Wo Zürich West am lärmigsten ist: Von oben weben die Verkehrsgeräusche der Hardbrücke einen dröhnenden Lärmteppich; links die Gleise der quietschenden S-Bahn, rechts ein Fabrikgebäude mit schnaubenden Abluftrohren. Da steht das Verwaltungsgebäude der einstigen «Zahnrädli Maag». Die hohen Räume im Erdgeschoss gemahnen an das verflossene Industriezeitalter.
Das traditionsreiche Unternehmen Maag, das ehedem bis nach Amerika reichte, heruntergewirtschaftet, in Einzelstücke aufgebrochen, zu Geld gemacht. Seit 1998 beschäftigt sich Maag nur noch mit dem Kauf und Verkauf sowie der Bewirtschaftung und der Entwicklung von kommerziell genutzten Liegenschaften. Und ist dabei um einiges erfolgreicher als im letzten Jahrhundert beim Geschäften mit Zahnrädern, Getrieben und Pumpen.
Herzstück ist das alte Maag-Areal, das sich hinter dem Verwaltungsgebäude auf gegen 40 000 Quadratmetern ausdehnt, und das mitten in Zürichs Trendkreis. «Bei uns ist jeder Quadratmeter ausgemietet, Interessenten müssen wir auf eine Warteliste setzen», meint ein sichtlich zufriedener Samuel Gartmann, VR-Präsident und CEO der Maag Holding. Dennoch scheinen die Tage der Mieter gezählt: Auf dem durch die Zusammenführung diverser Parzellen auf 125 000 Quadratmeter angewachsenen Besitz soll unter Federführung der Maag in zwei Jahren mit der ersten Etappe eines rund 900 Millionen Franken teuren Projekts begonnen werden – falls bis dann die Finanzierung steht.
«Wir wollen zur klaren Nummer eins der kotierten Immobilienunternehmen heranwachsen», liess sich vor drei Jahren Samuel Gartmann selbstbewusst vernehmen, gerade mit Blick auf das Maag-Areal. Zudem wurde, um dieses Ziel zu erreichen, nicht gekleckert: Im Herbst 1999 erwarb Maag von der UBS für 872 Millionen Franken 87 Liegenschaften. Dadurch wuchs das Portefeuille auf über 1,1 Milliarden Franken. Und wie tönt es nun aus Gartmanns Mund? «Wir sind bescheidener geworden und wollen nur noch eine der führenden Firmen sein.»
Das Zurückbuchstabieren des Maag-Chefs kommt nicht von ungefähr. Denn in einer Branche, in der sich jahrzehntelang eine Hand voll Immobilienunternehmen kaum einmal in die Quere gekommen waren, ist urplötzlich starke und vor allem zahlreiche Konkurrenz aufgetaucht. Allein seit 1998 wurden fünf neue Gesellschaften gegründet und vier gestandene Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen in Immobilienfirmen ungewandelt.
Die Immobilienaktien führten einst ein Mauerblümchendasein an der Börse. Nun ist ihre Zahl auf ein knappes Dutzend angeschwollen, in nicht so fernen Tagen werden ebenso die A&A Liegenschaften, die Mobimo und die Swissville ihre Titel kotieren lassen. Bis dahin sind sogar weitere Neugründungen nicht auszuschliessen. Die frische Dynamik hat die Schweizer Börse dazu bewogen, ein eigenes Segment für den Handel mit Aktien von Immobiliengesellschaften zu schaffen. Und die Branche trägt ihr neues Selbstwertgefühl zur Schau. «Diese Immobilie gibts auch als Aktie», wirbt die Swiss Prime Site einprägsam in grossen Lettern an einem Umbau in Zug.
Trotzdem vermochten die Immobilienaktien ihr Image als graue Mäuschen unter den Schweizer Dividendenpapieren nicht abzuschütteln. Anlagen in Ziegelsteine, Beton und Boden gelten auch in der Nachära der Dotcom-Euphorie als wenig sexy; der unspektakuläre, wenn auch solide Ertragsverlauf lässt gar nicht erst Kursfantasie aufkommen. Das Resultat: Die Handelsvolumen am Aktienmarkt sind dünn, viele Titel notieren unter ihrem Buchwert. Ein schwacher Trost, dass das Gros der europäischen Immobilienaktien ebenso mit einem Abschlag gestraft wird.
