Nach dem Ständerat hat jetzt auch der Nationalrat das Gesetz zur Solidarhaftung in der Baubranche zugestimmt. Damit wird die gesamte Kette an Subunternehmen zur Verantwortung gezogen, sollte es in Zukunft auf Schweizer Baustellen erneut zu Lohnmisssbräuchen kommen. Subunternehmen sind Firmen, welche von einem Unternehmen einen Auftrag oder einen Teilauftrag erhalten.

Wird die Baufirma des Lohndumpings überführt, reicht die Strafe von einer Busse bis hin zum Tätigkeitsverbot in der Schweiz. Kann der Auftraggeber aber nachweisen, dass sie die beauftragte Baufirma auf Einhaltung von Lohn- und Arbeitsbedingungen geprüft hat, wird sie von der Haftung befreit. 

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Die verabschiedete Solidarhaftung richtet sich besonders gegen ausländische Firmen, die dank der Personenfreizügigkeit in der Schweiz arbeiten. Nun äussert sich Anton Affentranger, Konzernchef des Schweizer Bauriesen Implenia, zum Gesetzeserlass und spart dabei nicht an Kritik gegnüber der Politik.

«Handelszeitung Online»: Herr Affentranger, das Parlament hat der Solidarhaftung im Schweizer Bausektor zugestimmt. Was halten Sie von diesem Entscheid?
Anton Affentranger: Ich habe den Eindruck, dass hier überstürzt gehandelt worden ist. 

Das sieht das Parlament anders. Aus deren Sicht schützt das neue Gesetz vielmehr Schweizer KMU. 
Es mag sein, dass die Mehrheit im Parlament tatsächlich die Schweizer KMU schützen will. Unsere KMU entwickeln sich jedoch am besten in einem offenen und liberalen Umfeld. In diesem Sinne ist die Solidarhaftung ein nicht nachvollziehbares Regulativum. 

Ist das wirklich ein übereilter Schritt? Nach den Gewerkschaften spricht inzwischen selbst Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann von «schweren Missbräuchen» in Sachen Löhne und befürwortete deshalb die Gesetzesverschärfung. 
Es gibt Missstände in der Branche, da will ich nichts beschönigen. Ich möchte aber eines ganz klar festhalten: Wir verfolgen bei Implenia eine Nulltoleranz-Haltung und akzeptieren keine Verstösse gegen Gesetze oder das geltende Arbeitsrecht. Wenn es Missbräuche bei Subunternehmern gibt, handeln wir konsequent. Dass nun der Staat die Kontrollaufgabe der Privatwirtschaft überträgt, kann ich nur schwer nachvollziehen.

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Wirtschaftsminister Schneider-Ammann die Solidarhaftung nun «effizient» umsetzen will. 
Auch wir sind an einer effizienten Umsetzung interessiert. Es geht jetzt darum, gemeinsam mit den Bauherren, Gewerkschaften und den Behörden herauszufinden, welches die besten Methoden sind. Wir hoffen aber sehr, dass es durch das neue Gesetz nicht zu Marktverzerrungen kommt. Diese würden die Konkurrenzfähigkeit markant beinträchtigen. Und das wollen wir sicher nicht. 

Verstehe ich Sie richtig: Halten Sie es nach diesem Gesetzeserlass für möglich, dass in Zukunft Aufträge vermehrt an ausländische Baufirmen vergeben werden oder sogar die Temporärarbeit wieder vermehrt an Zulauf gewinnt, um die Solidarhaftung auf diese Weise umgehen zu können?
Es ist halt so: Wenn neue Gesetze eingeführt werden, werden sich die Märkte anpassen. Wie und wie schnell, hängt von den Umsetzungsbestimmungen ab. 

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Aufträge an ausländische Baufirmen müssen begrenzt werden, um die Schweizer Firmen und deren Mitarbeiter zu schützen. 
Nein, ein offener Markt ist eine Errungenschaft, von der die ganze Schweizer Volkswirtschaft profitiert und die wir nicht leichtfertig aufgeben sollten. 

Können Sie einen Zusammenhang zwischen den Misssbräuchen auf Schweizer Baustellen und dem Image der Personenfreizügigkeit erkennen?
Wir haben den Eindruck, dass hier in der Tat verschiedene Problemkreise verwechselt wurden. Wichtig ist, dass für alle dieselben Spielregeln gelten und wir geeignete Kontrollsysteme haben, die das sicherstellen. 

Dafür wurde die Solidarhaftung verabschiedet. Wie wollen Sie das Gesetz konkret umsetzen?
Wir werden uns aktiv in diese Diskussion einbringen. Eine der diskutierten Massnahmen ist beispielsweise das Badge-System, das den Zugang zu den Baustellen regelt und im Kanton Genf bereits eingesetzt wird.

Welche finanziellen Auswirkungen hat die Umsetzung der Gesetzesverschärfung auf Implenia?
Wir haben unsere Sorgfaltspflicht und den Kampf gegen Verletzungen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen immer sehr ernst genommen. Entsprechend treffen wir bereits heute Massnahmen, um dies auch bei den Subunternehmern auf unseren Baustellen sicherzustellen. Die zusätzlichen Kontrollaufgaben die wir – im Auftragsverhältnis – nun übernehmen sollen, werden natürlich Kosten nach sich ziehen. 

Hat dies Preiserhöhungen für den Endkonsumenten zur Folge?
Grundsätzlich werden die Kosten direkt und indirekt von allen involvierten Parteien getragen.