Um Kosten zu sparen, lagern Schweizer Fir-men Informatikprojekte nach Indien aus. Wie Recherchen der «HandelsZeitung» zeigen, sind in der Schweiz momentan mehrere indische Firmen in dutzenden Projekten bei Firmen aktiv. Der anhaltende Kostendruck macht die Schweiz zu einem attraktiven Pflaster für indische Konzerne, die zu wesentlich tieferen Konditionen offerieren können (siehe Kasten).
Weit gediehen sind Pläne von Zurich Financial Services, die bereits im letzten Jahr eine umfassende Umstrukturierung ihrer Informatiksysteme ins Auge gefasst hat und in deren Zug bereits 1 Mrd Dollar in diesem Jahr eingespart werden soll. In einem 11 Punkte umfassenden Plan skizziert der Versicherungskonzern die erhofften Einsparpotenziale: Neben einem Outsourcing der Desktop-PC-Flotte und des Betriebs der SAP-Softwareplattform wird auch ein Offshoring der eigenen Versicherungsapplikationen nach Indien angestrebt. Mit diesem Job betraut wurden gleich zwei Offshore-Firmen: Es sind dies Wipro und Cognizant, die schon für die Credit Suisse aktiv ist (Nr. 47 vom 19. 11.03).
*Postfinance geht fremd*
Ebenfalls weit fortgeschritten sind die Projekte beim Basler Pharmakonzern Novartis, welcher der Firma TKS-Teknosoft den Auftrag für den Bau einer Validierungsdatenbank für pharmazeutische Produkte erteilt hat. Doch bei diesem Offshore-Projekt namens «Dragon» will es Novartis nicht bewenden lassen. Das Unternehmen plant zudem den Aufbau eines eigenen Offshoring-Zentrums für künftige Software-Projekte.
Postfinance wiederum hat nach einer zweistufigen Evaluation den beiden indischen Firmen Infosys und Datamatics den Auftrag erteilt, je ein Altsystem technisch auf den neuesten Stand zu bringen. Die Vergabe der Projekte nach Indien ist insofern umstritten, als auch Schweizer Firmen für diesen Auftrag gekämpft haben.
Dass Schweizer IT-Dienstleister zunehmend in Konkurrenz zu indischen Firmen stehen und aufgrund der höheren Kosten häufig den kürzeren ziehen, ist ein relativ neues Phänomen. Als indische Firmen vor ein paar Jahren im grossen Stil von Schweizer Firmen angeheuert wurden, standen monotone Routinejobs wie die Behebung des Jahr-2000-Softwarefehlers im Vordergrund. Die Schweizer Firmen wollten oder konnten diese Art von Programmierarbeiten nicht machen. Auch heute ist es immer noch die Spezialität vieler indischer Softwareentwickler, Altlösungen, deren Dokumentationen längst geshreddert sind, auf eine neue Plattform zu hieven.
*Inder haben dazugelernt*
Doch die Inder beherrschen längst nicht nur monotone Programmierjobs. Inzwischen bieten sie auch die Planung, Entwicklung, Einführung und Wartung von neuen Applikationen sowie die Abwicklung von gesamten Geschäftsprozessen an - was bislang eine exklusive Domäne von lokalen IT-Dienstleistern und internationalen Beratungshäusern war.
Weil die traditionellen IT-Dienstleister ihre Felle davon schwimmen sehen, holen sie zum Gegenschlag aus. So hat beispielsweise IBM in Indien ein eigenes Offshorezentrum aufgebaut mit 5000 Mitarbeitern. In China sind es 3500. Konkurrent Accenture baut auf den Philippinen einen Offshore-Ableger aus. SAP wiederum will die Belegschaft in Indien bis Ende 2004 verdoppeln. Selbst Schweizer Firmen mischen mit. Der Westschweizer Elca beschäftigt in Vietnam 60 Programmierer.
Die einmal verlagerten Jobs dürften wohl nicht mehr zurückkommen. 8% der IT-Stellen sieht Forrester Research in den USA in den nächsten Jahren verlustig gehen. Bis 2015 rechnet Forrester für den gesamten Dienstleistungssektor mit einem Minus von 3,3 Mio Stellen. Wenig rosige Aussichten für die einst erfolgsverwöhnte Branche.
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Informatik-Offshoring: Grossfirmen lagern nach Indien aus
Mit Postfinance, Zurich Financial Services und Novartis setzen nach der Credit Suisse drei weitere Grossfirmen auf indische Software-Entwickler. Das Nachsehen haben die Schweizer IT-Dienstleister.
Von Beat Schmid
am 25.11.2003 - 19:38 Uhr
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