Hier spricht das Personal, frank und frei. Zum Beispiel jenes der UBS. Das drängende Thema an der Basis ist derzeit der Drogentest. Wer bei der UBS in Amerika anheuert, hat vor Arbeitsbeginn ein Gläschen mit Urin abzuliefern. Gefahndet werde nach dem Wirkstoff THC-Karbonsäure, warnt ein Banker, der regelmässig kifft. Ein Mitarbeiter der CS rät derweil dringend ab, bei der Energy Group anzuheuern, für dieses Team endeten die Arbeitstage meist um drei Uhr in der Früh. Sklavenarbeit, stöhnt einer aus der Energy Group.
Bei Serono in Genf wiederum, wird gemäkelt, seien immer noch Restanzen einer italienischen Firmenkultur auszumachen, was der Effizienz nicht eben zuträglich sei. Im Service-Projektmanagement der ABB in Zürich ist nach Feierabend noch lange nicht Schluss. Dann geht es zum gemütlichen Höck, wo zu Steaks, Couscous oder Raclette diskutiert wird. Und ein IT-Security-Spezialist der Swisscom rechnet vor, was er verdient: 120 000 Franken Grundsalär, dazu einen freien ADSL-Anschluss, 100 Franken ans Handy und bei Überzeit 640 Franken im Tag.
Einblick ins Innenleben von Schweizer Firmen gewährt das Internetportal Vault. Hier können Mitarbeiter halbgare Gerüchte und pikante Interna austauschen, oder sie lassen ganz einfach ihren Frust ab, ungefiltert und anonym. «UBS operations sucks», jammert ein Banker über seine Abteilung, wo sich Kollegen offenbar die Türklinke in die Hand geben. «Gerade jetzt haben wieder vier Leute gekündigt», vermeldet er bei Vault unter dem Pseudonym «Curious». Sein Fazit: «Highly disorganized.»
Das Bedürfnis, Dampf abzulassen, ist gross, allein in den USA zählt Vault 2,3 Millionen Besucher, die meisten Studenten, die Praktika suchen oder absolvieren. Jetzt will Vault auch Licht in Europas Büros bringen. 200 000 Besucher haben sich bisher in Europa beim Zahldienst angemeldet, aus der Schweiz besuchen 75 000 Surfer das Portal. Die eben lancierte Kampagne «Swiss Employees speak!» wird für weiteren Verkehr auf der Plattform sorgen.
Und sie lesen und reden und schreiben. Bereits haben sich Mitarbeiter aus 26 Schweizer Firmen eingeloggt – von ABB über Bâloise, Holcim, das Paul Scherrer Institut, Procter & Gamble, SR Technics, Serono, Sulzer, Swisscom bis zu Unaxis.
Vault-Europa-Chef Thomas Nutt ist zuversichtlich: «Wir bieten mehr Transparenz für Leute, die bei einer Firma anheuern wollen.» Und vor dem Jobwechsel noch ein paar Fragen offen haben. Über Vault werden sie gestellt. Antworten liefern die Angestellten, anonym. Hinter «The French Butcher» versteckt sich ein McKinsey-Berater, hinter «Bankerdude» ein UBS-Mann.
Was die Mitarbeiter interessiert: Welche Assessment-Tests werden wo eingesetzt? Was wird konkret gefragt? Erstaunt sind die Vault-Besucher aus dem Ausland über die lockere Kleiderordnung in Schweizer Unternehmen. Nutzbringend ist diese elektronische Pinnwand für Jobsucher allemal. Für die «Financial Times» ist mit Vault gar ein neues Zeitalter angebrochen: «Vault hat den Schlüssel zu Firmengeheimnissen.»
Firmengeheimnis, das tönt nach Industriespionage. Damit Vault juristisch nicht in die Bredouille gerät, hat man Kontrollen eingebaut. Moderatoren prüfen die Messages permanent auf ihre Rechtmässigkeit. Eine Software filtert zudem rassistische Sprüche und persönliche Attacken aus dem Netz. «So können wir heikles Material eliminieren», sagt Nutt.
Es wird nicht nur geschnüffelt – über Vault werden auch Stellen ausgeschrieben. Eben sucht Google 80 Uni-Abgänger. Andere wie CS oder UBS heuern über das Portal Interns an.
Es waren ein paar Techies, die Vault im Internetboom 1997 gründeten. Was als Infobörse für Hochschulabgänger begann, die auf die Silicon Alley in New York schielten, ist heute ein Online-Portal, das Informationen aus über 5000 Firmen bietet.
Finanziert werden die Plattformen über Mitgliederbeiträge, Werbung, durch Universitäten und Firmen, die sich auf der Homepage präsentieren oder mit Stelleninseraten nach Talenten Ausschau halten. Weitere Einkünfte generiert Vault über eine Line Extension: Regelmässig erstellt die Firma auf Basis der gratis angelieferten Datenhäppchen und eigenen Recherchen Bücher mit Servicecharakter. «Guide to the Top European Banks», «Guide to the Top European Consulting Firms» oder «MBA Career Bible» heissen die jüngsten Angebote.
Erstaunlich ist allemal: Vault hat das Platzen der Dotcom-Blase überlebt, seit drei Jahren arbeite man profitabel, sagt Nutt. Besitzer des Schlüssellochportals sind American Lawyer Media und Dun & Bradstreet sowie die Vault-Gründer Samer und Hussam Hamadeh. CEO Samer Hamadeh ist auf einer grossen Mission: «Wir wollen, dass die Leute ihren Traumjob finden.» «Curious» von der UBS hat ihn offenkundig noch nicht gefunden. BAR