Herr Faber, als Einwohner von Hongkong und Thailand erleben Sie die Auswirkungen der Lungenkrankheit Sars hautnah. Inwiefern tangiert diese die Wirtschaft Asiens und Ihr persönliches Leben?
Marc Faber: Sars hat schlimme Konsequenzen für die Wirtschaft in Hongkong und für den Tourismus in Asien. In Singapur und Hongkong sind die Hotels derzeit nur zu zehn Prozent belegt. Normalerweise beträgt die Auslastung zu dieser Zeit 75 Prozent. Die Detailhandelsumsätze sind ebenfalls markant zurückgegangen, Restaurants und Bars sind leer. Viele Konferenzen, an denen ich hätte auftreten sollen, wurden abgesagt. Wenn ich von Hongkong zu meiner Frau nach Thailand komme, dann begebe ich mich für zwölf Tage in Quarantäne. Es könnte ja sein, dass ich mich infiziert habe – und ich will niemanden anstecken.
Immer wieder sehen wir, wie Flugpassagiere auf Fieber untersucht werden. Sie reisen sehr viel. Jedes Mal das gleiche Prozedere?
Im Gegenteil. Ich bin erstaunt über die Nachlässigkeit der Amerikaner, Australier und Europäer. Ich war vor zwei Wochen in den Vereinigten Staaten und vor zehn Tagen in der Schweiz. Zurzeit bin ich in Australien. Während in Thailand die Temperatur der ankommenden Passagiere gemessen wird, wird in Australien und den USA nichts unternommen. Ich wurde nicht mal gefragt, woher ich komme.
Experten rechnen mit einem Sars-bedingten Rückgang des Bruttoinlandprodukts in China von einem halben bis zu mehreren Prozent. Woher rührt diese grosse Diskrepanz?
Gegenwärtig kann das Virus ausserhalb des menschlichen Körpers ungefähr drei Stunden überleben. Aber stellen wir uns vor, dass das Virus sich entwickelt und plötzlich mehrere Tage überleben kann: Das würde unweigerlich zu einem starken Rückgang des internationalen Handels führen.
Die Lage könnte sich also noch verschlimmern?
Wenn wir das Virus jetzt nicht eindämmen, kann es in ein, zwei Jahren in einer noch gefährlicheren Variante zurückkommen, was desaströse Folgen für die asiatische Wirtschaft hätte. Aber seien wir optimistisch und nehmen an, Sars wird in drei Monaten vorbei sein. In diesem Fall wird sich die Wirtschaft Hongkongs nach einem kurzen Einbruch in diesem Quartal wieder erholen. Alles in allem dürfte die Wachstumsrate um mehr als ein, wahrscheinlich um mehrere Prozent tiefer ausfallen.
Welche Branchen soll man mit Blick auf Sars als Investor vorderhand meiden?
Ganz klar den Tourismus, die Fluggesellschaften, den Detailhandel und sämtliche Firmen, die ihr Geld mit Freizeitaktivitäten und -etablissements – wie Restaurants, Nachtklubs und Bars – verdienen.
Die asiatischen Länder gehören zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften dieser Welt. Warum hat sich das in der Vergangenheit nicht an den Börsen manifestiert?
Nach der Asienkrise 1997/98 verloren asiatische Aktien auf Dollarbasis 80 bis 90 Prozent ihres Werts. 1999 setzte dann eine starke Erholung ein, die allerdings von einer neuerlichen Abschwächung bis Anfang 2002 abgelöst wurde. Seither sind verschiedene asiatische Börsen viel besser gelaufen als die amerikanischen Märkte.
Jedes Jahr fliessen an die 60 Milliarden Dollar Direktinvestitionen nach China, das Land weist eine grosse Wachstumsdynamik auf. Dennoch bewegen sich Chinas Börsen seit Jahren seitwärts.
Seit der Aktienbaisse in den USA setzen viele Investoren nur noch auf sehr liquide Aktien, die sie einfach wieder abstossen können, wenn sie den schnellen Gewinn gemacht haben. Die asiatischen Börsen sind aber nicht sehr liquide. Deshalb ist in den letzten Jahren wenig ausländisches Geld in diese Aktien geflossen. Dagegen haben viele lokale Investoren und Familienaktionäre eigene Aktien zurückgekauft, und viel Geld, das im Ausland angelegt war, ist zurückgeflossen.
Ein grosses Problem für ausländische Investoren in China ist die zweifelhafte Glaubwürdigkeit der chinesischen Regierung. Sars hat das Vertrauen nicht unbedingt verstärkt.
Nicht dass ich der chinesischen Regierung trauen würde, aber im Fall von Sars glaube ich, dass sie sich einfach tollpatschig verhalten hat. Wie die Hühnergrippe 1997 kam das Sars-Virus aus der Provinz Guangdong und hat dann von dort aus auf Hongkong übergegriffen. Am Anfang glaubten alle noch an eine Grippe. Die Regierung hat das Problem erst erkannt, als es schon relativ gross war. Allerdings bin ich überzeugt, dass nun, da alle die Gefährlichkeit des Virus kennen, viele Regierungen in Bezug auf die Sars-Fälle in ihrem Land lügen.
Wie kommen Sie darauf?
Da gewisse asiatische Länder wie Thailand, Kambodscha und Indonesien praktisch keine Fälle gemeldet haben, ist es gut möglich, dass sie die Anzahl der Sars-Fälle verheimlichen.
Soll man bei so viel Unsicherheit überhaupt noch in Asien investieren?
Sowohl fundamental als auch technisch betrachtet, bevorzuge ich auf lange Sicht Asien gegenüber Amerika. In Asien sind die Bewertungen tief und die Wachstumsraten hoch, in Amerika ist es umgekehrt. Viele Firmen werden mittlerweile unter ihrem Buchwert gehandelt und haben Dividendenrenditen von bis zu sechs Prozent. Ich kaufe selten Aktien, aber in den letzten zwölf Monaten habe ich in einige asiatische Titel gekauft.
An den amerikanischen Aktienmärkten hat sich die Lage wieder etwas entspannt. Ist die Zeit der Entwarnung gekommen?
Ich glaube nicht, denn im Grunde wurden die Übertreibungen – die horrenden Defizite der USA und die Kreditexzesse der Firmen und Haushalte – bislang nicht korrigiert. Es kann also durchaus sein, dass wir in den USA nur ein Zwischenhoch gesehen haben, das sogar noch ein bisschen anhalten könnte. Erinnern wir uns daran, dass es seit Beginn der Baisse im Jahr 2000 vier Zwischenhaussen gegeben hat, in denen der Nasdaq jeweils um mehr als 20 Prozent stieg. In Japan, das sich seit mehr als zehn Jahren in einer Baisse befindet, hat es seit 1990 fünf solcher Zwischenhaussen gegeben, und dennoch fiel der Nikkei Index seit 2000 um weitere 50 Prozent.