Einen Mozart gab es in der Schweiz nie und auch keinen Beethoven. Trotzdem ist die Eidgenossenschaft durchaus musikalisch. 350 bis 400 Unternehmen leben hierzulande vom Verkauf von Musikinstrumenten. Damit liegt die Schweiz laut Anga-
ben des Branchenverbandes Suissemusic deutlich über der Musikhausdichte im europäischen Umland. Und der Verkauf beschränkt sich keineswegs auf Alphörner und «Schwiizerörgeli».
90000 Blasinstrumente wurden laut Aussenhandelsstatistik im Jahr 2005 in die Schweiz eingeführt. Es folgten 40000 Zupf- und Streichinstrumente sowie 25900 elektronische Tasteninstrumente. Schliesslich fanden 2189 Klaviere und 424 Flügel den Weg in schweizerische Musikgeschäfte.
*Viele Kleinstbetriebe*
Klein sind die Schweizer Instrumentengeschäfte. Die meisten Betriebe beschäftigen laut Suissemusic-Geschäftsführer Beat Thoma nicht mehr als drei oder vier Angestellte. Auf 1800 bis 2000 Personen schätzt er die Zahl der Beschäftigten im Instrumentenhandel. Gesamthaft macht der Instrumentenhandel einen Umsatz von 350 bis 400 Mio Fr. im Jahr.
Geschäfte mit traditionsreicher Vergangenheit prägen die Landschaft. Der Marktleader Musik Hug (325 Mitarbeiter plus) feiert kommendes Jahr sein 200-jähriges Bestehen. Jecklin gibt es immerhin schon seit 1895. Und der dritte grosse Player, das Musikhaus Krompholz in Bern (70 Mitarbeiter), besteht seit 1855.
*Happige Umsatzeinbussen*
Tradition ist allerdings kein Garant für Erfolg. Am schlimmsten erwischte es Jecklin. Im Zuge des wachsenden CD-Handels im Internet, zunehmend selbst gebrannter Kopien und MP3-Downloads geriet das Zürcher Musikhaus Ende des 20. Jahrhunderts ins Trudeln. Drei Viertel des Umsatzes hatte die Ladenkette zuletzt mit dem CD-Geschäft gemacht. Entsprechend heftig wurde es von der Krise erfasst. Nach turbulenten Jahren wurde Jecklin 2003 schliesslich vom Zürcher Konkurrenten Musik Hug geschluckt.
Zwar keine Übernahmen, jedoch Umsatzeinbussen mussten auch die anderen Musikgeschäfte mit CD-Sparte einstecken. Im Jahr 2001 gaben die Tonträgerproduzenten Schweiz (IFPI Schweiz) noch Tonträger im Wert von 302 Mio Fr. an den Handel ab. 2005 lag der Wert nur mehr bei 224 Mio Fr. «Der Umsatz wird sich aber auf dem aktuellen Niveau stabilisieren», schätzt Marcus Forlin, der Marketingleiter von Musik Hug.
*Familien geben weniger aus*
Härter geworden ist das Wettbewerbsumfeld nicht nur bei den CD-Verkäufen. «Bei Musikinstrumenten sparen die Leute gerne», sagt Kuno Rohrer, der Geschäftsführer des Musikdiscounters A1 Musik in Lyssach. Mit einem Jahresumsatz von 3,8 Mio Fr. und 9 Mitarbeitenden gehört A1 Musik zu den Grossen der Kleinen. In den letzten Jahren hat der Betrieb allerdings rund die Hälfte des Umsatzes eingebüsst. Schuld daran ist nach Kuno Rohrer die Tatsache, dass vor allem Familien aus Kostengründen entweder gar nicht mehr musizieren oder wenn doch, dann auf gemieteten Instrumenten. Nebst der schwindenden Kauflust macht ihm der erstarkte asiatische Markt von Billigprodukten zu schaffen. «Früher musste man 700 bis 800 Fr. für eine Elektrogitarre bezahlen. Heute kriegt man Gitarre inklusive Übungsverstärker, Hülle, Kabel und Traggurt für 198 Fr., klagt er.
*Marketing wird wichtiger*
Bis zu 75% unterbieten die asiatischen Billigprodukte ihre Konkurrenz. Qualitativ seien die Produkte in der Regel allerdings nicht vergleichbar mit herkömmlichen Instrumenten, meint Fabio Fragapane von Musik Produktiv in Niederlenz. Mit einem Umsatz von 11 Mio Fr. und 36 Mitarbeitenden zählt Musik Produktiv zur Mittelklasse im Instrumentenbusiness. Fabio Fragapane kämpft nicht so sehr mit Billigprodukten wie mit der Tatsache, dass auch das Preisniveau von Qualitätsware in den letzten Jahren gefallen ist.
Mit Serviceleistungen, Mehrwerten, Musikschulen, Mietmöglichkeiten und Rückkaufhilfen versuchen er und die anderen Instrumentenhändler, Kundschaft an ihr Geschäft zu binden. «Aktives und emotionales Marketing wird umso wichtiger, als nicht mehr jede Tochter aus gutem Haus automatisch Klavier lernt», meint Hubert Aregger, der Geschäftsführer von Krompholz.
Umsatzmässig sind Klaviere zwar noch immer am stärksten. Doch überall bemerken die Händler ein Abflauen der Klavierneukäufe zu Gunsten von Digitalpianos und Occasionen. Deshalb suchen die Musikgeschäfte neue Kundschaft: «Man muss neue Spielformen vermarkten wie elektronische Instrumente, Schülerbands oder Computersoftware», glaubt Hubert Aregger, nicht zuletzt um im wachsenden Freizeitmarkt zu bestehen. Bei Krompholz haben als Folge der Marketingbemühungen die Verkäufe an Gitarren, Harfen und elektronischen Tasteninstrumenten in den letzten Jahren stark zugenommen. Hug verzeichnet einen Boom an Harfen und Blasinstrumenten.
*Schweiz ist Drehscheibe*
Weniger gelitten als die Musikgeschäfte mit Vollangebot hat der Zürcher Geigenrestaurator und -händler Johannes Leuthold. «Der Handel mit antiken Streich-instrumenten hat sich globalisiert», meint er. Die Nachfrage nach gut erhaltenen Exemplaren sei nach wie vor gross. Ausserdem habe der internationale Handel im Vergleich zum nationalen an Gewicht gewonnen. «Meisterinstrumente werden heutzutage von Musikliebhabern immer mehr als Kapitalanlage betrachtet», beobachtet Johannes Leuthold. Die Schweiz spielt dabei als Drehscheibe eine wichtige Rolle.
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Instrumentenmarkt: Was es braucht, sind völlig neue Töne
Die Musikhäuser in der Schweiz kämpfen gegen Konsumfrust und Preiszerfall - und gegen Günstigware aus Asien. Dagegen floriert das Geschäft mit antiken Streichinstrumenten.
Von Elisabeth Rizzi
am 11.04.2006 - 19:22 Uhr
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