Der Smartphone-Markt boomt nicht mehr wie in den vergangenen Jahren. Viele Menschen sind bereits versorgt und Billig-Anbieter aus China machen den Platzhirschen Samsung und Apple das Leben schwer. Stärker denn je ist gefragt, mit neuen, innovativen Produkten die Kunden anzulocken. Apple, das den Markt mit dem iPhone 2007 überhaupt erst zu einem Milliarden-Geschäft gemacht hat, ist die Innovationskraft nach dem Tod des Firmengründers Steve Jobs aber scheinbar abhandengekommen. Und Samsungs Stärke war dies noch nie. Die Südkoreaner haben die Smartphone-Krone nur übernehmen können, weil sie Experten zufolge schnell nachziehen, dann aber rasch Produkte mit sehr guter Qualität anbieten. Das reicht nun nicht mehr. Und so will der Galaxy-Hersteller erfinderischer werden und gleich die ganze Unternehmenskultur umkrempeln.

Der Elektronikkonzern stecke in einer Zwickmühle, sagt Jay Subhash, ein früherer Produktmanager, der Samsung im April verlassen hat. «Es muss unbedingt eine Kultur geschaffen werden, die für Offenheit, Kreativität und Innovation steht. Aber genau dadurch würde die größte Errungenschaft aufs Spiel gesetzt - die militärähnliche Hierarchie, die es ermöglicht, in Lichtgeschwindigkeit zu arbeiten und die Konkurrenz abzuhängen.»

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Mit alten Bräuchen brechen

Das Management betont, Mitarbeiter und ganze Teams könnten mittlerweile ein Jahr aussetzen, um Ideen und daraus neue Produkte zu entwickeln. Außerdem solle mit alten Bräuchen gebrochen werden - Mitarbeiter mehr Freiheiten und auch mehr Freizeit bekommen. An Wochenenden sind in den Büros in Seoul jetzt auch Shorts erlaubt. Die Arbeitszeiten werden zudem flexibler und Frauen können ohne Angst um Ihren Job in Mutterschutz gehen.

Lange und obligatorische Trink-Gelage - einst ganz normal in südkoreanischen Büros - gehören der Vergangenheit an. Jetzt werde nach dem Motto 1-1-9 vorgegangen, erzählt ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will: «Eine Sorte alkoholischer Getränke, an nur einem Ort und nur bis neun Uhr abends. Und die jungen Mitarbeiter werden nicht mehr zum Bleiben gezwungen.»

Gehorsam statt eigener Ideen

Samsung überprüfe seine Praktiken gerade, sagt auch Chang Sea Jin, Wirtschaftsprofessor am Koreanischen Institut für Forschung und Technologie und Autor eines Buches zur Rivalität von Samsung und Sony. «Der Konzern fragt sich: Wer bin ich? Und was sollte ich als nächstes tun?» Samsung müsse offener werden, laute die Antwort. «Den Mitarbeitern mehr Freiraum zu geben, kann zwar einen Verlust an Kontrolle bedeuten, aber langfristig profitiert das Unternehmen davon, wenn sich Talente entwickeln können.»

Insider sagen aber, es gebe nur sehr langsam Fortschritte. Es werde immer noch ein strenges Regiment geführt, mit klaren Vorgaben von oben. Samsung kämpft wie andere asiatische Firmen auch mit der allgemeinen Kultur, die noch immer stark von der Lehre und dem Moralbild des chinesischen Philosophen Konfuzius geprägt ist. Zahlreiche Samsung-Mitarbeiter sagen in Interviews, es sei schwierig, sich anders zu geben und von der Norm abzuweichen. Wer es versuche, müsse am Ende oft das Unternehmen verlassen. Shaun Cochran von der Investmentfirma CLSA Korea sieht es ähnlich: Die herrschende Kultur verlange viel Respekt für Ältere, zudem seien Hierarchien sehr wichtig. «In diesem Umfeld sind Innovationen selten. Und seinen Chef herauszufordern, ist nichts, das man einfach so tun kann.»

Junge Generation hat andere Vorstellungen

Veränderungen sind aber nötig, weil die junge Generation andere Vorstellungen hat. Hier gehe es nicht mehr nur um ein gutes Gehalt, sagen Experten. Denn einer Studie zufolge ist Samsung nach zehn Jahren an der Spitze nicht mehr der begehrteste Arbeitgeber im Land, sondern wurde gerade von Korean Air Lines abgelöst. Die hohe Arbeitsbelastung bei Samsung sei ein Hindernis, hieß es in der Studie. Die junge Generation lege mehr Wert auf eine bessere Work-Life-Balance. Trotzdem ist die Fluktuation in der Heimat noch immer sehr niedrig. Nur drei Prozent der Samsung-Beschäftigten in Südkorea wechselten im vergangenen Jahr den Job, bei den Auslandstöchtern waren es fast 17 Prozent.

(reuters/ccr)