Das höchste Hindernis auf dem Weg zu mehr Akzeptanz seitens der Investoren bildet die Grösse der Gesellschaften. Trotz der Flut neuer Immobilienfirmen und voluminöser Einkäufe ganzer Liegenschaftenportfolios über die letzten zwei Jahre halten die Grossgrundbesitzer unter den Beteiligungsfirmen Immobilien für gerade mal ein gutes Dutzend Milliarden Franken. Gemessen an den auf 2500 Milliarden veranschlagten Liegenschaftenwerten in der ganzen Schweiz, entfällt also gerade ein halbes Prozent auf die bedeutendsten Immobilienunternehmen – ein lächerlicher Wert.
Dementsprechend spindeldürr nehmen sich die Börsenkapitalisierungen der verschiedenen Firmen aus. Wird Jelmoli ausgeklammert – das Unternehmen erwirtschaftet zwar gegen zwei Drittel des Betriebsgewinns im Liegenschaftengeschäft, ist aber auch im Detailhandel verankert –, bringen acht Betriebe einen Börsenwert von insgesamt 5,1 Milliarden auf die Waage. Im Durchschnitt sind das pro Gesellschaft bloss 640 Millionen Franken, viel zu wenig, um betuchte Institutionelle zu einem Engagement zu bewegen. Sogar bei PSP Swiss Property, mit 1,2 Milliarden immerhin höchstkapitalisierter Wert, würde der Einstieg einer kapitalkräftigen Pensionskasse schwerste Kursverzerrungen nach sich ziehen.
Die für Grossanleger unerquickliche Marktsituation wird noch durch den bei Immobilienanlagen langfristigen Zeithorizont verschärft. Dadurch gelangt im Vergleich zu Unternehmen aus anderen Wirtschaftssparten noch weniger Material in den Handel; die auch so schon geringe Liquidität wird zusätzlich ausgedünnt.
Erst recht nichts wissen wollen Institutionelle von Intershop, einer der ältesten Immobiliengesellschaften. An Intershop, einem klassischen Projektentwickler, spezialisiert auf das Aufspüren unterbewerteter Objekte, hält der Mehrheitsaktionär BZ-Gruppe gleich 86 Prozent der Aktien. Also sind gerade mal 14 Prozent oder rund 150 000 Inhaberaktien im Markt. «Aus diesem Grund zählen wir kaum einmal Institutionelle zu unseren Aktionären. Die Tranche des flottanten Materials ist denen zu klein», erläutert Christoph Caviezel, Vorsitzender der Intershop-Geschäftsleitung. Das immer wieder herumgereichte Gerücht, wonach die BZ für Intershop ein Going-private anstrebe, mag Caviezel nicht bestätigen.
Nicht dass Institutionelle sich bei Immobilienunternehmen völlig abstinent verhielten; gerade kleinere Pensionskassen wissen die indirekten Anlagemöglichkeiten, die Immobilienaktien und -fonds bieten, zu schätzen. Doch wenn schon die Namen mächtiger Institutioneller im Aktionariat einer Immobiliengesellschaft auftauchen, sind andere Gründe als reine Investments ausschlaggebend. Beispielsweise bei PSP Swiss Property: Das 1999 gegründete Unternehmen ist durch die Ausgliederung von Geschäftsliegenschaften aus der Zurich Financial Services entstanden, das Finanzhaus ist bis heute Hauptaktionär.
Oder Swiss Prime Site: Da halten die Gründer, die Pensionskasse der CS Group und die «Winterthur» Leben, je 21,5 Prozent, Tendenz sinkend. Nach der nächsten Kapitalerhöhung, die der Swiss-Prime-Site-CEO Markus Graf in den kommenden sechs Monaten durchzuziehen gedenkt, fällt deren Anteil auf je 15 Prozent. Ob der Ausstieg auf Raten der beiden Institutionellen, die einst lediglich Kapital, aber keine eigenen Liegenschaften eingebracht haben, sich bei den übrigen Aktionären vertrauensfördernd auswirkt, bleibe dahingestellt.
