Am Anfang stand Bradley Birkenfeld. Der UBS-Whistleblower lieferte der US-Steuerbehörde IRS im April 2007 detaillierte Informationen über Tausende Offshore-Konten der Grossbank. Der Steuerstreit mit den USA nahm seinen Anfang, die UBS entschuldigte sich öffentlich in einem denkwürdigen Hearing vor dem US-Senat und erklärte, in den USA keine grenzüberschreitenden Bank- oder Wertschriftengeschäfte mit in Amerika ansässigen Kunden mehr zu führen.
Nun, fast zehn Jahre später, neigt sich das Kapitel dem Ende zu. 80 Banken der Kategorie 2 haben sich mit dem amerikanischen Justizdepartement arrangiert. Die Bussen summieren sich auf mehr als 1,36 Milliarden Dollar.
Hyposwiss mit riesiger Busse
Als letzte der 80 Kategorie-2-Banken einigte sich die ehemalige Schweizer Hyposwiss Privatbank Zürich. Um nicht weiter strafrechtlich verfolgt zu werden, zahlt die Hyposwiss Zürich, die 2014 in die St. Galler Kantonalbank integriert wurde, eine Busse von 49,7 Millionen Dollar – nur sechs Kategorie-2-Banken haben mehr bezahlt.
Die Tochter der St. Galler Kantonalbank hat ab dem kritischen Zeitraum ab August 2008 605 Konten mit US-Bezug gehalten, wobei im Maximum Vermögen von über einer Milliarde US-Dollar verwaltet wurden, wie aus Unterlagen der US-Justiz hervorgeht.
Aktive Akquisitionsstrategie
Die hohe Strafe ergibt sich einerseits aus der Höhe der Kundenvermögen. Erschwerend kam aber auch noch hinzu, dass sich die Bankführung – um es gelinde zu sagen – äussert ungeschickt angestellt hat.
Auf 19 Seiten listet die amerikanische Behörde bis ins kleinste Detail auf, wie die Bank ab August 2008 aktiv US-Kunden akquirierte. Im August 2008 führte die Hyposwiss 247 Konten mit US-Bezug in ihren Büchern. Die dazugehörigen Vermögen beliefen sich auf 650 Millionen Dollar. Dann witterten Bankangestellte und Bankmanagement das grosse Geschäft, die Hyposwiss übernahm Kunden von der UBS und zahlte sogar noch Geld dafür, dass ehemalige UBS-Angestellte ihr steuerflüchtiges Klientel zur St. Galler Tochter trugen.
Horats Streifzug nach US-Kunden
Das US-Justizdepartment zeichnet zwei Akquisitionswellen genau nach, inklusive dem Involvement von führenden Mitgliedern bei der Hyposwiss und der St. Galler Kantonalbank. Die erste nimmt ihren Anfang im Juli 2008. Die UBS hatte sich in den USA öffentlich für ihre Fehler entschuldigt, das Geschäft mit US-Kunden wurde komplett umgebaut, eine Strafverfolgung für das frühere Fehlverhalten war ausstehend.
Kurz nach dieser Ankündigung, so schreibt das US-Justizministerium, kontaktierte der damalige Hyposwiss-CEO Theodor Horat einen Bekannten bei der UBS und sagte, dass er interessiert daran sei, Konten für jene US-Kunden zu eröffnen, mit denen die Grossbank nichts mehr zu tun haben möchte. Horat handelte, so schreibt das US-Justizministerium weiter, auf Empfehlung eines Mitglieds der Geschäftsführung.
Ein verhängnisvoller Lunch
Der UBS-Bekannte, ein nicht weiter genannter «senior UBS manager», der auch schon für den früheren UBS-Vize-Präsidenten gearbeitet haben soll, verneinte das Angebot. Daraufhin ging der Hyposwiss-Chef zwei weitere UBS-Bekannte an – im Wissen, dass beide kurz vor der Pensionierung stehen.
Am 12. August 2008 traf Horat dann einen der beiden UBS-Bekannten zum Mittagessen. Während dem Essen sprachen die beiden über das Portfolio des UBS-Managers – stolze 600'000 Millionen Franken stark –, über die bevorstehende Pensionierung im Juni 2009 und die Frage, wieviel der UBS-Banker für den Transfer seines Portfolios an die Hyposwiss erhalten sollte. Am gleichen Tag einigten sich die zwei auf einen Termin, um sich mit einem weiteren Hyposwiss-Geschäftsleitung und -Mitarbeiter zu treffen, um weitere Details zu klären.
