«Das hier ist die Teuerste»:
Gutsherr Klaus J. Jacobs auf seinem Gestüt in Newsells Park in
der Nähe von Cambridge, England.


Die Einheimischen sagen: «Wenn du die Hügel nicht siehst, dann ist es Regenwetter. Wenn du sie sehen kannst, dann beginnt es gleich zu regnen.» Triste Aussichten. Über der englischen Grafschaft Hertfordshire reissen indes eben die Wolken auf. Nicht weit weg, in einer Koppel, stehen ein Fohlen und seine Mutter starr und lassen ihr Fell von den einfallenden Sonnenstrahlen kraulen. Landschaft und Tiere leuchten hell in der klaren Luft. Weit weg schreitet ein Mann mit grossen Gummistiefeln zum Eingang eines Stalls. Und dann reicht ein anderer Mann dem Besucher die Hand. Finger drücken schnell und kräftig zu, und eine tiefe Stimme sagt: «Willkommen auf Newsells Park Stud.»

Klaus J. Jacobs begrüsst. Hereinspaziert in eines der grössten Gestüte Europas. 12 000 Acres gross, was ungefähr 550 Hektaren entspricht oder mehr als 600 Fussballfeldern Platz bieten würde. 200 Pferde sind hier ohne Probleme unterzubringen. In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts baute Sir Humphrey de Trafford die Anlage auf. Vor zwei Jahren hat Klaus Jacobs Teile davon erworben, vor einem Jahr weiteres Land hinzugefügt. Er lässt das Anwesen sanieren und in Schwung bringen. Die letzten Arbeiter ziehen ab.

Wohl vier Jahre ist es her, als Klaus Jacobs sich gesagt hat, dass er bald nichts mehr anderes als zwei Dinge tun werde: seine Johann-Jacobs-Stiftung und ein Gestüt leiten. Klaus Jacobs sagt: «Ich wollte meine Arbeit als Wirtschaftskapitän beenden und einen weiteren Lebensabschnitt einläuten. Ich habe genug Freuden und auch Schmerzen gehabt. Dann hat mein Sohn Christian meine bisherigen Geschäftsaktivitäten übernommen. Eins und eins hat so bei mir drei ergeben.»

Klaus Jacobs ist ausgestiegen. Er lebt seit Anfang dieses Jahres zusammen mit seiner Frau Renata in Newsells Park, England, zwei Autostunden von der Londoner City und eine halbe Stunde von Cambridge entfernt. Der Milliardär, dessen Vermögen die BILANZ im letzten Dezember auf drei bis vier Milliarden Franken geschätzt hat, hat sich in Küsnacht ZH abgemeldet und im Mai sein englisches Landhaus mit einigen Hundert geladenen Gästen aus der Schweizer Wirtschaft opulent eingeweiht. Er hat sein Unternehmen, die J. Jacobs Holding, dem neuen Verwaltungsratspräsidenten, seinem ältesten Sohn, übergeben. Christian Jacobs sorgt sich seither um die Geschäftspolitik beim Industrieschokolade-Hersteller Barry Callebaut, an dem die Holding 68 Prozent hält. Nach wie vor gehört der weltgrösste Personaldienstleistungskonzern, Adecco, in sein Portefeuille.

Eine gute Ausbildung ist alles
Klaus Jacobs trägt an diesem Tag auf dem Lande Bluejeans, ein gross kariertes Hemd und feine Schuhe in hellem Leder. Der Mann in den grossen Stiefeln läuft eben vorbei, Gary Coffey, Senior Stud Groom, zu gut Deutsch: Gestütsleiter. Der Rothaarige hebt die Hand zum Gruss. Der Gestütsinhaber nickt. Stille Übereinkunft. Die zwei verbindet eine Leidenschaft: Auch Klaus Jacobs liebt Pferde. Ihre Bewegung, ihre Kraft, ihre Energie. Klaus Jacobs gerät ins Schwärmen: «Ein tolles Wesen.» Er sagt: «Es ist schon richtig, im Vordergrund steht das Gestüt. All das, was Sie sehen.» Jacobs macht eine ausholende Geste. «Dahinter aber steht Wichtiges. Wichtig ist die Stiftung.» Die zwei Dinge – Gestüt und Stiftung – haben miteinander finanziell nichts zu tun. Klaus Jacobs will die Dinge ins richtige Licht rücken. Er sagt: «Die Stiftung dient den Menschen, das hier ist Landwirtschaft. Menschen und Tiere, bezeichnen Sie es ruhig als meinen Spannungsbogen.»