«Die meisten Immobilienfirmen sind zu klein, um den Institutionellen attraktiv zu erscheinen», lautet der Befund von Fritz Jörg, CEO der PSP Swiss Property Group. Wurde vor wenigen Jahren bei einem Immobilienportefeuille noch eine Mindestgrösse von einer Milliarde Franken eingesetzt, sind es inzwischen gut drei Milliarden. Nicht selten werden sogar fünf Milliarden Franken als erforderliches Mass bezeichnet, um auch bei ausländischem Grosskapital wahrgenommen zu werden – Ex-Roche-Finanzchef Henri B. Meier, neuerdings Verwaltungsrat bei der Immobiliengruppe Züblin, spricht sogar von zehn Milliarden! Von solchen Gewichtsklassen allerdings sind schweizerische Immobilienbetriebe Lichtjahre entfernt.
Bei manchem Mitspieler ist denn auch Expansion angesagt. Laut einer BILANZ-Umfrage bei den in der Tabelle «Grossgrundbesitzer» aufgeführten Firmen soll sich der Immobilienwert mittelfristig weit mehr als verdoppeln. Nur lässt sich Wachstum gerade in diesem Wirtschaftssektor nicht so ohne weiteres bewerkstelligen. Der Einkauf von Liegenschaften bedingt neues Kapital, und dieses ist in den gegenwärtig turbulenten Börsenzeiten nur schwer über Kapitalerhöhungen hereinzuholen. Die Privatanleger jedenfalls zeigen sich zurückhaltend, Institutionelle wiederum steigen nur ein, wenn das Immobilienportfolio eine bestimmte Grösse erreicht hat. Ein Teufelskreis.
Und ist einmal ausreichend Kapital vorhanden, fangen die Probleme erst recht an. Denn das Angebot an attraktiven Immobilien wird immer knapper. Allein in den vergangenen 18 Monaten wechselten vor allem kommerziell genutzte Liegenschaften im Wert von über fünf Milliarden Franken die Besitzer.
«Inzwischen sind eindeutig weniger gute Immobilien im Angebot, denn die Interessenten haben etwa dieselben Objekte im Visier», bilanziert Thomas Kurer, Vorsitzender der Geschäftleitung der A&A Liegenschaften. «Für Topstandorte in Zürich, Basel und Bern bieten wir oft schon gar nicht mehr mit. Da sind die Preise auf und davon, eine anständige Rendite ist kaum noch zu erreichen», mokiert sich Samuel Gartmann. Der Maag-Mann sieht gar wieder Preisexzesse aufziehen, wie sie in den späten Achtzigerjahren das Ende der Immobilienhausse eingeläutet haben: «Heute schlägt man sich wieder um Liegenschaften. Die Interessenten bieten sich gegenseitig hoch, schliesslich wird nicht selten zu viel bezahlt.»
Immer wieder als Negativbeispiel angeführt wird der Verkauf der Swisscom-Immobilien an Swiss Prime Site im Umfang von 706 Millionen Franken. Da habe Swiss Prime Site in der Hitze des Gefechts etwa 200 Millionen zu viel bezahlt, wollen Mitbewerber wissen. «Wenn die Konkurrenz nicht zum Zuge gekommen ist, werden schnell einmal solche Behauptungen aufgestellt», wehrt sich der angegriffene CEO Markus Graf. «Hätten wir wirklich zu viel bezahlt, könnten wir keine guten Zahlen mehr ausweisen. Dann wollte ich nicht in meiner eigenen Haut stecken.»
Ob sich hinter diesen Gerüchten Neid oder ein Körnchen Wahrheit verbirgt, wird sich wohl nie herausstellen. Doch die Episode führt vor Augen, wie blank die Nerven bei manchen Immobilienfirmen liegen. Der Anspruch, in einem ausgetrockneten Markt mit wenig Kapital massiv wachsen zu müssen, um nicht in der Masse unbedeutender Unternehmen unterzugehen, sorgt da und dort für eine Überproduktion an Magensäure. Jeder beobachtet jeden, damit ja kein Deal verpasst wird.
Überraschungen bleiben dennoch nicht aus. So vor wenigen Wochen, als die in der Öffentlichkeit praktisch unbekannte Swissville einen Coup der Sonderklasse landen konnte, der die Branche in helle Aufregung versetzte: Die Tochterfirma der Rentenanstalt / Swiss Life erwarb die 39 Liegenschaften der Oscar Weber Holding (OWH), alles Objekte an erstklassigen Zentrumslagen; wichtigster Mieter ist die Epa, die vorher aus der OWH herausgelöst worden war. Angeblich wurde Swissville von einem Aktionär aus dem Kreis der ehemaligen Besitzerfamilien Weber, Stöckli und Buhofer – diese sind seit langem in der BILANZ-Liste der 300 reichsten Schweizer vertreten – kontaktiert. Mehr lässt sich Swissville-CEO Ernst Schaufelberger nicht entlocken. Auch zum Kaufpreis will sich der einstige Manager des Immobilienfonds UBS Sima partout nicht äussern.
