Als Zyniker sind sie verschrieen, als Sozialromantiker ohne Er-gebnisorientierung. Und wenn sie genüsslich den Leitspruch ihres Chefs zitieren, «die Mitarbeiter sind unsere wichtigste Ressource», haben sie wahrscheinlich nicht genau hingehört: Die Betonung liegt jeweils auf «Ressource», nicht auf «wichtig».
Auch bei den Lohnerwartungen müssen die meisten Beschäftigten mit dem Erreichten zufrieden sein. Einzig die erwähnten Schlüsselkräfte, die «High Potentials», haben Aussicht auf Lohnerhöhungen. Sie werden vom Unternehmen gehätschelt, damit sie nicht bei der nächsten Gelegenheit davonlaufen. Um sie müssen sich die Personalverantwortlichen vermehrt kümmern. Bleibt das Problem der Abgrenzung: Wo hören die geförderten Cracks auf, wo entstehen die frustgeladenen Gutqualifizierten, der «Mittelstand»? «Es sind nicht die Besten, die das Unternehmen als Erstes verlassen», sagt Martin Classen, Berater beim Beratungsunternehmen Capgemini, und zeigt damit eines der vielen Dilemmata auf, unter denen viele Personalchefs leiden.
Eine Studie von Capgemini unter deutschen, österreichischen und Schweizer Personalchefs attestiert ihnen zwar Fortschritte in der Personalarbeit, hält ihnen aber trotzdem viele Versäumnisse vor im Sinne von Problembewusstsein und möglichen Lösungen.
Die Kritik ist hart: Auch bei florierenden Unternehmen etwa «werkelten» die Personalverantwortlichen «an den falschen Baustellen», nur merke das kaum jemand: «Wo das Unternehmen gerade wieder zentraler organisiert wird, werden sie in ihren Ansätzen föderaler. Wo die Linie eine Antwort auf die demographische Zeitbombe erwartet, wird lediglich das Hochschulmarketing forciert. Wo die Führungskräfte Coaching wünschen, wird an Konzepten rund um Diversity gebastelt.»
Ein wichtiges Stichwort ist hier das mangelnde Selbstbewusstsein. Kein Wunder: Gemäss der Umfrage stehen die Zeichen weiterhin schlecht. 20% gehen für die nächsten zwei Jahre von sinkenden Personalbudgets aus, 64% von konstanten Budgets, und nur 16% rechnen mit wachsenden. Nur in 44% der Unternehmen sitzt der Personalverantwortliche in der Geschäftsleitung.
In einem Viertel der Unternehmen wird von einem «fetten» Personalbereich gesprochen, gemessen an der Betreuungsquote. Die Personalreduktionen im produktiven Bereich haben offenbar noch nicht bis in die HR-Abteilungen durchgeschlagen. Die Folge: «Bei der nächsten Kostensenkungswelle wird es sehr guter Argumente bedürfen, um eine Reduktion der HR-Mitarbeiter vermeiden zu können.» Und den Unternehmen sind Kunden wichtiger als die Mitarbeiter, wie die Studie ergab.
Was tun?
Dabei wäre gerade unter diesen Umständen mehr Selbstbewusstsein dringend nötig. «Wir sind wieder wer» muss allerdings auch mit Leistungen unterlegt werden, was angesichts der Schwammigkeit vieler Begriffe und Messgrössen vielen Personalchefs ein Hamsterrad-Gefühl vermittelt. Dennoch gibt es Trost: «Trotz starker Gegenwinde, die auch zukünftig nicht abflauen werden, kommt den Arbeitnehmern allmählich wieder eine grössere Bedeutung zu.»
Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um wieder das (verdiente) Gehör zu bekommen, ist die konsequente Verfolgung bereits gestarteter Projekte zu oft versanden sie, oder der konkrete Nutzen wird nicht überzeugend dargelegt. Zudem müssen die von Ergebniszielen geplagten Linienmanager vom Nutzen weiterer Entwicklungsmassnahmen überzeugt werden.
Mit Erstaunen nehmen andere Unternehmensteile oft zur Kenntnis, wie ausgerechnet die Experten in Sachen Mitarbeiter und Menschliches streiten, polemisch diskutieren und von Missgunst und Rachegefühlen geleitet werden. Und dabei das Wichtigste aus den Augen verlieren, so die Studie: «Die Zeichen stehen weiterhin gut für den Bedarf an Personalentwicklung. Aber leider, echte Innovation bleibt derzeit oft Fehlanzeige beim Lieblingsthema der meisten Personaler.»
Personalverantwortliche müssen ein weiteres Dilemma aushalten: Die Themenvielfalt wächst. Es soll dazugelernt werden, sie müssen sich um mehr Themen gleichzeitig kümmern. Die restriktiven Budgets lassen allerdings keine Verstärkung in einem Thema zu ohne nachteilige Konsequenzen für andere.
Sicher auf strategischem Parkett bewegen
Die Hausaufgaben lauten: Sicherstellen der Kosteneffizienz bei gleichzeitiger Verbesserung in der Qualität des Service-Portfolios, Inter- und Intranet für Personalfragen, langfristig angelegtes Fördern der High Potentials, und dafür sorgen, dass man hierarchisch nicht herabgestuft wird: «Erfolgreiche HR-Manager müssen sich auf dem Parkett der Strategiethemen ihres Unternehmens sicher bewegen.» Da kann Selbstbewusstsein nichts schaden. Gefragt sind Vordenker und Gestalter von morgen.
Die Studie: Bedeutung, Strategien, Trends
Der «HR-Barometer 2004/2006» ist eine aktuelle Studie von Capgemini, eine Dienstleisterin in den Bereichen Management- und IT-Beratung, Technologie und Outsourcing. Mittels einer Umfrage unter mehr als 1200 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde die Situation der Personalbereiche grosser Unternehmen durchleuchtet. Wie Capgemini-Projektleiter Martin Classen betont, seien die Abweichungen der Schweizer Ergebnisse vom Gesamttrend meist «nicht besonders gross» um allerdings anzufügen, dass sie «meist etwas zurückliegen».
Dabei geht es keineswegs darum, den Personalern einfach den Kopf zu waschen. Vielmehr sollen sie erfahren, wo die Schwachstellen liegen und wo sich etwas ändern muss. Das Selbstbewusstsein soll gefördert werden, es gibt Hinweise für erfolgskritische Massnahmen im Personalbereich und die Frage, bessere von schlechteren Aktionsfeldern zu unterscheiden. Die Studie ist erhältlich bei der Capgemini Schweiz AG, Zürich, Tel. 044 560 24 00, capgemini.ch. (eb)