Willy Michel Der Firmengründer von Disetronic ist als Delegierter des Verwaltungsrats wieder operativ tätig. Michel erklärt, was zum Bruch mit CEO Thomas Meyer geführt hat und warum es dessen Funktion heute nicht mehr braucht. Das Übernahmegerücht um Maersk Medical sei von dieser selbst gestreut worden.@HZ_Autor:Interview: Markus Städeli
Innerhalb weniger Monate mussten bei Disetronic zwei Topmanager den Sessel räumen. Sie trennten sich im Februar von ihrem Spartenleiter Infusionssysteme und leiten diesen Bereich seither interimistisch. Vor kurzem musste auch noch Thomas Meyer als CEO gehen.
Willy Michel: Die beiden Fälle sind sehr unterschiedlich: Marc André Kohler war nicht lange bei uns. Thomas Meyer hingegen kenne ich seit über zehn Jahren. Bevor er CEO wurde, war er bereits mein Stellvertreter und hatte Finanzwesen und Marketing unter sich. Vor zweieinhalb Jahren hat er dann die Gesamtleitung übernommen und ich habe mich operativ komplett zurückgezogen.
Auslöser, dass Sie wieder operativ tätig wurden, war das schlechte Abschneiden der Insulin-Pumpen.
Michel: Genau. Wir haben im letzten Jahr zum ersten Mal in der Geschichte Disetronics einen Rückgang des operativen Gewinns gehabt. Verantwortlich war der Infusionsbereich. Nachdem wir mit den Verantwortlichen Gespräche geführt hatten, mussten wir im Verwaltungsrat feststellen, dass Verschiedenes falsch gelaufen ist.
Was im Detail?
Michel: Es ging um die Neueinführung eines Produktes, bei der man direkt den US-Markt in Angriff genommen hat. Wer die Medizintechnik ein bisschen kennt, weiss, dass man zuerst in einen kleinen, europäischen Testmarkt gehen sollte, damit noch Korrekturen vorgenommen werden können.
Deshalb musste Kohler gehen.
Michel: Ja, nach gegenseitigem Einverständnis: Der Verwaltungsrat, in dem ja auch Thomas Meyer ist, hat entschieden, dass wir uns von Kohler trennen und ich per interim die Verantwortung über den Infusionsbereich übernehme. Es ging primär darum, eine Analyse zu machen, was dort falsch läuft. Und ich habe einiges gesehen, das zu weiteren Problemen hätte führen können.
Dann kamen also die Meinungsverschiedenheiten mit Thomas Meyer zu Tage?
Michel: Meyer hat andere Ansichten, wie man am Markt auftreten sollte. Er wollte vielleicht zu viel innert zu kurzer Zeit erreichen. Dadurch wurden wahrscheinlich zu viele Risiken eingegangen. Bereits die Ankündigung von D-Tron erfolgte zu früh in den USA, womit man die bisherige H-Tron-Pumpe degradierte, obwohl das auch heute noch ein Rolls Royce ist. Dann gab es technische Schwierigkeiten. Glücklicherweise waren das keine sicherheitsrelevanten Probleme, aber es kostete uns sehr viel Geld. Wir mussten viele Geräte austauschen.
Wieso kam es dann zum Bruch zwischen Ihnen und Meyer?
Michel: Es wurde zu spät und dann überschiessend reagiert. So sind Ende letzten Jahres zum Beispiel die zusätzlich eingestellten Aussendienstleute wieder entlassen worden. Auch das war ein klarer Fehler eine Feuerwehrübung, die wir zu spät bemerkt haben im Verwaltungsrat. Das und andere Meinungsverschiedenheiten mit Thomas Meyer haben dazu geführt, dass er zum Schluss kam: Es ist besser, wenn wir uns trennen.
Dass Meyer gehen musste hat also nichts damit zu tun, dass Sie Ihre Prognosen von der Bilanzmedienkonferenz gefährdet sehen. Also einen 20-prozentigen Umsatz- und einen überproportionalen Gewinnanstieg?
Michel: Ich werde heute nichts über die Finanzen sagen. Wir stehen einen Monat vor den Semesterzahlen. Ich darf mich nicht dazu äussern.
Sie waren damals sehr optimistisch.
Michel: Das bin ich nach wie vor, denn der Markt wird weiterhin sehr stark wachsen. Wir hatten verschiedene Probleme, aber die waren vorübergehender Natur, wie zum Beispiel der Lantus-Effekt oder der 11. September. Grundsätzlich hat das mit der Verfassung des Gesamtmarktes aber nichts zu tun.
Reagiert Ihr Pumpengeschäft wirklich auf Ereignisse wie den 11. September oder auf eine Konjunkturabschwächung?
Michel: Wie gesagt, der Effekt war sehr kurz: In Amerika wurden zwei bis drei Monate nach dem 11. September tatsächlich weniger verkauft. Primär hatten wir aber Qualitätsprobleme, was so nicht kommuniziert wurde. Ich finde, man muss zu seinen Problemen stehen und nicht versuchen, zu viele andere Faktoren zur Erklärung beizuziehen.
Sie sind jetzt Verwaltungsratspräsident und Delegierter des Verwaltungsrats. Der Job des CEO wurde bei Disetronic abgeschafft. Das entspricht nicht gerade dem Zeitgeist.