Bekannt ist dafür, dass die erst ein Jahr alte Swissville mit dieser Handänderung den Wert ihres Immobilienbestandes von knapp einer auf über zwei Milliarden Franken hievte. Wie aus dem Nichts hat sich das Jungunternehmen damit an die Spitze aller Immobiliengesellschaften gesetzt. Und ist immer noch nicht satt. «Wir wollen nicht um jeden Preis wachsen. Wachstum vor Rendite zu setzen, kann gefährlich sein», gibt Schaufelberger zwar zu bedenken. Doch er lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass die in Zug domizilierte Firma, für die man sich zu gegebener Zeit eine Privatplatzierung oder ein Going-public überlegt, unverändert auf Wachstumskurs steuert.
Das versucht die Konkurrenz auch. Nötigenfalls mit der Brechstange. «In unserer Branche erwarte ich eine Fusionswelle, die noch in diesem Jahr einsetzen und sich bis ins Jahr 2002 hineinziehen wird», ist Fritz Jörg von der PSP Swiss Property Group überzeugt. Dieselbe Meinung vertritt Maag-Lenker Samuel Gartmann: «Über die nächsten 18 Monate wird eine Konsolidierung einsetzen. Es braucht nur einen Anstoss, damit der Damm bricht.»
Vor einem halben Jahr wäre der Damm beinahe gebrochen. Damals gaben Swiss Prime Site und die aus dem Verkauf des Biergeschäfts an Carlsberg entstandene Immobiliengesellschaft Feldschlösschen-Hürlimann, inzwischen in REG Real Estate Group umfirmiert, überraschend Heiratsabsichten bekannt. Daraus wäre mit einem Liegenschaftenbestand von 2,6 Milliarden Franken die grösste kotierte Schweizer Immobiliengesellschaft hervorgegangen. «Das wäre ein guter Deal geworden», blickt Markus Graf von der Swiss Prime Site wehmütig zurück. Aber eben, zweimal «wäre»: Unter der Führung einer oppositionellen Gruppe um den Financier Marc Rich liessen die REG-Aktionäre mit dem Argument, die Immobilien seien mehr wert als die in den Fusionsverhandlungen festgelegten 1044 Millionen, die Verlobung platzen. Seither ist es um die REG ruhig geworden.
Nun ist die Jagd wieder offen. Im Zentrum der Begierden steht abermals die REG. «Die Real Estate Group würde gut zu uns passen, die halten die besten Immobilien von allen Liegenschaftenfirmen», schwärmt Alfred Meili, VR-Präsident der Immobilien-Managementgesellschaft Mobimo Holding. Doch da wollen auch noch andere ein paar Takte mitreden. «Wir müssen uns nicht in die Arme eines Konkurrenten flüchten. Allerdings wurden wir auch schon als möglicher Partner der REG erwähnt», äussert sich vorsichtig Hans Engel, Geschäftsleitungsmitglied der Allreal Holding. Die in den Bereichen Immobilienbeteiligungen, Generalunternehmung und Liegenschaftenentwicklung aktive, von der Bank Vontobel ins Leben gerufene Allreal übernahm 1999 den Immobilienbereich der damaligen Oerlikon-Bührle.
Andere Firmen aber wollen auch nicht abseits stehen. Sogar bei Jelmoli, wo sich bei den ambitiösen Entwicklungsprojekten wie dem Genfer Stadion und Geschäftszentrum La Praille oder dem St.-Galler Stadionprojekt zuerst einiges konkretisieren müsste, macht man sich Gedanken: «Am ehesten würde wohl REG zu uns passen», meint Peter Leumann. Auf die Frage, ob Gespräche geführt würden, lacht der Jelmoli-CEO lauthals auf. «Gäbe ich eine Antwort, müsste ich entweder lügen, oder ich käme wegen der Insiderbestimmung ins Gefängnis.»
Nicht nur um die REG ranken sich Übernahmegerüchte. Fast alle Fusionskombinationen sind denkbar. «In diesem Geschäft spricht momentan jeder mit jedem, und nicht nur über das Wetter. Offiziell aber will niemand etwas wissen», erläutert der auf Anonymität beharrende Topmanager einer mittelgrossen Immobilienfirma. Wer weiss, vielleicht bringt ja das zu erwartende Übernahmegerangel endlich etwas Leben in die Immobilienaktien.