Wenig später, auf einer geruhsamen Fahrt auf einem Elektromobil durch das prächtige Anwesen, erzählt Klaus Jacobs von seiner Stiftung, die er 1988 gegründet hat, die nicht der Familie dient und die gemeinnützigem Tun verpflichtet ist. «Das ist kein Geschäftemachen», sagt der Gutsherr und blickt dabei ganz ernst. Seit Klaus Jacobs im letzten Oktober nach Absprache mit seiner Familie 1,4 Milliarden Franken aus seinem Vermögen eingebracht hat, ist die Stiftung in der Lage, jährlich 25 bis 30 Millionen Franken einzusetzen. In den Genuss finanzieller Unterstützungen von je zehn Millionen Franken kommen beispielsweise ein jüngst auf Anraten Jacobs’ initiiertes Center for Lifelong Learning an der Universität Bremen, in der Heimatstadt von Jacobs. Oder ein noch zu gründendes Center for Youth Development an der Universität Zürich, in der Wahlheimat von Jacobs. Die Verhandlungen mit weiteren Instituten sind im Gang. Mit welchen, will der Milliardär nicht verraten.

Lieber spricht er während der Fahrt über die Felder von den Resultaten, welche die Stiftung bisher erzielt hat. Ausgiebig. Links und rechts ziehen grün und gelb glänzende Felder vorbei. Jacobs hat in den Anfängen der Stiftung die so genannte Adoleszenz, «die faszinierende Zeit des Menschen zwischen dem 12. und dem 18. Altersjahr», untersuchen lassen. Nur wenig habe man vor zehn Jahren mit Sicherheit über die Phase der Pubertät gewusst. Jacobs hatte Fragen. «Welche Gedankengänge geistern in diesen Jahren im Kopf eines Jugendlichen herum?» Oder: «Welche physischen und chemischen Prozesse gehen vonstatten?» Oder: «Wie wichtig ist diese Entwicklung für den späteren Menschen?»

Der Gutsherr zeigt auf die Stuten, die eben erst von ihren Fohlen getrennt worden sind und neugierig herüberäugen. «Prächtig», entfährt es ihm. Klaus Jacobs biegt vom Kieselweg ab, fährt über die Wiese und sagt: «Wir haben mit unserer Stiftung dazu beigetragen, verschiedene Aspekte der Adoleszenz wissenschaftlich zu erforschen und die Erkenntnisse alsdann in die Praxis umzusetzen. Im Zuge dieser Bestrebungen sind wir auch zur Erkenntnis gelangt, dass nicht nur das Lernen in der Schule wichtig ist, sondern auch die ausserschulische Aneignung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die mit dem Begriff ‹life skills› zusammengefasst werden können.»

Die beste aller Schulen
Von der Grundlagenforschung ist es für Klaus Jacobs nur ein kurzer Pferdesprung bis zur Reform des Bildungswesens. Klaus Jacobs’ Konklusion ist eine einfache: «In der Phase der Adoleszenz finden eine Abnabelung des Jugendlichen vom Elternhaus und eine Entwicklung hin zur Schule statt, die sehr positiv sein muss. Ist sie dies nicht, so ist der Mensch gefährdet.» Sechs Kinder hat Klaus Jacobs selber. Alle seien gut geraten und beeindruckten ihn tief in ihrem Tun und Werden, sagt der 66-Jährige. Aufgewachsen ist er mit einem Bruder und mit zwei Schwestern. Er habe seine eigenen Erfahrungen im Leben gemacht.

Klaus Jacobs hält das Steuer fest in der rechten Hand. Mit der Linken weist er auf die ockerfarbenen Steine, die alle eineinhalb Meter am Wegesrand liegen. Säuberlich aufgereiht. Die Angestellten und Arbeiter auf dem Anwesen seien zu oft kreuz und quer in die Wiesen hinausgefahren, erzählt Jacobs. Die Räder hätten Rasenstücke und Dreck auf dem Geh- und Fahrweg hinterlassen. Keine Ahnung. Keine Ordnung. Mit Steinen hat er dem Tun Grenzen gesetzt. Jetzt seien alle zufrieden. Allen seien die Regeln klar.

In den letzten Jahren hat Klaus Jacobs mit Stiftungsgeldern herausfinden lassen, welche Schultypen die idealen sind. «Wir haben auf einer sachlichen Ebene Einstimmigkeit festgestellt», sagt Jacobs und zählt nüchtern die Faktoren auf, die aus einer Schule erst eine gute Schule machten. Und er fügt an: «Die Frage ist nur: Warum werden diese Erkenntnisse nicht angewendet?» Er fragt dies und hält das Elektromobil an.

Der «Pferdeflüsterer» hilft
«Chömed daher. Hui-hui-hui», ruft Klaus Jacobs sechs Stuten zu. Die zweijährigen Vollblüter heben die Köpfe und nähern sich langsam dem Zaun, an dem ihr Züchter steht. «Ladies knabbern nicht und drängen sich nicht auf», sagt Jacobs. Er kontrolliert und bestimmt, wie in dieser Pferdezucht gedeckt wird. Er will Rennpferde, englische Vollblüter, die das Zeug zum Siegen haben. Die Herausforderung besteht darin, aus zwei Rassepferden eine Nachfolge zu züchten, welche die herausragenden Eigenschaften beider Elternteile in sich vereint. Dabei lässt sich Jacobs von speziellen Computerprogrammen anleiten. Sie sind auf dem freien Markt zu haben und beinhalten die rechnerischen und terminlichen Anwendungen der bekannten Vererbungstheorien. Jacobs, so macht er in einem Zwischensatz geschwind klar, vertraut daneben sehr wohl auch auf die eigene Intuition. Und auf Berater. In der Aufzucht, in der Ausbildung kommt dem Gestütsherr der sagenumwobene «Pferdeflüsterer» Monty Roberts zu Hilfe. Der Amerikaner ist Consultant des fünfköpfigen Direktoriums.

