Wie stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Die Corona-Krise führte zu einem beispiellosen Anstieg der Unsicherheit. Einerseits brechen Konjunktur und Unternehmensgewinne in historischem Ausmass ein, auf der anderen Seite überfluten Zentralbanken und Regierungen die Märkte mit Liquidität. Dies führt dazu, dass sich die Aktienmärkte immer stärker von den fundamentalen Daten entfernen und die Unternehmen keine Einschätzung zur Geschäftsentwicklung in der Zukunft geben können.

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MarioGenialeCICBoerseninterview

Mario Geniale ist als Chief Investment Officer verantwortlich für die Anlagepolitik der Bank CIC. Der diplomierte Vermögensverwalter und Finanzexperte verfügt über langjährige Erfahrung im Portfolio Management und Advisory.

Quelle: Pablo Wunsch Blanco

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie stark und nachhaltig die aktuell v-förmige Wirtschaftserholung sein wird. Wir sind diesbezüglich wenig optimistisch und erwarten weitere Stellenkürzungen, welche sich negativ auf den Konsum auswirken werden. Aus diesem Grunde dürften die Aktienmärkte ihren volatilen Seitwärtstrend noch einige Zeit fortsetzen.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Auf 12 Monate sehen wir beim SMI nur ein beschränktes Aufwärtspotential. Der Gesamtmarkt wird durch die drei Schwergewichte Roche, Novartis und Nestlé gebremst. Der Nahrungsmittelkonzern weist angesichts der bescheidene Wachstumsmöglichkeit eine äusserst sportliche Bewertung auf und den beiden Pharmaunternehmen droht in den USA Gegenwind.

Präsident Donald Trump hat Anfang Juli angekündigt, sich für tiefere Medikamentenpreise einzusetzen, dem demokratischen Herausforderer Joe Biden sind die in den USA rekordhohen Preise schon lange ein Dorn im Auge.

Der Goldpreis ist im Höhenflug. Wird sich die Aufwertung des Edelmetalls fortsetzen?
Nachdem der Goldpreis seit Anfang Juli rund 10 Prozent zugelegt hat und im Verlaufe dieser Woche in die Nähe der magischen Grenze von 2000 Dollar pro Unze vorstiess, wird die Luft kurzfristig dünn. Aus technischer Sicht ist Gold stark überkauft, eine Korrektur bis in die Region 1800 Dollar pro Unze würde uns nicht überraschen.

Auf diesem Niveau empfehlen wir ganz klar eine Aufstockung der Goldpositionen, da Gold als härteste Währung der Welt mittel- bis langfristig von den völlig aus dem Ruder gelaufenen Aktionen der Zentralbanken profitieren wird. In 12 Monaten sehen wir den Goldpreis in der Region 2500 – 3000 Dollar pro Unze.

Der Dollar ist gegenüber dem Franken so schwach wie seit Jahren nicht mehr. Wie erklärt sich die Schwäche des US-Greenbacks?
Der Dollar setzte zum verstärkten Tiefflug an, als die amerikanische Zentralbank im Zuge der Coronakrise die kurzfristigen US-Zinsen im Monat März um 1.5 Prozent gesenkt hat. Die negativen Realzinsen in Amerika und die entschlossene Reaktion der Politiker und der Zentralbank in Europa zur Wachstumsstimulierung beschleunigten den Abwärtstrend. Kurzfristig dürfte der Dollar seine Verluste gegenüber dem Franken konsolidieren, bevor der mittelfristige Abwärtstrend wieder aufgenommen wird.

Welche drei Schweizer Aktien können Sie empfehlen – und welche drei US-Titel halten Sie für attraktiv?
Uns gefallen in der Schweiz Vifor, unter anderem aufgrund der Zusammenarbeit mit Fresenius Medical Care, dem Weltmarktführer im Bereich Dialyse, Swatch (sollte das Schlimmste hinter sich haben) und Novartis, welche vom Markt völlig unterschätzt werden. In Amerika favorisieren wir Johnson & Johnson als diversifizierter Health Care Konzern, Microsoft als führendes Unternehmen im Cloud Bereich und McDonald's, welche nach der Veröffentlichung von für einmal nur mässigen Quartalszahlen über Gebühr abgestraft wurden.

UBS, Credit Suisse und Julius Bär wollen im zweiten Halbjahr die zweite Tranche der Dividende ausschütten. Wie stehen die Chancen, dass die Banken an ihren Plänen festhalten?
Trotz Dividendenauszahlungsverbot der Europäischen Zentralbank an die Adresse der europäischen Banken, erwarten wir, dass die Schweizer Banken in der zweiten Jahreshälfte die restlichen Dividendenzahlungen leisten werden. Aufgrund weiterhin steigender Rückstellungen, dem anhaltenden Margendruck und dem Negativzinsumfeld dürften die Ausschüttungen ab nächstem Jahr jedoch erheblich tiefer ausfallen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.