Das traditionsreiche Unternehmen Maag, das ehedem bis nach Amerika reichte, heruntergewirtschaftet, in Einzelstücke aufgebrochen, zu Geld gemacht. Seit 1998 beschäftigt sich Maag nur noch mit dem Kauf und Verkauf sowie der Bewirtschaftung und der Entwicklung von kommerziell genutzten Liegenschaften. Und ist dabei um einiges erfolgreicher als im letzten Jahrhundert beim Geschäften mit Zahnrädern, Getrieben und Pumpen.
Herzstück ist das alte Maag-Areal, das sich hinter dem Verwaltungsgebäude auf gegen 40 000 Quadratmetern ausdehnt, und das mitten in Zürichs Trendkreis. «Bei uns ist jeder Quadratmeter ausgemietet, Interessenten müssen wir auf eine Warteliste setzen», meint ein sichtlich zufriedener Samuel Gartmann, VR-Präsident und CEO der Maag Holding. Dennoch scheinen die Tage der Mieter gezählt: Auf dem durch die Zusammenführung diverser Parzellen auf 125 000 Quadratmeter angewachsenen Besitz soll unter Federführung der Maag in zwei Jahren mit der ersten Etappe eines rund 900 Millionen Franken teuren Projekts begonnen werden – falls bis dann die Finanzierung steht.
«Wir wollen zur klaren Nummer eins der kotierten Immobilienunternehmen heranwachsen», liess sich vor drei Jahren Samuel Gartmann selbstbewusst vernehmen, gerade mit Blick auf das Maag-Areal. Zudem wurde, um dieses Ziel zu erreichen, nicht gekleckert: Im Herbst 1999 erwarb Maag von der UBS für 872 Millionen Franken 87 Liegenschaften. Dadurch wuchs das Portefeuille auf über 1,1 Milliarden Franken. Und wie tönt es nun aus Gartmanns Mund? «Wir sind bescheidener geworden und wollen nur noch eine der führenden Firmen sein.»
Das Zurückbuchstabieren des Maag-Chefs kommt nicht von ungefähr. Denn in einer Branche, in der sich jahrzehntelang eine Hand voll Immobilienunternehmen kaum einmal in die Quere gekommen waren, ist urplötzlich starke und vor allem zahlreiche Konkurrenz aufgetaucht. Allein seit 1998 wurden fünf neue Gesellschaften gegründet und vier gestandene Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen in Immobilienfirmen ungewandelt.
Die Immobilienaktien führten einst ein Mauerblümchendasein an der Börse. Nun ist ihre Zahl auf ein knappes Dutzend angeschwollen, in nicht so fernen Tagen werden ebenso die A&A Liegenschaften, die Mobimo und die Swissville ihre Titel kotieren lassen. Bis dahin sind sogar weitere Neugründungen nicht auszuschliessen. Die frische Dynamik hat die Schweizer Börse dazu bewogen, ein eigenes Segment für den Handel mit Aktien von Immobiliengesellschaften zu schaffen. Und die Branche trägt ihr neues Selbstwertgefühl zur Schau. «Diese Immobilie gibts auch als Aktie», wirbt die Swiss Prime Site einprägsam in grossen Lettern an einem Umbau in Zug.
Trotzdem vermochten die Immobilienaktien ihr Image als graue Mäuschen unter den Schweizer Dividendenpapieren nicht abzuschütteln. Anlagen in Ziegelsteine, Beton und Boden gelten auch in der Nachära der Dotcom-Euphorie als wenig sexy; der unspektakuläre, wenn auch solide Ertragsverlauf lässt gar nicht erst Kursfantasie aufkommen. Das Resultat: Die Handelsvolumen am Aktienmarkt sind dünn, viele Titel notieren unter ihrem Buchwert. Ein schwacher Trost, dass das Gros der europäischen Immobilienaktien ebenso mit einem Abschlag gestraft wird.