Jacobs streicht einer Stute über die Nüstern. Er sagt: «Das ist die Teuerste, die wir haben.» Wie viel sie wert ist, will der Gutsherr nicht verraten: «Darüber spreche ich nicht.» Der Mann macht indes kein Hehl daraus: Das Ganze ist ein Geschäft. Die Pferde, die neuen Koppeln und Ställe, das Gestüt, alles. «Natürlich haben wir einen Businessplan gemacht. Er sieht vor, dass das Gestüt ab 2005 vom positiven Cashflow getragen wird», sagt Jacobs.

Jacobs kauft Pferde und erwirbt die Rechte, die seinen mit ausgewählten Pferden aus anderen Ställen zu kreuzen. Er zieht die Fohlen auf und trainiert sie nach Monty Roberts’ Rezept, ohne ihnen ihren Willen zu brechen. Und verkauft sie wieder. «Wir behalten kein einziges Ross, auch wenn der eine oder andere es nicht gerne sieht», sagt Jacobs. Und wiederholt den Satz zur Verdeutlichung, aber mit etwas mehr Schärfe und Bestimmtheit in der Stimme. Schliesslich geht es hier um Business. Drei Jahre Zeit bleiben bis zum Break-even. Ein fabelhaftes Geschäft. «Mir war es nach meinem Rückzug aus dem Unternehmen wichtig, eine weitere Aktivität zu haben, die meinen Geist aktiv hält. Das hier ist anspruchsvoll. Wie züchtet man am besten? Welches Blut passt zu welchem?» Das sind die Fragen, die ihn interessieren.

Das perfekte Geschäft
Fragen sind gut. Aber Klaus Jacobs will stets Antworten hören. Auch fernab des Gestüts. In Deutschland beispielsweise. Gerne hätte er auch vom deutschen Bundeskanzler und von dessen Arbeitsminister eine Replik vernommen. Mit ihnen hat der ehemalige Adecco-Chef unlängst über die grassierende Jugendarbeitslosigkeit in unserem nördlichen Nach- barland debattiert. Er hat das Angebot gemacht, nach einer Entschärfung der für die Teilzeitarbeitsvermittler geltenden Regelungen die Arbeitslosenquote drastisch zu senken. Er hat vorgeschlagen, das so genannte «Teilzeit- und Befristungsgesetz» für Zeitarbeitsverträge aufzuweichen.

Auf diese Weise, so Jacobs, dürften in Deutschland Leute länger als zwölf Monate auf den Gehaltslisten von Adecco stehen. Sie wären leichter vermittelbar. Ausserdem habe er die Überstundenphilosophie der Unternehmen und Gewerkschaften kritisiert – lieber einen Arbeitsplatz mehr als fünf Überstunden pro Arbeitnehmer täglich, lautet sein Credo. Er hat argumentiert, dass dies dereinst Wahlkampfthema sein werde. Arbeitsminister Walter Riester hat nur geantwortet: «Interessant.»

Nun ist es ein Wahlkampfthema, und Klaus Jacobs ist gespannt, wie das politische Rennen zwischen Kanzler (Schröder) und Kandidaten (Stoiber) bis am 22. September laufen wird. Jacobs schaut unparteiisch zu und sagt dazu: «Die Stiftung kann nicht die Rolle des Staates übernehmen und zum Beispiel Schulen betreiben. Das Zusammenbringen von unterschiedlichen Gesprächspartnern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sehen wir hingegen als unsere Hauptaufgabe an. Geht aus diesem Dialog ein Projekt hervor und geht es um die Finanzierung, dann schreiten wir zur Tat.»

Antworten sind für diesen Mann wie gute Geschäftsabschlüsse. Unbedingt anzustreben. Das wird auf dieser Fahrt über das Land des Züchters klar. Eine Auktion seiner Pferde in Lexington, Kentucky, eine Woche später wird es unterstreichen. Sechs- und siebenstellige Dollarbeträge für ein Pferd sind in diesem Geschäft keine Seltenheit. Klaus J. Jacobs ist gespannt, ob seine Zuchtbemühungen von Erfolg gekrönt sind. Er werde selber dabei sein, sagt er und fährt über die von der Abendsonne gestreichelten Hügel und Felder in Hertfordshire: «Das ist natürlich ein herrlicher Job. Sechzig Rösser auf Auktionen zu platzieren, ist lustig.»
Partner-Inhalte