Seit einem Jahr mischt die amerikanische Viking, weltweit der grösste Anbieter von Bürozubehör, den Markt in der Schweiz neu auf. Der Standort auf dem ehemaligen Gelände der Hero in Lenzburg AG könnte idealer nicht sein: Innerhalb von wenigen Stunden können die bestellten Artikel in die ganze Schweiz spediert werden. Das Versandgeschäft mit der eigenen Website vikingdirect.ch hat mit einem französischen Katalog auch die Westschweiz im Visier.
Signalwirkung für weitere Bewerber
Viking weiss im Rücken einen Milliardenkonzern (Umsatz: 11,5 Mrd Dollar) mit starken Muskeln. Das erlaubt es, mit günstigeren Preisen der Konkurrenz tüchtig einzuheizen. «Wir blicken auf ein erfolgreiches erstes Jahr zurück», zieht Landesmanager Hans Eckhard Helm Bilanz, will aber keine Umsatzzahlen verraten. Bezüglich länderspezifischen Daten herrscht bei den Amerikanern Funkstille.
Branchenkenner gehen davon aus, dass Viking im ersten Jahr einen Umsatz von 8 Mio Fr. tätigte. Das ist noch weit entfernt von jenen 75 Mio, die man innert fünf Jahren erreichen möchte. Die zweistelligen Millioneninvestitionen beweisen aber, dass Viking in der Schweiz nicht einfach einen Versuchsballon gestartet hat. Helm glaubt an eine Signalwirkung: «Durch unser Beispiel ermuntert, werden andere europäische Bewerber ebenfalls den Sprung in die Schweiz wagen.»
Als heisse Kandidaten aus Deutschland werden Status sowie Otto Office gehandelt. Auch wenn von offizieller Seite nichts bestätigt wird, so sorgen solche Spekulationen für Nervosität in der Branche. Alfred Erismann, Präsident des Papeterie-, Büro- und Schreibwarenverbandes (PBS), ist jedenfalls überzeugt: «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere Ausländer in der Schweiz Fuss fassen, auch wenn der Start von Viking harziger war, als ihn die Amerikaner sich vorgestellt haben.»
Allen bläst ein eisiger Wind ins Gesicht
Weitere Konkurrenz aus dem Ausland, das dürfte kaum nach dem Geschmack der bisherigen Anbieter sein. Diese fighten in einem klassischen Verdrängungskampf. Peter Basci von der Iba in Bolligen BE, die in der Branche bereits als eigentlicher Verlierer des Markteintritts von Viking gehandelt wurde, weil sie auf die gleichen gewerblichen Zielgruppen setzt, stellt jedoch klar: «Wir hatten wegen Viking kaum Einbussen und konnten uns besser halten als die meisten anderen.» In der Defensive sieht er viel eher die rund 500 traditionellen Papeterien, während grosse Fachmärkte und Direktversender weiter Terrain gewinnen dürften.
Im Moment bläst aber allen, auch den Gewinnern in diesem Strukturwandel, ein eisiger Wind ins Gesicht. Die Nummer eins, Büro Fürrer (Umsatz: 111 Mio Fr.), verzeichnete ein miserables erstes Halbjahr 2002 (von Mai bis Oktober) und rutschte in die roten Zahlen. VR-Präsident Marcel Queloz kommentiert nüchtern: «Jeder wegrationalisierte Büroarbeitsplatz drückt auf unseren Umsatz.» Das neue Logistikzentrum ist mangelhaft ausgelastet, und die Investitionen in den E-Commerce haben sich bislang nicht ausbezahlt. Bestenfalls wird Büro Fürrer im Mai 2003 eine schwarze Null ausweisen.
Probleme hat auch Office World, mit 13 Fachmärkten und einem Umsatz von 103 Mio Fr. (2002) inzwischen die Nummer zwei. Trotzdem will Geschäftsführer Matthias Baumann keck weiter expandieren. «Ziel ist eine nationale Abdeckung mit 20 Läden», so der Chef der Globus-Tochter, die mit weiteren Fachmärkten in England, Frankreich und Deutschland gesamthaft 450 Mio Fr. umsetzt. «Wir ziehen uns aus Deutschland wegen der aggressiven Marktsituation zurück, aber das hat keinen Einfluss auf die anderen Länder», sagt Baumann. Office World will weiter wachsen. In diesem Jahr sollen ein bis zwei neue Office-World-Märkte ihre Pforten öffnen.
Der Markt schrumpft und schrumpft
Der Konkurrenz bleibt ob solcher Gelüste nur das Staunen, zumal der auf 1,5 Mrd Fr. geschätzte Gesamtmarkt deutlich geschrumpft ist. Eine Trendwende ist für 2003 nicht in Sicht. Hans Lercher, Marketingleiter beim Grossisten Waser & Co. in Volketswil, stellt klar: «Es gibt wohl im Moment in unserer Branche keinen, der im Plus liegt.» Er verweist auf Holland, wo nach dem Markteintritt von Viking auf einen Schlag ein Drittel der Papeterien wegrasiert worden sind. Der Schweiz könnte jetzt eine ähnliche Bereinigung drohen.
Claude M. Ackermann, Marketingchef bei der Einkaufsgenossenschaft PEG, ist optimistischer: «Der Papeterist hat durchaus eine Chance; er muss sich aber aufs Beraten und Verkaufen konzentrieren und den ganzen Back-Office-Bereich an den Grossisten delegieren.» Die PEG kooperiert beim Einkauf mit 14 weiteren europäischen Grossisten. Davon sollen die Papeteristen profitieren können, denn der Verdrängungskampf dürfte über die Preise entschieden werden. Da hat, wie Ackermann einräumt, «Viking die Sensibilität nochmals verschärft».
Alles Büro oder was
Wie komplex die Konkurrenz in der PBS-Branche ist, muss auch Daniel Heller vom Marktforscher AC Nielsen zur Kenntnis nehmen. Er versucht, ein PBS-Panel aufzubauen, was viel Akribie erfordert. Nebst den Spezialisten, die grössere Firmen direkt beliefern, sind fast alle im Non-Food-Geschäft Engagierten bis zu den Tankstellenshops und Kiosken unter die Lupe zu nehmen. Alle haben sie irgendwelche Büroartikel in den Regalen, ob simples Bleistift oder teure Druckerpatrone.
Klar ist: Zu den grössten Akteuren gehören auch Migros, Coop und Manor. Eine eigentliche Umsatzhitparade, die auf einem sauberen Vergleich beruhte, ist aber in der PBS-Branche bisher nicht vorhanden. «Wir zerbrechen uns den Kopf, wie wir diesen Markt eingrenzen sollen», gibt Heller zu bedenken. Selbstverständlich gehört dazu Computer- und Kopierzubehör, das ein Drittel des gesamten Umsatzes ausmachen dürfte. Umstritten ist aber, ob allenfalls auch Bürostühle, Putzmittel und Getränke in einer PBS-Statistik etwas zu suchen haben. Mangels verbindlicher Kriterien hat AC Nielsen einen pragmatischen Ansatz gewählt. «Wir schauen einfach mal, was bei Branchenführer Büro Fürrer im Katalog steht», so Heller. Da wird auf 420 Seiten alles angeboten, was im Büroalltag gebraucht wird, vom Notizblock bis zur WC-Rolle und Kaffeemaschine. Mit solcher Sortimentsausweitung hofft Büro Fürrer, das schrumpfende Kerngeschäft neu beflügeln und der lahmen Konjunktur trotzen zu können.