Lukratives Geschäft
Der damalige Hyposwiss-CEO setzte anschliessend ein internes Memorandum auf. Man habe sich darauf geeinigt, dass der UBS-Mann seine amerikanischen Kunden dem Hyposwiss-Kundenberater vorstellen wird. Man werde dem UBS-Mann dafür eine Abfindung zahlen, aber erst nach der Pensionierung. Für «normale» Kunden war vorgesehen, eine Abfindung in Höhe von 0,75 Prozent der Vermögenssumme zu zahlen, für Treuhand-Konten sollte die Abfindung bei 0,5 Prozent zu stehen kommen.
Das Memorandum schliesst mit der Notiz, dass die gesamte Korrespondenz zum UBS-Mann an die private Adresse gehen soll und dass man ihn nur unter der Privatnummer per Telefon erreichen kann. Der formale Vertrag für diesen Deal wurde drei Jahre später, im Februar 2011, unterzeichnet.
Der Anfang von Peyers Deal
Der zweite Deal – nicht weniger dubios – wurde von einem leitenden Hyposwiss-Angestellten eingefädelt, der 2014 von der St. Galler Kantonalbank übernommen wurde. Am 5. August 2008 traf sich der Leiter des Hyposwiss External Asset Management (EAM) mit einem Bekannten. Der Bekannte hatte einst für die UBS als Leiter für das Geschäft in Nordamerika gearbeitet, zum Zeitpunkt im August 2008 aber nicht mehr im Sold der UBS stand. Der Ex-UBS-Mann fragte den Hyposwiss-Mitarbeiter, ob die Bank immer noch Konten mit US-Bezug eröffnen würde, denn der Ex-UBS-Mann war auf der Suche nach einem neuen Geschäftspartner. Bei drei Banken wurde er vorher schon vorstellig, alle drei sagten, sie nähmen nach dem UBS-Geständnis kein US-Geld mehr an.
Zwei Tage später, am 7. August 2008, sprach der Hyposwiss-Angestellte mit seinem Boss, dem Chef des Private Banking, um die Frage zu besprechen, ob die Bank mit dem ehemaligen UBS-Mann zusammenarbeiten wolle. Es handle sich dabei um US-Konten mit einem durchschnittlichen Vermögen von 1,5 Millionen Franken. Gesamthaft belaufe sich das Volumen auf 30 bis 50 Millionen Franken. Das Geld käme grossmehrheitlich von der UBS.
Anfängliche Absage
Der Chef des Private Banking setzte anschliessend eine kleine Notiz auf, die das Gespräch vom 7. August zusammenfasste. Die Notiz ging an ein Geschäftsleitungsmitglied und den zukünftigen CEO Siegfried Peyer, der im September 2008 Horat ablöste – Horat war der CEO, der den ersten fraglichen Deal einfädelte. Peyer sollte innert weniger Tage einen Entscheid fällen, hiess es in der Notiz, einen Entscheid, ob die Hyposwiss mit dem Ex-UBS-Mann und dessen US-Kundschaft Geschäfte machen will.
Peyer antwortete innert 15 Minuten. «Nein. Ich glaube, das Risiko-Ertrag-Verhältnis ist nicht proportional», schrieb er gemäss Unterlagen des US-Justizministeriums an das Hyposwiss-Kadermitglied. Diese Nachricht wurde mit Vermerk an den Chef des Private Banking weitergeleitet. Darin hiess es: Man wolle keine weiteren US-Kunden, der Hyposwiss-Angestellte soll seinem Ex-UBS-Mann doch bitte ausrichten, dass der Deal geplatzt sei.
Späte Zusage
Im September 2008 revidierte Peyer aber seine Meinung. Am 16. September traf sich Peyer, zusammen mit zwei weiteren Hyposwiss-Mitarbeitern, mit dem ehemaligen UBS-Mann. Dieses Treffen fand in den Räumlichkeiten der Hyposwiss statt. Am 24. September entschied die Geschäftsleitung dann einstimmig, auf den Deal einzugehen.
Als Folge gewann die Hyposwiss 77 neue Kunden mit US-Bezug, 71 kamen direkt von der UBS, 74 Konten wurden ohne ein sogenanntes «W9»-Formular eröffnet – eine Art Mini-Steuererklärung, die sicher stellen soll, dass sämtliche Gelder ordnungsgemäss beim Fiskus versteuert sind.