Das höchste Hindernis auf dem Weg zu mehr Akzeptanz seitens der Investoren bildet die Grösse der Gesellschaften. Trotz der Flut neuer Immobilienfirmen und voluminöser Einkäufe ganzer Liegenschaftenportfolios über die letzten zwei Jahre halten die Grossgrundbesitzer unter den Beteiligungsfirmen Immobilien für gerade mal ein gutes Dutzend Milliarden Franken. Gemessen an den auf 2500 Milliarden veranschlagten Liegenschaftenwerten in der ganzen Schweiz, entfällt also gerade ein halbes Prozent auf die bedeutendsten Immobilienunternehmen – ein lächerlicher Wert.
Dementsprechend spindeldürr nehmen sich die Börsenkapitalisierungen der verschiedenen Firmen aus. Wird Jelmoli ausgeklammert – das Unternehmen erwirtschaftet zwar gegen zwei Drittel des Betriebsgewinns im Liegenschaftengeschäft, ist aber auch im Detailhandel verankert –, bringen acht Betriebe einen Börsenwert von insgesamt 5,1 Milliarden auf die Waage. Im Durchschnitt sind das pro Gesellschaft bloss 640 Millionen Franken, viel zu wenig, um betuchte Institutionelle zu einem Engagement zu bewegen. Sogar bei PSP Swiss Property, mit 1,2 Milliarden immerhin höchstkapitalisierter Wert, würde der Einstieg einer kapitalkräftigen Pensionskasse schwerste Kursverzerrungen nach sich ziehen.
Die für Grossanleger unerquickliche Marktsituation wird noch durch den bei Immobilienanlagen langfristigen Zeithorizont verschärft. Dadurch gelangt im Vergleich zu Unternehmen aus anderen Wirtschaftssparten noch weniger Material in den Handel; die auch so schon geringe Liquidität wird zusätzlich ausgedünnt.
Erst recht nichts wissen wollen Institutionelle von Intershop, einer der ältesten Immobiliengesellschaften. An Intershop, einem klassischen Projektentwickler, spezialisiert auf das Aufspüren unterbewerteter Objekte, hält der Mehrheitsaktionär BZ-Gruppe gleich 86 Prozent der Aktien. Also sind gerade mal 14 Prozent oder rund 150 000 Inhaberaktien im Markt. «Aus diesem Grund zählen wir kaum einmal Institutionelle zu unseren Aktionären. Die Tranche des flottanten Materials ist denen zu klein», erläutert Christoph Caviezel, Vorsitzender der Intershop-Geschäftsleitung. Das immer wieder herumgereichte Gerücht, wonach die BZ für Intershop ein Going-private anstrebe, mag Caviezel nicht bestätigen.
Nicht dass Institutionelle sich bei Immobilienunternehmen völlig abstinent verhielten; gerade kleinere Pensionskassen wissen die indirekten Anlagemöglichkeiten, die Immobilienaktien und -fonds bieten, zu schätzen. Doch wenn schon die Namen mächtiger Institutioneller im Aktionariat einer Immobiliengesellschaft auftauchen, sind andere Gründe als reine Investments ausschlaggebend. Beispielsweise bei PSP Swiss Property: Das 1999 gegründete Unternehmen ist durch die Ausgliederung von Geschäftsliegenschaften aus der Zurich Financial Services entstanden, das Finanzhaus ist bis heute Hauptaktionär.
Oder Swiss Prime Site: Da halten die Gründer, die Pensionskasse der CS Group und die «Winterthur» Leben, je 21,5 Prozent, Tendenz sinkend. Nach der nächsten Kapitalerhöhung, die der Swiss-Prime-Site-CEO Markus Graf in den kommenden sechs Monaten durchzuziehen gedenkt, fällt deren Anteil auf je 15 Prozent. Ob der Ausstieg auf Raten der beiden Institutionellen, die einst lediglich Kapital, aber keine eigenen Liegenschaften eingebracht haben, sich bei den übrigen Aktionären vertrauensfördernd auswirkt, bleibe dahingestellt.
«Die meisten Immobilienfirmen sind zu klein, um den Institutionellen attraktiv zu erscheinen», lautet der Befund von Fritz Jörg, CEO der PSP Swiss Property Group. Wurde vor wenigen Jahren bei einem Immobilienportefeuille noch eine Mindestgrösse von einer Milliarde Franken eingesetzt, sind es inzwischen gut drei Milliarden. Nicht selten werden sogar fünf Milliarden Franken als erforderliches Mass bezeichnet, um auch bei ausländischem Grosskapital wahrgenommen zu werden – Ex-Roche-Finanzchef Henri B. Meier, neuerdings Verwaltungsrat bei der Immobiliengruppe Züblin, spricht sogar von zehn Milliarden! Von solchen Gewichtsklassen allerdings sind schweizerische Immobilienbetriebe Lichtjahre entfernt.