Michel: Das stimmt nicht: Wir haben zwei Gruppen mit je einem CEO. Die beiden Sparten funktionieren komplett selbstständig voneinander und sind auch räumlich getrennt. Es gibt zwei unabhängige Leiter, und ich bin der Meinung, es braucht nicht noch einen CEO darüber.
Dann war Ihnen die bisherige Struktur mit einem Vorsitzenden der Geschäftsleitung also schon lange ein Dorn im Auge?
Michel: Nein, es hat sich halt immer mehr herauskristallisiert, dass die Entwicklung in den Sparten Infusion und Injektion auseinanderläuft.
Wie viel Freiheiten haben die CEO der Sparten Injektions- und Infusionssysteme? Werden Sie sie an der kurzen Leine halten?
Michel: Matthew Robin hat sehr viele Freiheiten. Ich kenne ihn schon seit mehreren Jahren. Der Injektionsbereich läuft sehr gut unter ihm und hat eine grosse Zukunft. Beim Infusionbereich ist es etwas anders: Der neue Leiter, Thomas Caratsch, hat ja noch nicht angefangen. Er bringt alles mit, was wir brauchen: Er hat Erfahrungen im Diabetesmarkt und der Diagnostik. Caratsch war der Leiter des Roche Instrument Centers.
Er wird also von Anfang an selbstständig agieren?
Michel: Ja.
Sie sind keine dominante Person?
Michel: Nein, überhaupt nicht. Ich habe viel zu viele Interessen, zum Beispiel im kulturellen Bereich. Ich wollte nicht zurück, aber es hat sich jetzt einfach so ergeben. Die Firma ist mir natürlich zu wichtig, als dass ich tatenlos zusehen würde, wenn gravierende Fehler gemacht werden.
Haben Sie als Firmengründer nicht eine übertriebene emotionale Beziehung zum Unternehmen Disetronic?
Michel: Natürlich liegt mir Disetronic sehr am Herzen. Aber ich kann sehr gut loslassen. Ich muss mir heute eher den Vorwurf machen, dass ich zu wenig zu Disetronic geschaut und zu spät gemerkt habe, was los ist.
Vor kurzem berichtete Reuters unter Berufung auf Ihren Chief Technology Officer, Disetronic habe ein Angebot für die dänische Maersk Medical unterbreitet. Sie dementierten sofort und sagten, dass im Frühling grundsätzlich Interesse an der Maersk bestanden habe, dass man sich damals aber nicht einigen konnte. Wie konnte es zur Informationspanne kommen?
Michel: Maersk hat das wohl selber verbreitet. Eine Dame von Reuters in Kopenhagen ich habe in der Zwischenzeit mit ihr geredet, weil ich wissen wollte, was genau passiert ist hat hierhin telefoniert, und Bruno Reihl hat eine absolut richtige Antwort gegeben: Dass wir einmal eine Offerte abgegeben haben. Mehr hat er nicht gesagt.
Maersk ist ein Medtech-Unternehmen mit sechs verschiedenen Sparten. Nur eine davon stellt Infusionssysteme her. Wieso hat Sie Maersk interessiert?
Michel: Wir beziehen seit Jahren ein wichtiges Produkt von Maersk, einen speziellen Katheter. Und nur für dieses Produkt haben wir eine Offerte abgegeben, der Rest hat uns nie interessiert. Maersk wollte die Firma aber en bloc verkaufen, und damit war die Sache für uns vom Tisch.
Wollte Maersk mit der Meldung den eigenen Marktwert heben?
Michel: Ich kann mir die Sache nicht anders erklären.
Sie planen Ihre Insulinpumpentechnologie auf neue Anwendungen auszudehnen: Bei Operationen am offenen Herzen, denn offenbar sinken die Komplikationen, wenn der Blutzuckerspiegel gesenkt wird.
Michel: Das wird ein sehr interessanter Anwendungsbereich. Bypassoperationen sind massive Eingriffe, bei denen der Körper einer grossen Stresssituation ausgesetzt wird. Man hat festgestellt, dass bei einer Senkung des Blutzuckers signifikant weniger Komplikationen eintreten und die Patienten sich auch schneller erholen. Das gilt aber nicht nur für Bypassoperationen, sondern für alle stark invasiven Eingriffe.
Wieso?
Michel: In jeder grossen Stresssituation reagiert der Körper mit einer massiven Blutzuckerausschüttung, was den Organismus enorm belastet. Mit einer Insulinpumpe kann man diese Werte auf ein normales Mass zurückführen. Es ist eigentlich erstaunlich, dass man nicht schon früher darauf gekommen ist.
Da würde sich ein riesiger Markt auftun.
Michel: Ja, und zwar nicht nur für Insulinpumpen, sondern auch für jene Firmen, die eine Technologie zur kontinuierlichen Blutzuckermessung auf den Markt bringen können. Minimed hat so ein Produkt, es ist allerdings nur bedingt einsetzbar. Wir haben vor Jahren eine Technologie gekauft, in die wir seither sehr viel Geld investiert haben. Es gibt bereits abschliessende klinische Prüfungen. Wir starten jetzt mit einer Nullserie.