Am 7. März war es genau 25 Jahre her, dass Sandoz und Ciba-Geigy zu Novartis fusionierten. In Basel schlug die Nachricht damals ein wie eine Bombe. Haben Sie die Schweizer Grossfusion in den USA damals überhaupt mitgekriegt?
Vas Narasimhan: Nein. Aber ich erinnere mich an eine Fallstudie, als ich an der Universität Harvard war, in der es um die Fusion ging. Das war mein erster Berührungspunkt mit Novartis. Die meisten Merger sind nicht erfolgreich, zeigt die Lehre. In der Fallstudie ging es darum, dass das Ökosystem der Schweiz für Innovation eine Verjüngung brauche und dass der Zusammenschluss ein Beispiel dafür war. Es wurde als Fusion mit einem grossen Potenzial gesehen. Für ein Urteil war es damals zu früh.
Hätten Sie gedacht, dass Sie 25 Jahre später CEO dieses Unternehmens sein würden und dass Sie Boston zugunsten von Basel verlassen würden? Immerhin ist Boston so etwas wie der Olymp der Biotech-Forschung.
Damals ganz sicher nicht. Auch dass ich einmal für Novartis in Basel arbeiten würde, hätte ich damals nie gedacht.
Wie sind Sie bis jetzt durch Corona gekommen? Was es hart?
Schon. Meine letzte Geschäftsreise als CEO war vor fast einem Jahr. Und viel im Homeoffice zu sein, ist nicht einfach. Aber alles in allem hat das Unternehmen die Situation sehr gut gemeistert. Wir haben 80'000 Menschen in kürzester Zeit im Homeoffice vernetzt. Wir haben im vergangenen Jahr trotz Pandemie 800 Millionen Patienten und Patientinnen mit Medikamenten versorgt und wir haben 70 Milliarden Medikamentendosen ausgeliefert. Die finanzielle Performance ist nicht spektakulär, aber solid.
Was ist Ihre grösste Sorge? Das durchzogene Ergebnis?
Die schwierigste Aufgabe ist, die Moral der Leute hochzuhalten. Sicherzustellen, dass die Leute Unterstützung erhalten und Energie haben, obwohl sie schon lange isoliert zu Hause arbeiten.
Was tun Sie dafür? Ihr Führungsstil ist «Walk the talk». Doch der Walk ist jetzt nicht möglich.
Ich nehme Kontakt auf, mache virtuelle Chats mit Teams aus allen Ländern, in denen wir tätig sind. Und ich organisiere virtuelle Kaffeepausen mit Mitarbeitenden auf allen Ebenen.
Hilft das?
Ein bisschen. Aber es ersetzt den physischen Kontakt natürlich nie. Es gibt vieles, was ein CEO online machen kann, aber ein CEO zu sein, der seine Rolle darin versteht, die Leute zu inspirieren, ist eine Herausforderung.
Sie verstehen sich als «Unboss», als Chef, der nicht von oben nach unten führt. Wie gut bewährt sich Ihre Unboss-Kultur in der Pandemie?
Das ist eine Erfolgsgeschichte. Der Wandel hin zu einer Kultur, die den Einzelnen mehr Verantwortung überträgt, hat sich durch das Homeoffice noch beschleunigt. Wir sind ja schon einen Schritt weiter: Wir wollen unseren Mitarbeitenden auch nach der Pandemie eine Wahl lassen, wie viel sie von zu Hause aus oder vor Ort arbeiten wollen. Das war ein klares Signal an die Belegschaft, dass wir es mit dem Kulturwandel ernst meinen.
Also nicht zurück zum Mikromanagement?
Wir lassen die Leute ihre Arbeit so machen, wie sie das wollen. Es war wichtig, dass wir den Kulturwandel auch in der Krise vorantreiben und uns nicht von der Angst leiten liessen. Wenn wir in dieser Zeit wieder angefangen hätten, den Mitarbeitenden Vorschriften zu machen, hätten wir an Momentum beim Kulturwandel verloren. Damit hätten wir riskiert, Erreichtes zu verlieren. Das wollten wir nicht. Der Kulturwandel geht weiter.
«Unboss ist eine Einstellung; sie beginnt damit, dass die Leute die strategischen Ziele kennen und ihre Verantwortlichkeiten.»
Vas Narasimhan, Novartis-CEO