Das Einfamilienhaus im Grünen gilt noch heute für viele Menschen als Ideal. Der Realität auf dem Immobilienmarkt entspricht diesem Traum immer weniger: Die Schweiz wohnt zunehmend alleine und in den Städten und Agglomerationen.
Der grosse Trend heisst Singlehaushalt. Und zwei Schweizer Immobilienfirmen haben ihr Geschäft danach ausgerichtet.
Die Zuger Artisa Gruppe und die Thurgauer iLive Schweiz spezialisieren sich auf Mikroapartements in Städten.
Kleinwohnungen sind in der Schweiz kein neues Phänomen, früher waren sie als Studio bekannt. Bei dem Geschäftsmodell der beiden Firmen geht es aber nicht lediglich darum, solche Kleinwohnungen zu erstellen. Artisa und iLive wollen vielmehr Marken fürs Alleinleben schaffen – das Schlagwort dafür ist Branded Living, der zugrundeliegende Trend heisst Microliving (erfahren Sie dazu mehr im Interview mit einem Zukunftsforscher).
Die beiden Immobilienunternehmen haben erkannt, dass immer mehr Menschen ungebunden für begrenzte Zeit eine Unterkunft benötigen – und doch Anschluss an eine Gemeinschaft suchen.
Das Angebot umfasst verschiedene Dienstleistungen, beispielsweise eine Zimmerreinigung oder Fitnesscenter. Der wichtigste Haushaltsgegenstand ist das Smartphone: Auf der App finden die Mieter Informationen, tauschen sich aus und buchen Services.
15'000 Miniwohnungen geplant
Bei Artisa heisst das Produkt «City Pop». Unter diesem Namen plant die Gruppe ein europaweites Netz von möblierten Mikrowohnungen. 15'000 solcher Apartements will Artisa in den nächsten Jahren eröffnen – jeweils gut 25 bis 40 Quadratmeter klein –, den Grossteil davon in der Schweiz und in deutschen Grossstädten wie Berlin oder Hamburg.
Artisa-Verwaltungsratsmitglied Andrea Blotti spricht von Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Franken. «Unser Traum ist es, einen Brand für ganz Europa zu schaffen», sagt Blotti.
Artisa ist einer der grössten Immobiliengesellschaften des Tessins. Die Gruppe im Besitz der Familie Artioli mit derzeit gut 60 Angestellten baut, verkauft und verwaltet Liegenschaften. Derzeit umfasst ihr Portfolio Liegenschaften in Wert von 700 Millionen Franken. Seit einigen Jahren ist die Gruppe auch in der Deutschschweiz aktiv, der Sitz ist jetzt in Zug.
iLive aus Nordrhein-Westfalen ist einer der führenden Anbieter von Mikroapartements in Deutschland. Die Spezialität sind Studentenwohnungen, die iLive teilweise auch an die Bewohner verkauft. iLive Schweiz ist ein Joint-Venture der deutschen Muttergesellschaft und dem Thurgauer Bauunternehmen Methabau.
Mit City Pop richtet sich Artisa an Mieter, die für eine begrenzte Zeit eine preiswerte Unterkunft in der Stadt suchen, beispielsweise Studenten, Pendler oder Geschäftsreisende. Das Angebot unterscheide sich von den «Business Apartments», wie sie bereits zahlreich vorhanden sind, so Andrea Blotti. «Die sind viel hochpreisiger und bieten keinen Lifestyle. Wir wollen eine Community entstehen lassen.»
In der Schweiz sind bereits 1000 City-Pop-Wohnungen in Planung, unter anderen in Zürich, Bern, Lugano, Lausanne und Genf. Der erste Wohnblock wird im Herbst in Zürich-Oerlikon eröffnet. Für die Projekte im Ausland sucht Artisa noch zusätzliche Investoren.
Führender deutscher Anbieter startet in der Schweiz
Ein ähnliches Geschäftsmodell wie Artisa hat iLive Schweiz: Das vor zwei Jahren gegründete Joint-Venture der deutschen iLive Gruppe plant in Biel und St. Gallen den Bau von total 130 bis 150 Miniwohnungen für Studenten.
iLive ist in Deutschland mit Studentenwohnungen bekannt geworden. Auch der Schweizer Ableger will sich zu Beginn an Junge in Ausbildung richten, später möchte iLive aber auch Miniwohnungen für Geschäftsreisende und Senioren anbieten. «Wir wollen die Mieter als Studenten gewinnen und durch alle Lebensphasen begleiten», sagt der Chef von iLive Schweiz, Markus Kellermüller.
Mikroapartements sind eine Antwort auf zwei Entwicklungen in Grossstädten weltweit: Immer mehr Menschen leben alleine, und gleichzeitig wird das Wohnen immer teuer. Dadurch werden immer mehr Gebäude mit kleinen Wohnungen gebaut, deren Bewohner sich gewisse Dienstleistungen und Räume teilen. Mikroapartements sind Ausdruck des Trends hin zum Microliving (auch als Coliving bekannt). Was darunter zu verstehen ist, erfahren Sie hier.
Swiss Prime Site plant Turm mit Mikroapartements
Nicht nur Artisa und iLive haben den Trend zum Wohnen auf kleinen Raum für sich entdeckt. So baut beispielsweise die grösste Schweizer Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site ein Turm mit Mikroapartements auf dem Maag-Areal in Zürich. Die ganze Bauwirtschaft richtet sich stärker auf kleine Wohnungen aus - es werden vermehrt kleinere Objekte gebaut.
Trotz zunehmendem Wettbewerb will iLive bei der Expansion dennoch behutsam vorgehen. «Gute Standorte gibt es nicht wie Sand am Meer. Wir wollen nur aussergewöhnliche Projekte», sagt Schweiz-Chef Markus Kellermüller. Und auch Artisa fühlt sich nicht unter Druck. «Es gibt Platz für mehrere Player.»