Bei manchem Mitspieler ist denn auch Expansion angesagt. Laut einer BILANZ-Umfrage bei den in der Tabelle «Grossgrundbesitzer» aufgeführten Firmen soll sich der Immobilienwert mittelfristig weit mehr als verdoppeln. Nur lässt sich Wachstum gerade in diesem Wirtschaftssektor nicht so ohne weiteres bewerkstelligen. Der Einkauf von Liegenschaften bedingt neues Kapital, und dieses ist in den gegenwärtig turbulenten Börsenzeiten nur schwer über Kapitalerhöhungen hereinzuholen. Die Privatanleger jedenfalls zeigen sich zurückhaltend, Institutionelle wiederum steigen nur ein, wenn das Immobilienportfolio eine bestimmte Grösse erreicht hat. Ein Teufelskreis.
Und ist einmal ausreichend Kapital vorhanden, fangen die Probleme erst recht an. Denn das Angebot an attraktiven Immobilien wird immer knapper. Allein in den vergangenen 18 Monaten wechselten vor allem kommerziell genutzte Liegenschaften im Wert von über fünf Milliarden Franken die Besitzer.
«Inzwischen sind eindeutig weniger gute Immobilien im Angebot, denn die Interessenten haben etwa dieselben Objekte im Visier», bilanziert Thomas Kurer, Vorsitzender der Geschäftleitung der A&A Liegenschaften. «Für Topstandorte in Zürich, Basel und Bern bieten wir oft schon gar nicht mehr mit. Da sind die Preise auf und davon, eine anständige Rendite ist kaum noch zu erreichen», mokiert sich Samuel Gartmann. Der Maag-Mann sieht gar wieder Preisexzesse aufziehen, wie sie in den späten Achtzigerjahren das Ende der Immobilienhausse eingeläutet haben: «Heute schlägt man sich wieder um Liegenschaften. Die Interessenten bieten sich gegenseitig hoch, schliesslich wird nicht selten zu viel bezahlt.»
Immer wieder als Negativbeispiel angeführt wird der Verkauf der Swisscom-Immobilien an Swiss Prime Site im Umfang von 706 Millionen Franken. Da habe Swiss Prime Site in der Hitze des Gefechts etwa 200 Millionen zu viel bezahlt, wollen Mitbewerber wissen. «Wenn die Konkurrenz nicht zum Zuge gekommen ist, werden schnell einmal solche Behauptungen aufgestellt», wehrt sich der angegriffene CEO Markus Graf. «Hätten wir wirklich zu viel bezahlt, könnten wir keine guten Zahlen mehr ausweisen. Dann wollte ich nicht in meiner eigenen Haut stecken.»
Ob sich hinter diesen Gerüchten Neid oder ein Körnchen Wahrheit verbirgt, wird sich wohl nie herausstellen. Doch die Episode führt vor Augen, wie blank die Nerven bei manchen Immobilienfirmen liegen. Der Anspruch, in einem ausgetrockneten Markt mit wenig Kapital massiv wachsen zu müssen, um nicht in der Masse unbedeutender Unternehmen unterzugehen, sorgt da und dort für eine Überproduktion an Magensäure. Jeder beobachtet jeden, damit ja kein Deal verpasst wird.
Überraschungen bleiben dennoch nicht aus. So vor wenigen Wochen, als die in der Öffentlichkeit praktisch unbekannte Swissville einen Coup der Sonderklasse landen konnte, der die Branche in helle Aufregung versetzte: Die Tochterfirma der Rentenanstalt / Swiss Life erwarb die 39 Liegenschaften der Oscar Weber Holding (OWH), alles Objekte an erstklassigen Zentrumslagen; wichtigster Mieter ist die Epa, die vorher aus der OWH herausgelöst worden war. Angeblich wurde Swissville von einem Aktionär aus dem Kreis der ehemaligen Besitzerfamilien Weber, Stöckli und Buhofer – diese sind seit langem in der BILANZ-Liste der 300 reichsten Schweizer vertreten – kontaktiert. Mehr lässt sich Swissville-CEO Ernst Schaufelberger nicht entlocken. Auch zum Kaufpreis will sich der einstige Manager des Immobilienfonds UBS Sima partout nicht äussern.
