Parviz Aghili ist dieser Tage selten im Büro. Der Chef der iranischen Middle East Bank erledigt seine Geschäfte im Taxi. Mit dem Handy am Ohr flitzt er durch die Strassen Teherans, zwischen seinem Bankhaus, der Export Development Bank und der Imam-Khomeini-Moschee.
Die drei Orte sind Symbole für die Lage des Iran nach der Unterzeichnung des Nuklear-Agreements Mitte Juli mit den USA, China, Russland und den EU-Mitgliedstaaten. Nachdem nun der US-Senat grünes Licht für den Atom-Deal zwischen den USA und Iran gab, werden internationale Finanzgeschäfte bald möglich sein. Der Handel des Iran mit der Welt blüht auf – auch wenn der Einfluss der Ayatollahs gross bleibt.
Bankgeschäfte im Jahr 2016
Es herrscht Aufbruchstimmung. Auch in der Schweiz. Brachenkenner berichten, dass UBS und Credit Suisse Kredite an iranische Firmen in Betracht ziehen, Exportgeschäfte finanzieren und Firmenübernahmen begleiten wollen.
Die Zürcher, die Genfer und die Waadtländer Kantonalbank fassen die Finanzierung des Ölhandels mit dem Iran wieder ins Auge. Und verschiedene Privatbanken ventilieren, wie sie vermögenden Iranern in Teheran ihre Anlagestrategien ans Herz legen sollen. Die Branchenkenner rechnen mit einer Intensivierung der Bankgeschäfte ab dem ersten Quartal 2016, wenn die Sanktionen von Drittstaaten wie der Schweiz gegen den Iran schrittweise aufgehoben werden und der elektronische Interbankenverkehr wieder erlaubt ist.
Geld ins Land zurückholen
Für die heimischen Banken kann der Anschluss des Iran an die Weltwirtschaft zur grössten Party seit Jahren werden. Der iranische Staat hat vor allem in China, Indien, Japan und Südkorea Vermögen im Wert von rund 100 Milliarden Franken parkiert. «Einen signifikanten Teil davon wird das Regime ins Land zurückholen und investieren», sagt Barthélemy Helg von der Investmentfirma ACL. Der Profianleger kennt Irans Finanzmarkt in- und auswendig. Aber für den anderen Teil braucht es Banken und Vermögensverwalter, die mit den iranischen Finanzinstituten und den internationalen Vereinbarungen vertraut sind.
Pascal Sprenger, Direktor für Regulatorisches für Finanzdienstleister bei der KPMG, skizziert den Markteintritt für Schweizer Banken in zwei Schritten. Zuerst bringt die allmähliche Öffnung Schweizer Industriebetriebe in den Iran. Dazu braucht es finanzierende Schweizer Banken, die über die nötige internationale Vernetzung und das Know-how verfügen. Im Iran will das Regime umgerechnet fast 500 Milliarden Franken in Öl- und Gaspipelines, Züge und erneuerbare Energien investieren. Schweizer Industriebetriebe klopfen an und suchen händeringend nach Finanzierungen, um ihre Rohrleitungen, Maschinenteile und Bahntechnologien in den Iran zu liefern. Der künftige Erfolg von iranischen wie auch Schweizer Unternehmen mit einer eventuellen Niederlassung im Iran hängt nicht nur von der Finanzierung, sondern auch vom wirtschaftlichen Umfeld ab.
Bisher machten in der Schweiz nur drei Banken in Genf Finanzierungen für den Iran: Die Banque de Commerce et de Placements in Genf, die Genfer Banque Heritage und die Hinduja Bank. Und zwar nur Finanzierungen von Gütern zu humanitären Zwecken. Zahlungen sind bis anhin fast ausnahmslos verboten.
In einem zweiten Schritt, so Sprenger, brauche es dann die Privatbanken, welche sich mit ihrer Erfahrung als internationale Vermögensverwalter um die aufstrebende Mittelschicht kümmerten.
Wie in der guten alten Zeit
Letzteres könnte für Schweizer Privatbanken allein deshalb interessant sein, weil es im Iran keine Individualbesteuerung und kaum Doppelbesteuerungsabkommen gibt. «Für Schweizer Banken wird damit ein Traum wahr», sagt ein Insider. «Das ist die Rückkehr des Private Banking wie in der guten alten Zeit.»
Damit die Schweizer Finanzinstitute das Land mit der Stärke des Swiss Banking überziehen können, müssen sie ihre Hausaufgaben machen. Geschäfte im Dollar und US-Korrespondenzkonten zugunsten iranischer Geschäftspartner bleiben auch nach der Aufhebung der Sanktionen tabu. Iranische Banken auf der Sanktionsliste des Seco sind derzeit ebenfalls noch verboten. Das betrifft immerhin die Hälfte der grössten iranischen Banken. Und nicht in Frage kommen Geschäfte mit Banken und Firmen aus dem Umfeld der iranischen Revolutionsgarde, der Terrororganisation Hisbollah und mit Personen, die auf der schwarzen Liste der USA stehen. Insider gehen aber davon aus, dass die Liste bald stark zusammengestrichen wird – auch vonseiten der USA. Eine neue Liste sei bereits parat.
Böse Erinnerungen ans Jahr 2009
Wer sich aber bis dahin nicht an die Sanktionen hält, dem könnte dasselbe passieren wie der Credit Suisse im Jahr 2009. Damals befand die US-Justiz, dass die Grossbank entgegen den internationalen Vereinbarungen von 2002 bis 2007 Dollargeschäfte mit iranischen Kunden gemacht hatte. Das brachte der Grossbank eine Busse von 536 Millionen Dollar ein.
Heute betont man bei der Credit Suisse, «als weltweit tätige Bank die nationalen und internationalen Sanktionsprogramme einzuhalten». Die Grossbank wolle daher auch nicht über mögliche Geschäftsaktivitäten im Iran spekulieren. Schweizer Banken sind trotz den lukrativen Aussichten im Iran nach aussen hin extrem vorsichtig geworden. Denn schlimmstenfalls könnte die US-Justiz den Zugang zum US-Markt verbieten.
Julius Bär verwaltet offenbar am meisten Iran-Gelder
Verleiden lassen es sich die heimischen Banken deswegen aber nicht. Dem Vernehmen nach verwaltet Julius Bär als Schweizer Bank bis heute die grössten iranischen Privatvermögen. Und zwar rund 4 Milliarden Franken von Iranern, die im Ausland leben. Und rund 1 Milliarde Franken von Iranern in der Islamischen Republik.
Die Bank will sich zur Höhe der Kundengelder nicht äussern und sagt gar: «Wir haben uns im aktuellen Sanktionsumfeld entschieden, dieses Geschäft nicht mehr zu betreiben.» Tatsächlich hat Julius Bär einigen ihrer iranischen Kunden vor etwa einem Jahr einen Brief geschickt mit der Ankündigung, die Geschäftsbeziehungen zu beenden. Und obwohl sich nun mit dem Agreement von Mitte Juli das Blatt wendet, will die Bank die Geschäftspolitik vorderhand nicht ändern. Aber sie wird «bei einer Aufhebung der Sanktionen potenzielle Geschäftsmöglichkeiten prüfen». Auch die UBS will einen Einstieg «zum gegebenen Zeitpunkt prüfen». Kurzum: Viele Schweizer Banken warten einfach nur auf den richtigen Zeitpunkt.