dem Tisch von Hayek

Das klingt plausibel, erklärt aber noch nicht, wie Biver und Crocco zusammen kamen. Die Lösung dieses Rätsels gestaltet sich relativ einfach: Als es in der Swatch Group um die Akquisition neuer Marken ging, hatte Biver Nick Hayek junior Hublot vorgeschlagen, später während seines Time-out bei Swatch knüpfte Biver den Kontakt. Crocco wollte Hublot aber keineswegs los werden. «Sie kommen zu einer Zeit, in der man eher ein- als verkauft», liess er Biver wissen.

Anderseits war Troubleshooter Biver Crocco als Top-Manager einer eher führungsschwachen Uhrenfirma sehr willkommen. «Crocco besass Vertrauen in meine Person. Er sah in mir Fähigkeiten, Hublot in den nächsten 20 Jahren dorthin zu bringen, wo sie in den 1980-er Jahren einmal war.» Eine echte Ehrgeiz-Mission für Biver, der es hasst, ohne eine ihn total fordernde Aufgabe zu sein. «Seit Juli geht es für mich um den Respekt, den ich mir selbst als Profi schulde und um den Respekt gegenüber Carlo Crocco, den ich auf keinen Fall enttäuschen möchte.» Wann den hehren Worten sichtbare Taten folgen werden, steht für Biver ausser Zweifel: «Im Herbst 2005, denn dann wird Hublot 25. Und diesen Geburtstag gilt es nun einmal angemessen zu zelebrieren.» Er wird sich an dieser Aussage messen lassen müssen.

Hublot-Strategie: Biver: «Spezialist im Guerilla-Marketing»

Ohne eine passende Vertriebs-, Marketing- und Kommunikationsstrategie dürfte auch ein erfahrener Uhrenmann wie Jean-Claude Biver schwerlich reüssieren. Diesbezüglich fällt das Statement knapp aus: «Jean-Claude Biver will Jean-Claude Biver exzessiv nützen, um die Dinge in Sachen Kommunikation und Motivation bei Hublot zum Besseren zu wenden. Ausserdem bin ich Spezialist im Guerilla-Marketing. Mit vergleichsweise wenigen Mitteln starte ich Offensiven, die eigentlich niemand erwartet. Und die gehen nicht nur schnell, sondern auch sehr direkt über die Bühne.»

Dass das funktioniert, hat Biver in der Vergangeneit tatsächlich nicht nur einmal bewiesen. (glb)