Bekannt ist dafür, dass die erst ein Jahr alte Swissville mit dieser Handänderung den Wert ihres Immobilienbestandes von knapp einer auf über zwei Milliarden Franken hievte. Wie aus dem Nichts hat sich das Jungunternehmen damit an die Spitze aller Immobiliengesellschaften gesetzt. Und ist immer noch nicht satt. «Wir wollen nicht um jeden Preis wachsen. Wachstum vor Rendite zu setzen, kann gefährlich sein», gibt Schaufelberger zwar zu bedenken. Doch er lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass die in Zug domizilierte Firma, für die man sich zu gegebener Zeit eine Privatplatzierung oder ein Going-public überlegt, unverändert auf Wachstumskurs steuert.
Das versucht die Konkurrenz auch. Nötigenfalls mit der Brechstange. «In unserer Branche erwarte ich eine Fusionswelle, die noch in diesem Jahr einsetzen und sich bis ins Jahr 2002 hineinziehen wird», ist Fritz Jörg von der PSP Swiss Property Group überzeugt. Dieselbe Meinung vertritt Maag-Lenker Samuel Gartmann: «Über die nächsten 18 Monate wird eine Konsolidierung einsetzen. Es braucht nur einen Anstoss, damit der Damm bricht.»
Vor einem halben Jahr wäre der Damm beinahe gebrochen. Damals gaben Swiss Prime Site und die aus dem Verkauf des Biergeschäfts an Carlsberg entstandene Immobiliengesellschaft Feldschlösschen-Hürlimann, inzwischen in REG Real Estate Group umfirmiert, überraschend Heiratsabsichten bekannt. Daraus wäre mit einem Liegenschaftenbestand von 2,6 Milliarden Franken die grösste kotierte Schweizer Immobiliengesellschaft hervorgegangen. «Das wäre ein guter Deal geworden», blickt Markus Graf von der Swiss Prime Site wehmütig zurück. Aber eben, zweimal «wäre»: Unter der Führung einer oppositionellen Gruppe um den Financier Marc Rich liessen die REG-Aktionäre mit dem Argument, die Immobilien seien mehr wert als die in den Fusionsverhandlungen festgelegten 1044 Millionen, die Verlobung platzen. Seither ist es um die REG ruhig geworden.
Nun ist die Jagd wieder offen. Im Zentrum der Begierden steht abermals die REG. «Die Real Estate Group würde gut zu uns passen, die halten die besten Immobilien von allen Liegenschaftenfirmen», schwärmt Alfred Meili, VR-Präsident der Immobilien-Managementgesellschaft Mobimo Holding. Doch da wollen auch noch andere ein paar Takte mitreden. «Wir müssen uns nicht in die Arme eines Konkurrenten flüchten. Allerdings wurden wir auch schon als möglicher Partner der REG erwähnt», äussert sich vorsichtig Hans Engel, Geschäftsleitungsmitglied der Allreal Holding. Die in den Bereichen Immobilienbeteiligungen, Generalunternehmung und Liegenschaftenentwicklung aktive, von der Bank Vontobel ins Leben gerufene Allreal übernahm 1999 den Immobilienbereich der damaligen Oerlikon-Bührle.
Andere Firmen aber wollen auch nicht abseits stehen. Sogar bei Jelmoli, wo sich bei den ambitiösen Entwicklungsprojekten wie dem Genfer Stadion und Geschäftszentrum La Praille oder dem St.-Galler Stadionprojekt zuerst einiges konkretisieren müsste, macht man sich Gedanken: «Am ehesten würde wohl REG zu uns passen», meint Peter Leumann. Auf die Frage, ob Gespräche geführt würden, lacht der Jelmoli-CEO lauthals auf. «Gäbe ich eine Antwort, müsste ich entweder lügen, oder ich käme wegen der Insiderbestimmung ins Gefängnis.»
Nicht nur um die REG ranken sich Übernahmegerüchte. Fast alle Fusionskombinationen sind denkbar. «In diesem Geschäft spricht momentan jeder mit jedem, und nicht nur über das Wetter. Offiziell aber will niemand etwas wissen», erläutert der auf Anonymität beharrende Topmanager einer mittelgrossen Immobilienfirma. Wer weiss, vielleicht bringt ja das zu erwartende Übernahmegerangel endlich etwas Leben in die Immobilienaktien.
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